Die Citoller Tanzgeiger – Lust & Leben

Sie betiteln ihr neues klingendes Zeitdokument mit „Lust & Leben“ und lassen uns vorerst einmal ob dieses Untertitels rätseln. Meinen die Citoller nur eine andere Form von „Brot und Spiele“, oder legen sie all das, was ihr Musikantenberuf ausmacht, in diese zwei auserwählten Begriffe?

Vielleicht ist es auch eine unauflöslich wörtliche Zweisamkeit, denn Lustbarkeit mag ja bald einmal schal schmecken, wenn sie sich vom Leben entfernt. Umgekehrt: Das Leben wird einem bald aus dem Hals hängen, wenn nicht die Lustbarkeit für eine Überhöhung des Alltäglichen sorgt.

Ja, nicht immer muss man das Musikantendasein so tiefsinnig auslegen. Die sollen einfach spielen und nicht philosophieren – möchte man meinen. Letztlich aber liegt zwischen Lust und Leben der eigentliche Auftrag, den die Musikanten gerne zu einem permanenten Zustand ausbauen. Eine Gratwanderung also, die Traum und Wirklichkeit verfließen lassen. Da könnte einem geradezu der Neid fressen…

Die kleine Rückschau auf bisherige Produktionen

Wer die Citoller noch nicht näher kennt, möge einen kleinen Rückblick zulassen und damit den Hinweis auf zwei Vorgänger dieser CD-Ausgabe:

Die Citoller Tanzgeiger- abwarten (1997)

Wer das Glück hatte, das Erstlingswerk der Citoller, nämlich die Wirtshausgeräusch – CD samt Begleitbroschüre zu ergattern, fand sich in einer Welt der präzisen Gedanken wieder. Es waren die gesammelten Überlegungen, die lang gedienten Musikern so durch den Kopf gehen, gedruckt zum Nachlesen. Ergebnis für den Leser: Es muss also mehr stecken hinter dieser Volksmusik, als die Idee, sie vor der Vergessenheit zu schützen. Die damals beigelegte CD brachte eine weitere Erkenntnis zutage: Es gibt ganz wesentliche Voraussetzungen für Musik. Das Knistern vor dem ersten Ton – darauf wollten die Citoller aufmerksam machen. Eine CD mit Wirtshausgeräuschen – ohne einen einzigen Ton – was für eine Lehre für jene, die meinen, es wäre eine Leere.

Die Citoller Tanzgeiger – Am Tanzboden belauscht (2000) 

Diese CD mit umfangreichem Text und vielen Bildern war das Endergebnis einer musikwissenschaftlichen Dokumentation. Die Citoller Tanzgeiger „im Leben“ einzufangen, die Stimmungen während der Hochzeiten, Tanzveranstaltungen und Konzerte festzuhalten, war die Absicht. Es sind eigentlich Forschungsaufnahmen, die den lärmenden Hintergrund dem musikalischen Klangbild gleichstellen. Die Herausgeber waren mit den Beitexten nicht sparsam. Viele interessante Details zum Entstehen von Musik, von der Wirksamkeit, von Notwendigkeiten und dem Musikantengefüge im Zeitenlauf sind darinnen zu finden. Aller guten Dinge sind aber bekanntlich DREI…

Die Citoller Tanzgeiger – Lust & Leben (2010)

Für die Citoller Tanzgeiger standen seit ihrem Entstehen die brauchtümlichen und geselligen Feste im Vordergrund. Sie sahen sich stets als ein Teil des örtlichen Gefüges. Neben ihren Berufen war die musikalische Tätigkeit eine willkommene Möglichkeit, die vielen Nuancen des Zusammenlebens und der Geselligkeit zu erfahren und dabei ihre Position als Musiker zu nutzen. Das öffnete ihnen Tür und Tor und daraus entstanden auch lebenslange Freundschaften. Ihre musikalische Bandbreite als Streicher- und Bläsergruppe ist außergewöhnlich, das Singen zur Musik und die augenblickliche Abrufbarkeit von Liedern und Jodlern, sind der Schlüssel zu ihrem Erfolg. Diese Vielseitigkeit spiegelt sich auch in den Anlässen wider: Die Citoller findet man auf Hochzeiten und Familienfesten, bei den ländlichen Bällen und Almfesten, ebenso aber auch bei Festveranstaltungen, Jubiläen und auf der Konzertbühne. Diese betreten sie zwar mit gemischten Gefühlen, überzeugen aber umso mehr durch ihre spürbare Bodenhaftung.

