Verehrte Mitglieder unseres Alpenvereins!

Alle Jahre wieder melde ich mich hier zu Wort. Es ist es mir ein Anliegen, dem Anlass entsprechende Gedanken zu finden. Das bevorstehende Weihnachtsfest und der Jahreswechsel – beide stehen wie immer im Vordergrund. Aber es wäre zu wenig, sich nur Wünsche zu übermitteln, sich nur die Hände zu schütteln. Nein, es bedarf auch des Tiefganges in vielfacher Hinsicht, es bedarf der Worte und seien es auch nur längst gehegte Gefühle, die gesagt werden sollen.

Heuer tu ich mir leichter, weil wir ja keine Hauptversammlung abhalten, bei der die Berichte einer Amtsperiode im Vordergrund stehen und dem Vereinsgesetz Genüge getan wird. Daher soll unsere gemeinsame Freude am Wandern, Bergsteigen, Schifahren, Radeln und Klettern in den Fokus rücken und dazu bedarf einiger Bemerkungen.

Immer, wenn es uns in die Höhe zieht

Und dabei stehen uns in Österreich die wohl prachtvollsten Tourenziele zur Verfügung – leisten wir zuerst einmal einen enormen Beitrag zur Gesundheit. Ob wir unsere Leistungsfähigkeit ausreizen und bis an unsere Grenzen gehen oder ganz gemütlich Schritt für Schritt das Ziel erreichen, das ist nicht relevant. In Bewegung bleiben ist die Devise. Ist es aber das, was unsere Bergleidenschaft ausmacht, was uns als Mehrwert bleibt? Genügt uns die körperliche Aktivität und die Genugtuung, jene Gipfel zu bezwingen, die ein größerer Teil unserer Landsleute nie erreichen werden? Stehen wir im Wettbewerb mit den Inaktiven, den Sonntag für Sonntag zu sehr Sesshaften?

Nein, es gibt noch einen anderen Aspekt, einen tieferen Sinn.

Die Unendlichkeit des Weitblicks – so meine ich – ist längst ein Indikator für unsere geistige Beweglichkeit. Der Größe des Firmaments muss immer wieder unsere bescheidene Kleinheit gegenübergestellt werden, denn: Das tut gut. Ich weiß, da oben schwelgen wir in Begeisterung ob der Größe, bizarren Schönheit und auch ob unsers Privilegs, dafür auserkoren zu sein. Und selbst wenn wir dort oben völlig sprachlos stehen, heben wir uns ab vom banalen Geplänkel in den Niederungen des Alltags. Ist es nicht so, dass uns der Diskurs um Nichtigkeiten längst abstößt und wir unser Bergerlebnis als Labsal empfinden?  

Ich sage dies deshalb, weil es zu wenig wäre, sich alleine auf den sportlichen und gesundheitlichen Faktor zu berufen. Nein, sich selber zu tragen, das Unmögliche zu schaffen, sich zu überwinden, sich einem Risiko auszusetzen, auf Hilfsbereitschaft zählen können und vor allem: Die schönsten Bilder dieser Welt mit anderen teilen zu können. Auch das – meine Herrschaften – ist ein Mehrwert. Und gar einer, der uns alle hier auf einen Nenner bringt, der auch Anlass ist, diesen Abend gemeinsam zu verbringen, in Erinnerungen zu schwelgen und von neuen Abenteuern zu träumen.

Zum Stichwort Abenteuer

Neue Abenteuer zusammen mit unseren Tourenführerinnen und Tourenführern erleben, die auch für das Jahr 2020 einen reichhaltigen Plan vorgelegt haben – und dabei hohe Verantwortung übernommen haben. Oft unbedankt sind die umfangreichen Vorbereitungen für eine Tour, die Recherche, die Beobachtung des Wetterberichtes, der Kontakt mit dem Hüttenwirt, notfalls die Absage und Verschiebung auf einen anderen Zeitpunkt.

Ich weiß, dass es unseren Verantwortlichen sehr unangenehm ist, wenn zumal widrige Umstände eintreten und unterwegs Lösungen gefunden werden müssen.

