Meine köstlichste Musikgeschichte

Die schönsten Geschichten schreibt ja das Leben selbst und mit der Nacherzählung werden sie zu köstlichen Erinnerungen.Diese Erzählung führt zurück in die 60er Jahre, als sich meine Eltern nach dem Krieg eine Existenz schufen und fünf Kinder in die Welt setzten. Der Vater gründete eine Mechaniker-Werkstätte und die Mutter zauberte das Notwendigste zum Überleben herbei. Es waren karge Zeiten – so sehe ich es heute. Damals aber verspürten wir Kinder kein bisschen Armut, denn das Wenige war mit Zuversicht und Glückseligkeit reichlich garniert. In der Rückschau war diese Zeit eine wertvolle Lebensschule.

Die Eltern waren kunstsinnige Menschen und deshalb war ihnen Musik und Gesang ein Herzensanliegen. Mutter bemühte sich, die Familie satt zu kriegen und hatte dennoch stets ein Lied auf ihren Lippen. Sie besorgte das Klavier aus dem Nachlass ihrer Brüder und Vater erhielt von Freunden weitere Leihinstrumente. Der nun folgende Musikunterricht war also vom Mund abgespart und gerade deshalb ein ernsthaftes Anliegen. Musik hatte für meine Eltern denselben Stellenwert wie die Schulfächer Rechnen, Lesen und Schreiben.

Ein gütiger Zufall wollte es, dass wir mitten in Stainach im Ennstal eine Mansardenwohnung in Miete übernahmen. Die Betten wurden vom Vater aus Winkeleisen gefertigt und die Matratzen waren mit Stroh gefüllt. Rund um das alte Pianino aber begann die eigene Hausmusik zu klingen. Ich erinnere mich an Georg Philip Telemanns kleine Serenaden. Vater an der Kontragitarre, Mutter mit der Blockflöte und wir so nacheinander mit Klarinette, Querflöte, Klavier und den Geigen.

Gerade ein paar Wochen in der neuen Wohnung, wurde unser Vater von Herrn Raninger auf der Straße angesprochen. Der Hausbesitzer erkundigte sich, ob die Familie wohl zufrieden sei in der neuen Wohnung und mein Vater versicherte ihm, es sei alles bestens, aber…

„Wiss`ns, Herr Raninger, wir sind halt eine große Familie und wir machen Hausmusik. Jedes Mal aber, wenn wir so richtig schön musizieren, klopft jemand von unten mit einem Besenstangl an die Decke. Die Partei unter uns ist sehr ungehalten – und das ist uns unangenehm…“. Der Herr Raninger aber hat geschmunzelt und gemeint: „Ja was glauben Sie denn, Herr Härtel, warum ich gerade ihre musizierende Familie in die Wohnung genommen habe?“

Wir haben also weiterhin musiziert und offensichtlich erfolgreich: Der Mieter unter uns hat schon bald darauf gekündigt und Vater hat noch Jahre später gewitzelt: Eigentlich hätte es sich ausgezahlt, daraus einen Berufszweig zu machen: Musizierende Familie vertreibt – gegen Mieterlass und Honorar – unliebsame Nachbarn.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, Sommer/2019; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.