Eine musikalische Karriere hatten sie nicht im Sinn, sie entwickelten sich – was Unterhaltungskultur betrifft – zu Dienstleistern mit hohem Anspruch. Sie ließen sich ihre kleine Welt der Melodien und der Wertschätzung ihrem Publikum gegenüber nicht zerstören. Frei nach dem Motto: „Lieber für glückliche Hochzeiter als für Fernsehzuseher spielen, lieber ganz nahe am Tanzboden, als am prachtvollen Horizont entlang spazieren und im Playback so tun als ob“.

Ein Querschnitt als Zeitdokument

Dass sich nach mehr als 3 Jahrzehnten Repertoire und Spielstil, ja auch die personelle Besetzung ändern, ist wohl selbstverständlich. Diese CD-Produktion entstand auch in der Absicht, ein Zeitdokument und zugleich einen Querschnitt aus einem beinahe unübersichtlichen Repertoire zu erstellen. Es ist ein gemeinschaftliches Werk aller Musikerinnen und Musiker, deren kleine musikalische Vorlieben in dieser Auswahl zum Ausdruck kommen. Das betrifft auch die Reihung, denn auch bei einem Tanzabend ist das erste Musikstück zugleich auch die Visitenkarte der Musikgruppe. Diese CD beginnt also mit einem Marsch, weil oftmals und gerne ein Marsch am Anfang steht, gleichsam als Ankündigung „Jetzt geht’s los!“

Die Beschreibung der einzelnen Musikstücke auf der CD

Der Steirer Marsch (01) stammt aus der handschriftlichen Notensammlung des Karl Leitenmüller (1900-1981) aus St. Lorenzen bei Knittelfeld. Dessen Sohn Rudolf Leitenmüller – er ist mit den Citollern befreundet – hat ihn für die kleine Bläserpartie bearbeitet. Die Citoller spielen diesen Marsch auf Streich.

Darauf folgt ein Alter Gurktaler Walzer (02), den Hermann Härtel schon in seiner Jugendzeit am Hackbrett und mit der Harmonika spielte und dem er bislang keinen Namen geben konnte. Der Beginn der Melodie wurde immer nur angesungen: „Dadadaa didadii…“ und schon setzten die Mitmusikanten ein. Reinhold Schmidt, Graz, ein eifriger Sammler von Melodien, hat diesen Walzer ebenso namenlos notiert. Nachforschungen bei Manfred Riedl, Kärnten haben ergeben, dass es sich um den „Alten Gurktaler Walzer“ handelt. Der Trioteil weicht allerdings vom „Original“ ab. Solche Überlieferungsfehler kommen im Bereich der Volksmusik immer wieder vor, sie sind Geburtsstunde für viele neue Nuancen einer äußerst lebendigen Musikgattung. Für Hermann Härtel ist der Walzer eine schöne Erinnerung an seine Jugendjahre im Ennstal.

Die nächste Generation findet sich in der Zweistimmigkeit gut zurecht: Die Geschwister Vinzenz und Marie Theres Härtel jodeln den Passailer Jodler (03). Ingeborg und Hermann Härtel haben ihn von den beiden Sängerinnen des Toberer Viergesanges Theresia Reith aus Leoben und Christine Zöhrer aus Passail gelernt.

Das Zurechtbiegen von Texten liegt in der Natur der Sache. Warum sollen die Citoller vom Sulmtaler Bauer singen, wenn es auch Der Citoller Bauer (04) sein kann? Warum die alte Bauernklage, wenn es eine aktuelle gibt? Die Citoller Tanzgeiger haben diesen EU-kritischen Text anlässlich der Eröffnung des Steiermark-Hauses in Brüssel im Jahre 1995 gedichtet und dem damaligen EU-Kommissar Franz Fischler als Ständchen dargeboten.

Diesen Ausseer Schottischen (05) spielen die Citoller in Erinnerung an den Oberbergmeister und Landlergeiger Lois Blamberger (1912-1989) aus Bad Ischl. Er war mit seiner „Simon Geigenmusi“ über Jahrzehnte Vorbild und begnadeter Lehrmeister. In vielen nächtlichen Stunden haben die damals jungen Musikantinnen und Musikanten, seine Melodien und seine Weisheit eingesogen. 

Das Landergeigen und das Jodlerspielen haben die Citoller ebenso von Lois Blamberger gelernt, der die langsamen Melodien mit Bravour zelebrieren konnte.

