Die sind ein Paarl…

Von der Beziehung zwischen dem Schnitzer und seinen Figuren

„Die sind ein Paarl..“ so meint der Krippenfiguren-Schnitzer auf meine Frage, ob man den Josef von der einen Krippe mit dem Josef von der anderen Krippe vertauschen könne. Wie kann man auch so eine Frage stellen? Freilich sind beide aus Holz – wenn auch nicht aus dem gleichen. Was aber aus einem Guss mit Herz und Hand für die eine Krippe gefertigt und zusammengefügt wurde, soll der Mensch nicht trennen. Harald Quenz, in Weißenbach bei Liezen daheim, verkörpert keine übergeordnete Instanz, wenn er über seine Figuren redet. Seine Bemerkung „Bei mir ist es halt so…“ ist der Hinweis darauf, dass er sich viel zu Recht gelegt hat im Leben und dass er den Figuren neben der Form auch den Sinn gibt. Die handwerkliche Logik paart sich hier mit der Weisheit eines permanenten Denkers. „Nein“, sagt er, „das ist ein Paarl“ – ein heiliges noch dazu.

Sie verharren in ihrer Herrlichkeit

Über die Welt der Krippen steht viel geschrieben, ich war aber neugierig, welchen Bezug der Vater der Figuren zu seinen Kindern hat und was denn so faszinierend ist, an dem stummen Figurenspiel um die Geburt Christi. Da kommen Musikanten des Weges und der Engel trällert sein GLORIA IN EXCELSIS DEO, Mutter Maria besingt ihr Kind und der Ochse brüllt in die heilige Nacht, die Schafe blöken und die Weisen aus dem Morgenland tuscheln ob der seltsamen Erscheinung, Josef raunt dem Ochsen ein liebevolles „Hödahoa“ zu. Keine Farbenpracht, keine Bewegung reizt das Auge und kein Ton das Ohr. Eine die Welt bewegende Szene verharrt in ihrer Herrlichkeit.

Ohne Patina, dafür Geschichten im Kopf

Harald Quenz hört sich meine Fragen an und schmunzelt. Für ihn beginnen Figuren, die er im Feber und März schnitzt erst zu leben, wenn es Weihnachten wird, wenn er an seiner Pfeife oder an seiner Harmonika zieht. Das macht offensichtlich die stumme Krippe zu einem Unikat in unserer Zeit: Sie ist die Stille selbst und wir sollten die Geschichte in uns verlebendigen, so scheint sie uns zu mahnen. Quenz macht seine Figuren aus Linden-oder Zirbenholz, er vergoldet und färbelt nicht. Er meint, dass eine Geschichte nicht von der Patina ihrer Figuren lebt, sondern als Sinnbild schon alles beinhaltet, was gesagt werden muss. Den Rest soll sich der Kripperlbeschauer selber lebendifizieren: Das Abendrot über dem Stall, die funkelnden Sterne, ein paar Töne aus dem Hirtenhorn, das Babygeschrei und das Räuspern des Josef, dem der Heustaub im Hals kratzt.

Das Aufstellen – ein neuer Brauch

Der Schnitzer baut zu seinen Figuren eine Beziehung auf, die er auch immer noch „seine Figuren“ nennt, wenn sie auch schon jahrelang bei den Familien im Dorf zuhause sind. Eher durch einen Zufall hat er in den 80er Jahren damit begonnen, die von ihm gefertigten Krippen in der näheren Umgebung alljährlich auch aufzustellen. Meist am 24. Dezember geht er mit seiner Frau zu den Familien. Er genießt diesen „seinen“ Brauch, packt jeweils die Figuren aus einer Schachtel, bevor er die einzelnen Darsteller aus dem Papier wickelt und aufstellt. Für Quenz trägt nicht das Gebäude – also der Stall – die Bezeichnung „Krippe“ und auch nicht die Futterkrippe in dem das Kind liegt, sondern die Einheit der drei Hauptfiguren: Maria, Josef und das Jesuskind. Sein Hauptaugenmerk gilt der Anordnung der Figuren. Dabei entwickelt Quenz seine ganze Liebe zum Detail, denn die Figuren stehen zueinander in Beziehung. Sein kleines Regelwerk stammt zum Teil aus der Literatur, aber es enthält auch ganz persönliche Nuancen und Vorlieben.

Den Ehrenplatz hat der Esel

Mittelpunkt ist immer das Jesuskind mit dem heiligen Paar, wobei beider Blickwinkel auf das Kindl gerichtet ist. Der Ochs hinter oder neben dem Josef, versinnbildlicht die Kraft und Verlässlichkeit, der Esel neben der Maria – er steht für Weisheit und Ausdauer. Er darf diesen Ehrenplatz auch deshalb haben, weil er Maria so weit getragen hat. Sie werden alle so lange hin und her geschoben und gedreht, bis sie richtig stehen. „Das Gesamtbild muss passen, ein Kripperl braucht Stimmung“, meint Quenz. „Die restlichen Figuren kommen von links und rechts, vorne lege ich immer ein Schaferl hin. Alle Hirten, Musikanten und Könige schauen in Richtung Jesuskind. Alle sind auf dem Weg, man sieht sie von der Seite in Richtung Krippe gehen oder auch von hinten, etwa bei großen Krippen mit vielen Figuren. Keine der Figuren wendet sich dem Betrachter zu. Und: Je weniger Figuren ein Kripperl enthält, desto wichtiger ist der Standort der einzelnen Darsteller.“.

Die große stumme Rolle der Musik

Nach der Musik befragt meint Herr Quenz, dass sie eine große Rolle spielt. Sie wird meist durch den Hirten – mit seiner Hirtenflöte – dargestellt. Auch weitere Musikanten sind durchaus üblich. Hier wird also jubiliert und daran gibt es keinen Zweifel, auch wenn das geübte Ohr nichts als Stille vernimmt.

Hier, unweit der Weißenbacher Wände im Hause der Familie Quenz begegnet mir in Person des Krippenschnitzers ein Stück Wahrhaftigkeit: „Ich könnte nicht Krippenfiguren schnitzen, wenn ich nicht daran glauben würde, dass ein Kind im Stall auf die Welt gekommen ist. Weihnachten ohne Krippe geht nicht“, meint er leise und kratzt mit einem Stichel am Unterschenkel eines neuen Josef. Jetzt, wo die Lindenspäne fliegen, ist die Aufforderung, das stumme Bild selber lebendig werden zu lassen erst verständlich. Die Dramaturgie hat der Herr Regisseur Quenz im Kopf, die Geburt weiterer Darsteller liegt in seinen Händen. Die Botschaft ist eindeutig: Die Stille Nacht findet in der Krippe statt, wir sollten sie nicht versäumen.


Der Vierzeiler, 12/ 2006; Teile davon wurden  für Rede zur Krippenausstellung in der Landhausgalerie, „Gedanken um die Weihnachtskrippe“ verwendet, Graz 11/ 2006.
Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.