Liebe nunmehr zertifizierte Jodlerinnen und Jodler!
Die lange und kurvenreiche Annäherung an Johnsbach hat es ja schon in sich: Da geht es durch dichten Baumbestand, Geröllhalden und Felskrater. Weiterlesen
Die lange und kurvenreiche Annäherung an Johnsbach hat es ja schon in sich: Da geht es durch dichten Baumbestand, Geröllhalden und Felskrater. Weiterlesen
Gerade erst wurde heftig schibeschuht getanzt und gejauchzt, der Zirben inhaliert und die gelernten Jodler überzeugend wieder gegeben… Weiterlesen
Da war Jubel, Gesang und Heiterkeit, wie es auf einer Alm halt zugeht, denn Almhütten sind nicht nur Labestationen und Zufluchtsstätten vor den Unbilden der Natur. Nein, sie werden zumal auch zu Lebenslust-Zentren. Den Weg hinter sich lassen – den bereits gegangenen – und den Weg noch nicht antreten – den nämlich, hinunter ins Tal: Genau dazwischen liegen die Stunden die doppelt zählen. So leicht fühlt man sich! Das ist der Schwebezustand zwischen Himmel und Erde, wir sind anders, reden leichter, zwinkern öfter und singen lauter.
Für diese kurze Zeit verabschieden wir uns von den Benimm-Dich-Regeln, den selbstauferlegten Zwängen in den Niederungen der Zivilisation, dort wo man sich im dichten Netz der Verkehrsadern so leicht verstricken kann. Aus der Höhe nämlich gleichen die Autobahnbrücken Mäusefallen. Ja, unten, in den Tälern verschwimmen im Dunst der Nichtigkeit die Firma, Verwandtschaft, Nachbarschaft, das Bankkonto, der Parkplatz und die Müllgebühr, der Terminkalender und der Reparaturdienst, die Vor- und die Nachuntersuchungen. Welch klägliche Liste der Bedrängtheiten kürt uns zum Manager in eigener Sache, lässt uns im Karussell der sozialen Medien aneinander endlos vorbeisurfen, während wir hier heroben entrückt unser Lebensfeuer schüren, das schon lange nicht mehr geknistert hat.
Mag sein, dass es die schönste Abgehobenheit überhaupt ist, ein Schwebezustand, der uns nicht nur mehr reden und singen, sondern auch mehr empfinden lässt. So wie an diesem späten Sommertag, der gemächlich abnahm, während der Gesang zu gleicher Zeit zunahm.
Als sich zuvor der Hüttengiebel im Blätterdach abzeichnete war der Nachmittag jünger, der Schwebezustand noch nicht ausgereizt, die nahe Zukunft noch ein finsteres Loch. Vorahnung hat also keine Chance, wenn die Füße müde sind. Eher ist es die Sehnsucht, die den Giebel nach rechts und nach unten länger zeichnet, bis zu dem Punkt, wo sich unsere Vorstellungskraft Tische und Bänke ausmalt, und vorhandene Gastlichkeit ins runde Bild fordert. In der Gewissheit, nunmehr eine Hürde genommen zu haben, macht sich Gelassenheit breit. Der Hüttengiebel, das grüne Blattwerk und der sandige Weg verklären noch im Nachhinein die nachfolgenden Stunden.
Das Bild aber steht als Kulisse vor all den Freuden, die jemals auf diesem Almboden genossen wurden. Wie viele haben vor mir den sandigen Weg genommen, um von einem Grün ins andere einzutauchen?
Die Bergkameraden vorne weggehen lassen, innehalten und Klick. So entsteht ein Bild aus dem Stillstand, der nach rastlosem Vorwärtsstreben als Zurückbleiben empfunden wird. Mitunter wird das Zurückbleiben nicht wertgeschätzt, noch weniger das Festhalten. Da meine ich nun nicht die Bilder, sondern die Gepflogenheiten, den Brauch, die Sprache und die Musik. Ich bin also für den mühevoll eingelegten Stillstand, nicht nur weil er der Gegenspieler des ungezügelten Fortkommens ist. Nein, der Stillstand ist auch die Geburtsstunde des Augenblicks und der Ahnung, wohin uns der Weg führen wird.
Gwandhaus Journal, Salzburg, 2004; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.