Den Geigenjodler ’s Ingerl (06) hat Hermann Härtel im Jahre 1982 für seine Frau niedergeschrieben. Es handelt sich also um ein musikalisches Liebesgeständnis.

Was ursprünglich als „Polnischer Tanz“ bezeichnet wurde, ist später  zur Mazurka geworden und diese ist erstmals 1640 belegt. Freilich erfährt sie später viele Wandlungen und gewinnt erst im 19. Jahrhundert als Gesellschaftstanz in ganz Europa an Bedeutung. Und so hält die Mazurka auch Einzug in die Notenhefte der ländlichen Tanzmusiker. Während Mazurken nach wie vor zum Repertoire der Wiener Musik gehören, sind sie vom ländlichen Tanzparkett beinahe verschwunden. Hermann Härtel zeigt bei seinen Tanzabenden gerne die graziösen Mazurkaschritte und hat dazu im Jahre 1982 eine Melodiefolge komponiert: Die Nur a bisserl – Masur (07).

Das Lied Lei aufi, lei aufi da hohen Alma zu… (08) hat der junge Vinzenz Härtel von seiner landwirtschaftlichen Praxisstelle im Sommer 2009 aus Kärnten mitgebracht. Der Bergbauer Klaus Kohlweiß aus Feld am See hat neben seiner Landwirtschaft auch eine Almhütte, die er über den Sommer bewirtschaftet. Der Bauer und sein Praktikant haben die Sommergäste mit regionalen kulinarischen und musikalischen Spezialitäten versorgt. Dieses Lied ist die klingende Erinnerung an einen arbeitsreichen Sommer und einer neu gewonnenen kärntnerisch-steirischen Freundschaft.

Der Mariehre Walzer (09) ist ein Auftragswerk. Hermann Härtel hat ihn im Auftrag der Kollegenschaft für Frau Maria Neubauer komponiert. Der Walzer entstand im Jahre 2009 zu Ehren dieser allseits beliebten Präsidentin des Berufsverbandes „Biomedizinische Analytikerinnen und Analytiker“ anlässlich ihres Eintritts in den Ruhestand. Ein gelungener Auftakt in einen neuen und ebenso schwungvollen Lebensabschnitt also. 

Der Zwiefache Då kennt si koana aus (10) stammt ebenso von Hermann Härtel. Er entstand 1980 in boshafter Absicht: Zur Blütezeit des Ensembles „Die Steirischen Tanzgeiger“ – die Vorgänger der Citoller Tanzgeiger – gaben sich die Musikanten regelmäßigen Bayern-Gastspielen hin.  Die erstklassige Autobahnverbindung brachte die Musiker allerdings schneller ins Ausland, als sich die unterschiedlichen Tanzboden-Gepflogenheiten hätten annähern können. War das der eigentliche Reiz für beide Seiten, für die bayerische Tanzlust ebenso wie für die österreichische Spiellust? Kurz und gut: Bayerische Tanzgepflogenheiten hatten es also schwer, dem österreichischen Angriff standzuhalten. Die Tanzleidenschaft der Bayern stellte aber ebenso Anforderungen. Es wurden immer wieder „Zwiefache“ – also Takt wechselnde Tänze – verlangt, eine Tanzform die den jungen Österreichern nicht so geläufig war. Es entstand alsbald der Wunsch, den Rufern nach Zwiefachen endlich einmal Paroli zu bieten. Die auf der Hinreise entwickelte, gefinkelte Verschränkung von Melodie- und Taktwechsel tat seine Wirkung: Just in dem Moment, als die Zwiefach-Experten kopfschüttelnd und stolpernd aufgaben, erklang der Spottvers: „Då kennt si koana aus… „

Von Musik beseelte Menschen haben die Melodien immer und überall abrufbar, entweder mittels ihrer Stimme oder irgendeines Instruments. Die Citoller verwenden immer wieder Lieder oder Jodler, wenn sie beauftragt werden, festliche Feiern zu begleiten. Der Geigenjodler Da Bua (11) von Hermann Härtel entstand im Jahre 1982 zur Geburt des Sohnes Hermann jun., der ebenso eine Zeit lang als fixes Ensemblemitglied mit den Citollern gespielt hat.

