Ländlicher Raum – Zukunftsraum

Schwerpunkte meiner bisherigen Arbeit waren die Frage der möglichen oder verhinderten musikalischen Kommunikation, des Spannungsfeldes zwischen Tradition und Innovation und des Zusammenlebens von verschiedenen Generationen.

Darüber hinaus war auch die Hinterfragung bisheriger „Pflege von Traditionen“ eines meiner Hauptthemen. Die Erkenntnisse habe ich einerseits publiziert, sie andererseits in Maßnahmen der Förderung von Volksmusik einfließen lassen.

Das waren Initiativen zu diesen Themen

Geselligkeit braucht Raum
Beratungstätigkeit beim Umbau von Gaststätten, bei der Gestaltung von Veranstaltungsräumen. Begegnungen und Kommunikation ist eine Synthese zwischen den Menschen und räumlicher Harmonie.

Neue Vermittlungsversuche unternommen
Seminarangebote (Lieder haben lernen), Vermittlung außerhalb des Bildungsschemas, Betonung auf Überlieferung, Bewusstseinsbildung: Wir sind ein Dorf und können alle singen.

Musik beim Wirt
Eine Veranstaltungsreihe zur Förderung der hausgemachten Unterhaltung. An die Bedeutung musikalischer Rituale im Dorf erinnern.

Der Liederdienst
Musik ist nicht für Kenner reserviert. Wir werden alle als Sängerinnen und Sänger geboren. Heute werden von uns jährlich viele Hundert Liederwünsche der „Laien“ erfüllt. Wir trauen jedem zu, Musik auszuüben.

Öffentlichkeitsarbeit
Bedeutung des instinktmäßigen Umganges mit Wort und Musik, Veröffentlichung von Berichten aus dem Leben der Gewährsleute.

Die Humusbereiter waren wichtig

Alle diese Ansätze sind als Humusbereiter konzipiert, langjährig erprobt und erfolgreich gewesen. Eine großzügige Betreuung der einzelnen Projekte war leider nicht möglich. Die Kulturpolitik hat die Bedeutung dieses Weges nicht erkannt, besser gesagt ignoriert. Noch immer träumen manche Tourismusverbände und die Politiker von „Events“.

Die Kultur des Zusammenlebens

Kulturarbeit ist aber mehr, als Veranstaltungsreihen zu managen, Künstler hin- und herzureichen. Und überhaupt: Ländliche Kultur hat vorerst mit dem “Musiksommer“ und „Kulturfrühling“ – also mit Veranstaltungsreihen – nichts zu tun. Es gibt eine Kultur des Zusammenlebens, der gegenseitigen Hilfe (Nachbarschaftsversicherung), eine Kultur des Umganges miteinander und des Umganges mit unseren Verstorbenen, eine Kultur des Feierns und Trauerns. Kultur ist schon da, ohne Programm der Kulturmacher. Das was sie anbieten sind Bonbons – also Genussmittel, (die brauchen wir auch!) wer sorgt aber für das Lebensmittel Kultur?

Die Qualität des Beharrenden erkennen

Ich habe den Eindruck, dass Kulturprogramme am Land, die eigentlich gewachsene Kultur stört, sie überstimmt – es fehlt der Respekt vor dem Eigenen. Es fehlt den Verantwortlichen die Kenntnis der Qualität des Beharrenden und es wird vieles über Bord geworfen, um es einige Jahre später wieder neu zu erfinden.

Ländliche Kulturarbeit ist Zusammenspiel zwischen Familie, Nachbarn, Schule, Pfarre, Gemeinde – ist aber auch die Verteilung von Arbeit und die Gestaltung von Freizeit. Es geht nicht nur darum, Lebensqualität zu erreichen, sondern auch darum, sich selbst in dieser Rolle des Miteinander zu sehen. Ich meine, dass den Regionalsendern -ähnlich wie bisher den Regionalzeitungen- die Rolle des Spiegelns zukommen wird. In einem Überangebot an unterschiedlichen Darstellungen von oftmals absurden und utopischen Lebenswerten ist es wichtig, sich selber in der Rolle des dörflichen Zusammenspiels zu sehen und zu schätzen.

Völlig absurd ist der ständige Schrei nach Innovation.

Vor allem die Medien und die Politiker sind sehr anfällig. Innovation ist eben nicht die Kehrseite von Tradition sondern die Folge einer tiefen Kenntnis von Tradition. Verordnete Innovation – siehe missglückte Trachtenerneuerung – ist nur eine weitere Facette in diesem Spannungsfeld.

Traditionelle Lieder, Tänze, handwerkliche Fertigkeiten und Brauchtum sind Erwachsenenkultur. Der Jugend muss Gelegenheit gegeben werden, dabei zu sein, hineinzuwachsen. Der Weiterbestand von Volkslied etc. ist eine Frage der Begegnung. Eine Aneignung der Fertigkeiten in Neigungsgruppen (Freizeitfolklore) ist nicht sinnvoll. Ein familiäres und nachbarliches Mitleben kann später kaum nachgeholt werden.

Es ist Unsinn Volkskunst und Hochkunst auseinanderhalten zu wollen.

Genauso negativ sind alle Versuche verlaufen, die Volksmusik salonfähig zu machen. Hochkunst und Volkskunst befruchten einander. Genauso aber wie die Kleine Nachtmusik in der ländlichen Tanzmusikbesetzung nicht besser wird, werden Volkslieder im Chorensemble nicht besser sondern anders. Die Überzeichnung der Musikausbildung hat leider den faszinierenden freien Umgang mit der Musikalität verstummen lassen.


Schriftlicher Kommentar zum Tagungsthema „Ländlicher Raum – Zukunftsraum“.  2/ 1998; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.