Franz Viher – Lieder aus meinem Leben

Als ich Herrn Franz Viher kennenlernte, schrieben wir das Jahr 1984 und besuchten beide ein erstes „Treffen der Mundharmonikaspieler“ – damals noch im alten Höchwirt-Gasthaus in Graz-Weinit­zen.

Der hagere, aber stattlich große Mann schloss sich gerne dem Kreis der Musikanten an, gab seine Stückl’n auf der Mundharmonika zum Besten und sang seine Lieder mit sonorer Stimme. Wir haben uns schnell angefreundet. Beim später erfolgten Besuch in seiner Grazer Wohnung – damals lebte noch seine Frau – konnte ich zahlreiche Lieder für unser Archiv aufnehmen, wobei Herr Viher sich überhaupt nicht vorstellen konnte, warum ich seinen Liedern so große Aufmerksamkeit schenkte.

Ein reicher Fluss an Erinnerungen

„Können’s des überhaupt brauchen?“, so fragte er oftmals. Er zeigte aber immer größeres Interesse an meiner Sammeltätigkeit, so auch an der Institution Volksliedwerk und wurde sogar dessen Mit­glied. Von der Herausgabe eines Liederblattes haben wir damals nicht gesprochen. Sein Lebenslauf, den er mir in diesen Stunden mitteilte und dessen Spuren wir anlässlich einer Fahrt in seine frühere Heimat Mautern verfolgten, rang mir besondere Hochachtung ab.

Franz wurde als Kleinkind verschenkt

1915 in Graz-Eggenberg geboren, hat er als Kleinkind seine Mutter verloren und wurde schließlich – ebenso wie sein etwas älterer Bruder Heinrich – als zweijähriger Bub von seiner Stiefmutter per Zeitungsinserat verschenkt. „Kind zu verschenken, abzuholen Graz-Eggenberg, Lilienthalgasse 45“ – so wurde der Franzl angeboten. Nach seiner ersten Station in Weiz nahm ihn – wegen seiner körperlichen Schwäche – seine Tante Maria Zach in Werndorf zu sich. 1921 übersiedelte er wieder zu seiner Stiefmutter, die den Franz daraufhin in einem weiteren Inserat als Geschenk anbot.

Der ewige Knecht mit seiner Mundharmonika

Ein Jahr später kam er in die Obersteiermark und begann als Hålterbua, später als landwirtschaftlicher Arbeiter bei Josef und Aloisia Gruber in Zidritzgraben bei Mautern, später bei Familie Gretl Ein­gang, vulgo Steinwender in Eselsberg bei Mautern und beim Bauernhof Anton Kühberger, vulgo Stoanamberg, in Liesingau bei Mautern. Kurz vor dem Krieg, den er in Polen, an der Mosel und in Narvik verbrachte, war er beim Bauernhof Franz Glück, vulgo Schwoagabauer, Pisching bei Kal­wang im Dienst. Die Stationen seines Lebens sind so schnell in wenigen Sätzen wiedergegeben. Es verbirgt sich dahinter aber ein unvorstellbares Ausmaß an Benachteiligung und Demütigung als Fol­ge seiner sozialen Stellung.

Erst viel später wurde er ein Grazer

1945 nach Graz zurückgekehrt, heiratete er seine Frau Theresia, gebore­ne Maierhofer, fand eine Anstellung bei der Graz-Köflach-Bahn und ging 1974 in Pension. Das Bildungsgrundgerüst erhielt er in der Schule, und darüber hinaus erwarb er sich Kenntnisse im Umgang mit dem Vieh sowie alle Erfordernisse im landwirtschaftlichen Betrieb. Seine Lebenserin­nerungen schließen Sitte und Brauch im Jahrlauf ein, wobei der musikalische Teil seiner Fertigkei­ten das Menschenbild in heiterer Weise abrundet.

An die 70 Lieder nennt er sein eigen, und er weiß selber nicht, wie viele er noch gespeichert, aber gerade nicht abrufbar hat. In frühen Jahren hat er sich das Mundharmonikaspiel selbst beigebracht. Die kleinen Melodien waren ihm ständiger Begleiter und Labsal an allen Stationen seines Lebens. Das lebhafte Interesse an seiner kleinen überschaubaren Welt gab ihm die Geborgenheit.