Mit dem Rewöller Jodler (12) begann die langjährige Freundschaft zwischen der Familie Härtel und dem Bergbauernsohn Franz Zöhrer (geb. 1937) aus Laufnitzdorf bei Frohnleiten. Der Holzknechtball im Gasthof Luckner, Kleintal war gerade in vollem Gange, als der Franz mit etlichen Sängern den Rewöller an der alten Schank jodelte. Hermann Härtel stand damals – man schrieb den Jänner 1980 – eine Reihe dahinter, pirschte sich ob der schönen Klänge näher und sprach den Franz Zöhrer an. Daraus wurde eine anhaltende Freundschaft und Franz wurde in der Folge zum Lehrmeister für ungezählte junge Menschen. Der Name des Jodlers bezieht sich auf die in der Militärsprache gebräuchlichen französischen Worte „reveiller“ für „wecken“ und „Reveille“ für „Tagwache.“

Mit der Sprinsi Linsi-Franzee (13) und dem Texteinwurf: “Jedes Mal verlieb` ich mich ein kleines bisschen mehr…“ machen die Citoller Tanzgeiger vor allem den Tanzpaaren in der Weststeiermark eine Freude, denn dort wird die Franzee kraftvoll und schweißtreibend getanzt und jeweils im achten Takt drei Mal gestampft. Die „Polka française“, in der Steiermark „Franzee“– mit Betonung auf dem ee –, entstammt der Gesellschaftsmusik des 19. Jahrhunderts. Damals war sie eine langsame und anmutigere Polka-Version. In der heutigen steirischen Tanzpraxis ist sie äußerst kraftraubend.

Die gerade beschriebene Polka Franzee und der Walzer Abenteuer in Wien (14) haben vieles gemeinsam: Beide entstammen der Gesellschaftsmusik des 19. Jahrhunderts und deren Einzug in das ländliche Tanzmusikrepertoire verdanken wir vor allem der Militärmusik. Die gesellschaftlichen Anlässe in den Garnisonen beider Weltkriege wurden durch Salonmusiken getragen. Was Wunder, dass sich die Heimkehrer dieses Repertoire zu Eigen gemacht haben. „Abenteuer in Wien“ erinnert auch an die Operette gleichen Namens von Carl Millöcker. Die Citoller Tanzgeiger haben beide Musikstücke von der Kapelle Ferdinand Zwanzger, Stiwoll übernommen. Mit der Einspielung der beiden Beispiele des Brückenschlages zwischen Stadtmusik und Landmusik ehren die Citoller ihre Vorbilder, mit denen sie eine respektvolle Freundschaft verbindet. 

Der Schönegger Schåfhålter (15) ist einen Zweier-Jodler aus Schönegg bei Semriach. Trotz der sehr einfachen Melodieform hat dieser „Gegeneinånd“ in der Reduziertheit und im Wechselspiel zweier Stimmen seinen besonderen Reiz. Ingeborg und Hermann Härtel haben ihn von den beiden Sängerinnen des Toberer Viergesanges Theresia Reith aus Leoben und Christine Zöhrer aus Passail gelernt.

Wenn man eine Reise tut, kann man…ebenso Melodien mitbringen. Seit den Siebzigerjahren – als Folge einer Skandinavien-Reise – ist dieser Äppelbo Gånglåt (16) im schreitenden Tempo ein ständiger Begleiter bei allen Spielgelegenheiten. Die Musikanten erinnern sich gerne an die Reise in den Norden, wo sie viele Melodien von anderen Geigern in ihre eigenen überspielt haben, rätselten aber bis vor Kurzem bezüglich des Namens. Simon Wascher, ein vielseitiger und vielgereister Grazer Musiker, konnte ihnen sofort auf die Sprünge helfen. Hans und Andreas Rossipal aus Solnar/Stockholm haben mitgeteilt, dass es sich um eine der bekanntesten Volksmelodien Schwedens handelt. Sie stammt aus der Gegend zwischen Dalarna und Värmland und wird dem „Ärtbergs-Kalle“ aus dem Dorf Ärtberget bei Sågen zugeschrieben.

Die rasante Vielfalt-Polka schnell (17) komponierte Hermann Härtel 2009 anlässlich der Musikwoche in Johnsbach. Er widmete sie der Musikgruppe „Steirische Vielfalt“ aus dem oststeirischen Gnas, deren Ensemblemitglieder alljährlich die sommerliche Woche nützen, um ihr Repertoire auszubauen. Ingeborg und Hermann Härtel, ebenso deren Kinder vermitteln dort Musik und Tanz mit besonderem Schwerpunkt auf das Singen.