Hauptsache in all diesen Dingen ist immer die Sicherheit am Berg. In dieser Hinsicht bin ich von unseren Tourenführerinnen und Tourenführern überzeugt, dass sie durch ihre Erfahrung und ihr Fachwissen das Risiko minimieren. Ihr wisst ja: Das Risiko kann, auch wenn wir zuhause bleiben, nicht ausgeblendet werden.

Zum Stichwort Wegefreiheit

Was uns immer mehr auffällt und beschäftigt, das sind zunehmend Differenzen zwischen Grundbesitzern und Wanderern ereignen, vor allem ausgelöst von den Freunden neuer Trendsportarten. Gleich vorweg: Der Gesetzgeber ist in Verzug, denn das seinerzeit ausverhandelte Wegerecht ist ausschließlich auf Wanderer und nicht auf Radfahrer bezogen. Ich bin auch sicher, dass unser Gesamtverein Lösungen anpeilt. Und dennoch gilt für uns alle: Wir haben Respekt vor Grundbesitz, sind in der Begegnung mit den Jägern, Grundbesitzern höflich und diskussionsbereit.

Aufeinander zugehen hat schon manches Tor geöffnet.

Es gibt inzwischen mutwillige Wegesperren durch neue Bewohner, die sich in der Einsamkeit angesiedelt haben und ihre Ruhe haben möchten. Das war früher einmal undenkbar, denn gerade in der Einsamkeit hat man nach Begegnungen gelechzt und von ein paar Worten am Zaun gezehrt. Warum frage ich Euch, wollen manche Menschen die uneingeschränkte Ruhe haben, wo doch die ewige Ruhe absehbar ist?

Lebt und ehrt unsere Traditionen

Diesem Abend folgen noch unsere traditionellen Wanderungen am Hanstag und am Altjahrtag, zu denen ich gerne einlade. Dennoch möchte ich Euch nach der Weihnachtsfeier in die Feiertage entlassen. Genießt diese schöne Zeit. Wir sind in der Steiermark gesegnet mit schönem Brauchtum, mit Ritualen, mit regionaler Kulinarik im Weihnachtsfestkreis bis hinein zum Lichtmesstag.

Es ist schön, dass in manchen Familien Rituale von den Altvorderen weitergetragen werden. Es ist auch schön, dass viele Bräuche durch die Eheschließlung ein Bündnis eingehen und dadurch eine Vielzahl von Überlieferungen verankert ist. Gott sei Dank gibt es kein Kulturamt, das uns die Weihnachtszeit vorschreibt. Das ist ein schönes Stück Freiheit, das es zu erhalten gibt, wenngleich uns eine zunehmend auf Konsum orientierte Welt, gerne verführen würde.

Ich darf Euch diese Dinge ans Herz legen, sie sind die Haltegriffe in einer beinahe aus den Angeln fallenden Welt, die uns ratlos macht und bedrückt. Seid also zuversichtlich und nehmt Euch der Dinge an, die außerhalb des Käuflichen den tieferen Sinn geben. Ich sehe unsere Gemeinschaft als ein Stück Lebensqualität, als Teil der Bewältigung des Alltages und all der Dinge, die uns zusehends beunruhigen dürfen. Ihr alle habt es viel leichter als die Mehrheit der Menschheit, denn Ihr kennt längst das Gefühl, am Gipfel zu stehen – und damit über den Dingen.

Die Alpenvereinsfamilie soll Euch gerne ein Stützpunkt sein, die Zelle der Lebenskultur liegt aber dennoch in der Kleinheit. In Familie und Nachbarschaft mögen daher alle Wünsche in Erfüllung gehen, alle Wünsche, die keiner Verpackung bedürfen. Es ist dies die Gesundheit, Lebensfreude und glückhafte Augenblicke in der Familie. Auch wenn das Individuelle, der Egoismus und die Selbstverwirklichung gerade große Mode sind: Erhaltet Euch das enge Band der Freundschaft – es ist wie ein Klettergurt durchs ganze Leben. Berg Heil für 2020!


Rede anlässlich Jahresabschlussfeier des ÖAV, 12/ 2019; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.