Für Franz Viher, der in diesem Jahr seinen 80. Geburtstag feiert, war die selbstgemachte Musik ein Stück seiner kargen Lebensqualität. Er hat sie im Leben gelernt: Durch die Begegnung mit anderen Haltern, von Holzfällern und später durch die Jahre der Kriegskameradschaft. Er hat die Lieder ver­wendet und sich an ihnen aufgerichtet. Er zählt sich nicht zu den Volksmusikern und stand mit sei­nen Liedern nie auf der Bühne – Bretter, die angeblich die Welt bedeuten. Heute sind ihm seine Lie­der Verbindung zur Jugendzeit, die bei Gott nicht die beste war. Die vertrauten Klangbilder aber sind es, die beim Gedanken an die Vergangenheit auf die positiven Augenblicke lenken und somit eine gelebte Zeitspanne veredeln.

Dieses Liederblatt ist eine Geburtstagsgabe für ihn und zugleich eine tiefe Verbeugung vor einer Generation, die in schlechten Tagen auf das Singen und Klingen nicht vergessen und die Weitergabe vieler Lieder gesichert hat.

Dem Beitrag sei aber auch die Liste jener Lieder hinzugefügt, die Herr Franz Viher als seinen Liederschatz tituliert hat:

Åba Diandl wås håst da denn denkt
Ålmrausch, bist a schöns Bleamal
An einem Sonntag Morgen in åller Fruah
Argonnerwald
Auf da Ålma drobn, då is a lustiges Leben
Auf då Rådstädter Ålm, geht a hantiger Wind
Auf dem Bergerl då stengan zwoa Tannabam
Auf’s Loaterl då steig i net aufi
Bei der Erle steht a Mühle
Blaue Fensta greane Gatta
Bua wånnst wüllst am Håhnpfalz gehn
Bua, wånnst schiaß’n wüllst, då muaßt a Schneid håbn
Da Sommer sank im Westen
Da Weg zu mein Dirndl is stoani
Dahoam beim Dirndl då bleib i net
Das schönste Bleamerl auf da Ålm
Der Summa is außi
Die Gamserl schwåz und braun
Dirndl bist stolz oda kennst mi net
Dirndl tiaf drunt im Tål, jauchz auf zu mir amål
Dort beim See, dort drunt
Dort drunt beim Bacherl, wo `s Wasserl herrauscht
Druntn im tiafen Tål, då schlågt die Nåchtigal
Es bliaht a Blemal gånz alloan
Es gibt jå nur a Zillertål allan
Es hållt und knållt im Hochgebirg
Es wår amål a Åbend,spåt
Gamserl schiaßn is mei Freid
Går freundli låcht die Sunn ins Tål
Geh i hin über die Ålm, geh i her über d‘ Schneid
Heit miaß ma wieder amål ins Gamsgebirg gehn
I håb amål a Ringerl kriagt, von mein herzliabsten Schåtz
I håb mein Schåtz a Miaderl kaft
I kenn a Sennerin wohl auf da Ålm
Jetz håb i mei Häuserl verkaft
Jetz håb i schon wieder, scho wieder mein Hausschlüssel verlorn
Jodler: Holarediriri, wann der Auerhahn pfålzt
Kennst du das Tal im Alpengrün
Koa schöners Lebn kanns niamals gebn, åls bei uns im Hochgebirg
Lei liabn
Mein Schåtz håt blaue Augen
O Dirndl liab, heut muaß i fort
Rote Röserl bleiahn im Gårtnt
Schau, schau wias regnan tuat
Schön still, schön stad
Und a Wåldbua bin i
Und mei Dirndl is a Bildle
Und wia i noch in d` Schul bin gången…
Vor meinem Hütterl då steht a Bankerl
Wånn da Mond so schen scheint, mit sein silbernen Glånz
Wånn hoch drob’n steh
Wånn i auf die Ålma geh
Wånn i geh auf die Pirsch
Wånn in åller Fruah am Berg die Sunn aufgeht
Wås kümmern mi die Sterndlan, wos kümmert mi da Mond
Wås schlågt denn dort drobn aufn Tannenbam
Wenn die Blümlein draußn zitter’n
Wer schleicht dort im nächtlichen Walde
Wia schön san die Gamserl, die Hirsch und die Reh
Wohl auf der Ålm då ragt ein Haus
Wohl auf die Kupplerålm
Wohl im Gebirg då is so lustig
Wohl in der Niederschwing
Zillertål, du bist mei Freid
Zu dir ziagts mi hin


Steirisches Liederblatt, 2/1995; Sätze und Gegensätze, Band 10/ Graz, 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.