Die Wallfahrt – der Weg, das Gebet, der Gesang

Der Ausruf „Das ist göttlich!“ gehört zu unserem Sprachgebrauch und bringt zum Ausdruck, dass dem erlebten Augenblick eine besondere Dimension, sogar etwas Unfassbares innewohnt.

Dieses „Göttliche“ werden wir – wie könnte es im Zuge der Volksmusik-Thematik auch anders sein – zu allererst manchen musikalischen Ereignissen zuordnen. Lassen wir aber die Musik aus dem Spiel, dann ist unsere tägliche Erlebniswelt ebenso gespickt mit „göttlichen Augenblicken“. Dann ist es ein edler Tropfen Wein, der Sonnenuntergang am Horizont, der Hirschbraten mit Preiselbeeren, ein Konzertabend oder auch eine Liebesnacht, die „göttlich“ sein kann.

Wir sind dem Veredeln verpflichtet

Ein Missbrauch des Gottes in „göttlich“? Mitnichten! Das Leben selbst ist es, das Göttliches und Weltliches verbindet, und es liegt auch in der Hand des Menschen, dem Alltäglichen einen größeren Geist einzuhauchen. Sagen wir es ehrlich: Unser ganzes Tun hat ständig mit dem Veredeln unserer Umgebung, mit dem Veredeln von uns selbst zu tun. Freilich haben wir nicht immer den richtigen Griff. So wird durchaus Schönes bis zur Unkenntlichkeit lackiert oder dem vermeintlich Hässlichen eine Schichte wieder abgehobelt, um dem guten Kern ans Tageslicht zu verhelfen.

Das Wesentliche suchen und finden

Eines ist aber sicher: Je mehr wir unser Sein auf das Wesentliche reduzieren, unseren Körper selbst bewegen und Hürden überwinden, je mehr wir den Weg, den wir selber zu gehen beabsichtigen selber treten müssen, desto weniger denken wir an oberflächliches Auftragen, desto mehr erscheint uns vorher Unzulängliches als nützlicher Begleiter.

Singen und Gehen. Beides fällt uns heute gleich schwer, weil uns genügend Ersatz geboten wird. Wegen einem Fußmarsch von einer halben Stunde haben wir bereits Transportprobleme, leihen uns ein Fahrzeug oder sagen einfach ab, weil wir – vom Tempo getreten – eine schrittweise Annäherung nicht mehr ertragen können. Und: Weil wir uns zu wenig zutrauen, drücken wir einen Knopf, um uns das Singen zu ersparen.

Wir lassen uns fahren und lassen uns singen!

Wir wollen keine Klageschrift verfassen, dafür aber das Zusammenspiel schmackhaft machen, Lieder in den Mund legen und einen Weg aufzeigen. Warum soll das, was innen klingt, nicht außen hörbar werden? Deshalb setzt sich unsere Zeitschrift mit dem Wallfahrts-Thema auseinander, begnügt sich aber nicht mit dem Einblick in die Vielfalt der dazugehörigen Gesänge. Namhafte Autoren haben hinterfragt und formuliert und damit einen informativen Bogen gespannt. Dafür sei ihnen, aber auch unseren Mitarbeitern im Archiv und Büro herzlich gedankt.

Der Dank für Ihr Interesse an unserem Thema

Wir begrüßen nun auch die neuen Abonnenten des „Vierzeiler“ und danken für die zahlreichen Rückmeldungen, die wir nur auszugsweise in der Rubrik „Lesermeinungen“ wiedergeben. Noch mehr sind wir aber beeindruckt, wie sehr die Inhalte des „Vierzeiler“ diskutiert werden, wie aufmerksam unsere Zeitschrift gelesen wird und wir dadurch ermuntert werden, die Blattlinie beizubehalten. Seien Sie beruhigt: Wir haben weitere Ausgaben vorbereitet und scheuen uns nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Unser Anliegen ist ja nicht nur für eine kleine Gruppe von Eingeweihten von Bedeutung. Gott sei Dank, der Interessenskreis ist größer geworden und erfasst Menschen aus allen Schichten unseres Landes. Der Grund? Wir sind nicht wehleidig, wir verbreiten keine Untergangsstimmung, wir sind zuversichtlich und wir trauen allen zu, sich Melodien, Texte und Tänze anzueignen, selbst zurecht zu singen, gestaltend einzugreifen, dem Leben anzupassen.

Das klingt nach Beliebigkeit, und das Ergebnis mag nicht immer vorteilhaft gelingen. Manch schöne Melodie wird zerzaust, verliert sich in Zerlegungen oder wird krampfhaft aktualisiert, um schon bald überholt und verbraucht zu sein. Die Freiheit aber, die wir meinen, beflügelt und das zahlt sich immer wieder aus. Da kann es in diesem Klima des Suchens nach den Wurzeln und Aufziehens neuer Setzlinge auch zu manch göttlichen Augenblicken und Eingebungen kommen.


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 18. Jahrgang, 2/ 1998; Sätze und Gegensätze, Band 10/ 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.