Der Advent 2050 ist kein bisschen beschaulich und nur mehr eine Ansammlung von öden Ersatzhandlungen. Inmitten glitzernder Dekoration wird der übliche Klangteppich ausgerollt. Die inzwischen gebachelorten Musikanten nehmen sich an der Krawatte und stellen den Hebel auf Adventstad.
Die alten Weisen werden entkernt und die Weihnachtslieder sterilisiert gehaucht, der Puls wird auf Besinnlichkeit herab gewürgt. Zurück bleiben schmachtende Töne, die den Weihnachtsfeier-Geplagten an die Herzklappen gehen und den Vanillekipferl-Zugriff rhythmisch steigert. Die stillste Zeit ist endlich – ohne Kassenklingeln – hereingebrochen, das Bargeld ist schon lange Geschichte.
Keine leere Drohung: Alle Jahre wieder
Ja, die Alljährlichkeit verlangt nach festlich gedeckter Völlerei mit darauf folgender Magenbitterlichkeit. Niemand lässt einen so ungesunden Brauch brach liegen in verdorbenen Zeiten wie diesen, wo die meisten Seelen bereits im Pfandhaus hinterlegt sind.
Und auf der betannten Bühne rezitiert jemand über den lauten Sprecher zuckersüße Reime und ergriffene Besinngeschichten zum Einbrechen der Stimmung. Mitunter aber verirrt sich der feste Redner in das biblische Milieu, erzählt vom halunkiösen Herodes, vom heimeligen Wohnklima in zugigen Viehzucht-Unterkünften, vom erstaunten Ochs und Esel ob der Ankunft eines hilflos Entwindelten, den sie Retter und Heiland nannten. Alles verwirrend retro und noch dazu unverdaulich, verleitet die alt gewordene Späterzählung zu einem erschöpften Zurücklehnen. Ist ja schon lange her und Schöngeistiges prallt längst an der Außenhülle ab, die bei Männern aus Geledertem und Gewalktem, bei Frauen aus langen handzerdruckten Gewändern, den sogenannten Niedertrachten besteht.
Warum nur hat Musik etwas Endungültiges an sich?
Vergebens bleibt die Hoffnung auf ein triumphales Hinausposaunen der Frohbotschaft brach liegen. Die staden Weisen aber sterben im reduzierten Ausatmen weg und die anschließende Stille schmerzt. Sie hängt den festlich Gesinnten sichtbar aus dem Halse und deshalb hüsteln sie die unerträgliche Stille beiseite.
Als die letzten Töne lieblich unter den Tisch fallen, tauchen die Musikanten hinter den Notenständern auf und verbeugen sich wiederholt und alljährlichweihnachtlich. Die erschöpften Publikantinnen und Publikanten aber beginnen sich gegenseitig die Hände zu zerdrücken, reiben sich Wange an Wange, täuschen Küsse vor – die im Nichts landen, wünschen sich alles Feuchtfröhliche, bevor sie in die seelenlosen Wohnkojen einrücken und sich digitalen Entgegenwartsspielen hingeben.
Auf der glatt polierten Oberflächlichkeit ausgerutscht
Erst nachtbehemdet und entsockt löst sich der Geist vom Dasein und empfängt im Traume eine Lieferung vom längst Verschollenen, das sich früher einmal Weihnacht nannte. All das muss Traum bleiben, denn es fehlt an der unentbehrlichen Zutat für das Glückhafte. Ja, es fehlt nämlich die gute alte Sehnsucht. Und weil nunmehr alle alles haben und weil die Nebensächlichkeiten den Lebensstil bestimmen, versandet die Sehnsucht im Abwasser des Wohlstandes. Und deshalb röhren die niedergelegten Erschöpften ihre Klagelieder in den unschuldigen Kopfpolster. Im Träumeland türmt sich außerdem festlich verpackt die gemeine Oberflächlichkeit.
Wer gewinnt: Trostlose oder Nutzlose?
Ja, im Jahre 2050 ist es unmodern geworden, sich als Teil der Menschheitsgeschichte zu sehen, sich sein Seelenheil selbst zu stricken, das Glückhafte selber in die Hand zu nehmen. Längst sind wir dem Käuflichen verfallen, begeistern uns für das schicke Nutzlose und merken nicht, dass uns die Sättigung immer auch eine Dosis falscher Gefühle suggeriert. Ach, sind das trostlose Weihnachten und das ist noch nicht alles: Am Nachvöllereitag erwachen die Festtagsopfer, eilen ums Eck zum Trafikanten, um doch noch ihr Glück zu versuchen. Leider sind die Trostlose längst vergriffen…
Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, Dezember 2019; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.