Der Wechsel von den Streich- zu den Blasinstrumenten vollzieht sich in nur wenigen Augenblicken. Meist lässt sich mit den scharfen Klarinetten- und Trompetentönen das Publikum noch etwas aufstacheln und aus der Reserve locken. Nicht selten sind dabei hohe und schrille Juchezer zu hören. Wo die Rehragout-Polka (18) herkommt, ist noch weitgehend unbekannt. Georg von Kaufmann veröffentlichte sie im „Roten Notenbüchl“ unter dem Titel „Seewirtspolka“. Er schreibt: „Woher die Polka kommt, weiß ich nimmer genau…ich hab‘ sie …mit dem Seewirts-Sepp von Seehaus‘ bei Ruhpolding wieder zusammengesucht, wobei uns eine Radiosendung sehr geholfen hat…“. Interessant ist, dass Kaufmann die Bezeichnung „Rehragout“ nicht kennt. Möglicherweise ist der Text zum Trio erst in den 1970er Jahren entstanden. Für diese detailliert Auskunft ist Erich Sepp aus München sehr zu danken. Übrigens: Die zweite Strophe – das ist jene, in der das Ragout vom gewilderten Reh besser schmecken soll – entstand während der CD-Aufnahmen.

Der Hubert Pabi weiß um den Gleichklang von Natur und Musik, ist er doch als Noriker-Züchter und als Bewirtschafter des Brandnerhofes in Neuhof bei Übelbach hautnah an den Almen seiner Heimat. Er singt mit seiner Nichte Marie Theres Härtel das Lied Von da Schwoag üba d’Hochålm (19). Der Text der ersten beiden Strophen dieses Liedes, das in der Steiermark sehr verbreitet ist, stammt von Max Koch (Lebensdaten unbekannt), die Melodie vom bayrischen Sänger und Volksliedsammler Wastl Fanderl (1915-1991).

Die Kuckuckspolka (20) führt uns schön langsam ins Finale. Sie stammt von Karl Zaruba (1902-1978), einem Wiener Komponisten und Dirigenten und zählte früher zu den Standards der kleinen Bauernkapellen. Als Draufgabe servieren die Citoller Tanzgeiger die Tragösser Quadrille die in dieser Form aus der Schellacksammlung des Heimo Hüttig, Graz stammt. (Tragösser Quadrille, Mürzzuschlager Bauernkapelle Pathe 892 um 1910). Hüttig versorgte die Citoller immer wieder mit solch köstlichen Aufnahmen und dafür ist ihm auch hier zu danken. Die Tanzform „Quadrille“ stammt aus der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts – also vor der französischen Revolution. Diese Epoche war geprägt vom Auseinanderklaffen der Stände und das machte sich auch beim Tanz bemerkbar. Während die gehobene Gesellschaft im Palais Menuette zelebrierte, tanzte der Bauernstand seine Volkstänze in den Wirtsstuben. In Mozarts Don Giovanni wird dies in der parallelen Darstellung der Unterhaltungskultur beim Grafen und jener bei den Bauern vortrefflich dargestellt. Die bis heute überlieferte Quadrille „Mit’n Kopf zsåmm, mit’n Årsch zsåmm“ kann als Persiflage auf das höfische Getue gedeutet werden. Am Hofe das elegante sich Zu- und Abwenden im Menuett, im Wirtshaus die deftigen Rempler mit dem Hintern: Die Citoller Tanzgeiger sind drauf und dran, dieses köstliche Stück Zeitgeschichte weiter zu tragen.

Einmal muss Schluss sein, aber die Citoller haben eben dem Drängen des Tonmeisters nachgegeben und einen letzten Walzer ausgerufen. Wenn dann der erste Geiger blitzschnell das Podium verlässt, um einem mäßig drehenden Tanzpaar einen helfenden Schupfer zu geben, kann der Walzer Schens Diandl, drah di um (21) auch wortwörtlich genommen werden. Diese Walzerfolge stammt von einer Schellackeinspielung der Fernitzer Feuerwehrkapelle. (Zonnophone 6095 um 1910) Die Citoller schätzen diese alten Klangdokumente, weil sie die vermeintliche Unvollkommenheit mit dem Impuls des Lebens wettmachen – und das ganz ohne Behübschung.


Ausführlicher Begleittext zur CD der Citoller Tanzgeiger „Lust und Leben“, Zitoll 2010. Die fett gesetzten Musiktitel mit Nummerierung (01 – 21) entsprechen den CD-Tracks. Ursprünglich unter einem Pseudonym veröffentlicht. Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.