Die 2-Euro Münze

Vom Christbaumbehang zum Hoffnungsträger

Mir ist schon vieles in meinem Münzenleben untergekommen. Von früher möchte ich Euch erzählen, als es noch der Brauch war, Münzen in Staniolpapier zu wickeln und auf den Christbaum zu hängen – gleich neben den Süßigkeiten. Mit etwas Glück hielt man anstatt einer Schokomünze eine wirkliche Münze in Händen.

Da hing ich also im Vorjahr auf dem Christbaum des Erslbauers. Eines Tages – es war schon später Abend ging die Tür auf und eine gebückte Gestalt betrat die gute Stube. Der Hausherr mag ihn gekannt haben, denn er nannte ihn den Luis als er ihn aufforderte, sich zu setzen. Ich hatte in meinem Leben nicht viel erlebt, meist in dunklen Kassen und Taschen versteckt, aber gehört habe ich vieles und so auch, dass es da und dort Landstreicher gibt. Sensibel wie ich bin, hatte ich die Vermutung, dass es sich um einen solchen handelt, durch meine Nase bestätigt gefühlt.

Als ob Gastfreundschaft nicht genügt hätte…

In diesem Hause war die zerlumpte Gestalt gut aufgehoben, denn schnell wurde die Suppe gereicht und später auch ein Stück des Festtagsbratens. Viel später aber, ich muss wohl an meinem Tannenast eingenickt sein –und schreckte hoch -, brach der Mann auf und wendete sich mit Dankesworten zur Tür. Als ob nun die Gastfreundschaft nicht genügt hätte, eilte der Bauer dem Christbaum zu und pflückt mich samt dem papierenen Geschmeide vom Ast. „Eine kleine Zugab! meinte er und so verschwand ich in die Manteltasche des Bettlers, in nachbarschaftlicher Nähe eines bis zum Rande vollgetropften Taschentuches.

Wo auch immer mein neuer Besitzer in den Weihnachtstagen gehaust hat, kann ich nicht mehr sagen. Wohl aber erinnere ich mich, dass er mich – vom Silberpapier befreit – Stunde über Stunde zwischen den Fingern warm gehalten hat. Ich bin sein Besitz geworden, den er gehütet hat und an dem für ihn ein Stücklein Reichtum spürbar geworden ist.

Vom Geldstück zum Glücksbringer

* Jetzt liege ich schon jahrelang im Stadtbrunnen, denn mein Gastgeber – der Landstreicher – hat mich gleich nach den Feiertagen hineingeworfen. Das hat mich verwundert, dachte ich doch, dass er mich dringend gegen eine Dose Bier eintauschen würde. Nein, er hat mich als Glücksbringer über die Schulter geworfen und bei geschlossenen Augen seinen innigsten Wunsch deponiert.

Welche enorme Kurs- und Wertsteigerung habe ich damals erfahren. Ich, die 2 Euro Münze, die ich doch so leicht und schnell gegen den schäumenden Inhalt eines Bierglases aufgewogen hätte werden können, wurde zum Glücksbringer befördert. Endlich einmal nicht harte Währung gegen greifbare und trinkbare Gegenleistung sein müssen. Nein, harte, im seichten Wasser des Brunnens liegende Währung, die sich Tag für Tag um ein paar Funken Hoffnung zerzinst.


Diese Weihnachtsgeschichte stammt vom Grazer Autor Max Taucher (geb. 1945), sie wurde von Hermann Härtel einerseits gekürzt und andererseits um zwei Absätze „weitergesponnen (*).“; 2006. Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.