Die Printmedien und ihr Verhältnis zur musikalischen Volkskultur

Mehrmals und ausreichend haben sich die Vertreter der musikalischen Volkskultur (Praktiker, Wissenschaftler, Forscher) mit der Nützlichkeit, den Methoden und den Auswirkungen der medialen Verbreitung musikalischer Volkskunst beschäftigt.

Immer aber ging es um die audiovisuellen Medien und meines Wissens noch nie um die Printmedien. Das liegt aber auch in der Natur der Sache: Unser Gegenstand Musik, Tanz und Lied in Tradition und Pflege bis hin zur folkloristischen Darbietung, ist gleichsam ideales Futter für ein Medium, in dem Bild und Ton nicht nur 1:1 übertragen werden können, sondern zeitversetzt zu einem nochmaligen Ereignis verhelfen. Diese Faszination des scheinbaren Dabeiseins rückt die Rolle der journalistischen Recherche und des anschließend erscheinenden Druckwerkes zu Unrecht in den Hintergrund.

Das Geschriebene, Gedruckte hat Belegcharakter

…während Töne und bewegliche Bilder dem unverbindlichen, vergänglichen Erlebnis zugeordnet werden. Wir haben da unsere Erfahrung: Unsere Gewährsleute entwickeln eine begeisterte Zustimmung zu ihren Auftritten im Fernsehen und Rundfunk. Auch wird dabei von ihnen das oftmals wirklichkeitsfremde gestaltende Element akzeptiert. Hingegen melden sie sich aber postwendend, wenn wir einen Fehler in der gedruckten Darstellung ihres Tuns und Lebensumfeldes gemacht haben. Das gleiche gilt übrigens für die fotografische Abbildung. Selten haben wir an einem solchen Stück Fotopapier, das uns selbst darstellt, einmal nichts auszusetzen. Auf der anderen Seite aber steht die kritiklose Hinnahme unseres Erscheinens am Bildschirm. Die Beweglichkeit der laufenden Bilder im Film lässt uns leichter über uns selbst hinwegblicken. Daher meine ich, dass dem Beschreiben musikalischer Volkskultur eine besondere Bedeutung zukommen müsste.

Was können sie, die Printmedien?

Sie können beschönigen, herausheben, aburteilen, verklären, banalisieren oder etwas zur Exklusivität erheben und vieles andere mehr, vor allem aber weglassen. Dieses Weglassen wird zum zentralen Kriterium der Beurteilung. In einer Zeit, in der über alles berichtet wird, sinkt das Selbstverständliche in die Bedeutungslosigkeit. Rituale des Lebens – und damit auch die musikalischen – stehen in Konkurrenz mit jenen Dingen, die offenbar die Realität repräsentieren, weil sie von den Medien beachtet werden.

Die Frage nach dem Spiegel im Leben

Ich werde das Gefühl nicht los, dass wir uns, bei allem Diskurs um das Transferieren von unverfälschten Wirklichkeiten in unsere Fernsehstube und unsere immense Sorge um den Stellenwert – sprich Sendezeiten – der Volksmusik, wichtige Fragen nie gestellt haben. Wie wichtig ist der Spiegel im Leben? Wie viel freie Entfaltung ist durch erzeugte Exklusivität verhindert worden? Wie viele Menschen sind mit ihrem Tun aus der Anonymität herausgetreten, sind zum Darsteller geworden und haben ihre Kompetenz innerhalb des Rituals aufgegeben? Haben wir jemals ausgelotet, ob der Verbleib in der Anonymität oder der Schritt in die Veröffentlichung das wahre Glück bedeuten? Warum hat Volkskultur mit seinen besonderen künstlerischen Ausformungen keinen Platz auf den Kulturseiten? Warum gibt es Berührungsängste mit der Volkskultur?

Europa und die regionalen Befindlichkeiten

Es gäbe nicht dieses Symposion, wenn diese Fragen schon geklärt wären. Ich möchte Sie herzlich bitten Ihren Beitrag zu leisten, denn eines ist unbestritten:

Die Wahrnehmung von Volkskultur, der Umgang mit Traditionen hat sich in jüngster Zeit verändert. Die Ungewissheit des Lebens im künftigen gemeinsamen Europa hat die Menschen für regionale Befindlichkeiten sensibilisiert. Dieses Symposion mitsamt der geplanten Veröffentlichung der einzelnen Referate in unserer Reihe „Sätze und Gegensätze“ soll für dieses besonders aktuelle Thema Verständnis wecken.


Eröffnungsrede anlässlich des gleichnamigen Symposions im Schlossberghotel Graz, 3/ 1996; Sätze und Gegensätze, Band 7/ 1998; Sätze und Gegensätze, Band 10/1999;
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