Marie-Theres Härtel und Hubert Pabi singen vom Almleben
Der Pferdezüchter und Harmonikaspieler singt gemeinsam mit seiner Nichte die alten Lieder vom Almleben. Die beiden lassen aber auch andere daran teilhaben, denn die vor Kurzem entstandene CD ist Labsal für die Seele und animiert dazu, sich selber wieder zum Klingen zu bringen. Eine außergewöhnliche Verbindung zwischen den Generationen und zudem die Liebe zu den heimatlichen Gesängen macht diese Tonproduktion zu einem Unikat.
Das Almleben und die Wahrhaftigkeit
Freilich hat sich das Betreiben der Almwirtschaft seit dem Entstehen der Almlieder stark verändert. Die Zeit ist nicht stehen geblieben. Geblieben ist aber nicht nur ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen landwirtschaftlichem Nutzen, Erhaltung einer Naturlandschaft und der Gastlichkeit – all das gepaart mit der Einfachheit. Geblieben ist auch die spürbare Faszination eines Rückzugsgebietes, wo sich alles um Notwendigkeiten dreht, wo Tag und Nacht, Sonnenschein und Unwetter noch den ursprünglichen Sinn ergeben. Da mag Sehnsucht entstehen nach der Freude am Wenigen, nach der Dehnbarkeit der Mußestunden und nach den Liedern, deren Texte die Wahrhaftigkeit widerspiegeln. Die Volksliedarchive dokumentieren mehrere Hundert Lieder, die das Almleben beschreiben und auch verherrlichen. Es ist eine unglaubliche Fülle an schönen Melodien und ausufernder Poesie. Freilich sind sie alle auch in Liederbüchern zu finden und dennoch: Die mündliche Überlieferung ist nach wie vor der wesentliche Impulsgeber für das Singen. Die neue CD bietet eine kleine und sehr persönliche Auswahl aus diesem Genre der Volksmusik.
Über ihre Lust am Singen
Ja, die Almlieder haben es den beiden angetan, weil diese Lieder das Gefühl von gleichzeitiger Fernsicht und Bodenhaftung am besten übersetzen. Es ist die Dualität von Musik und Sprache, die keine Nebensächlichkeit zulässt und deshalb glaubhaft überzeugt. Die Melodien mutieren zu wahren Hymnen, die im Kontrast zur urbanen Welt und einer zunehmenden Monokultur des Lebens stehen. Die Liedertexte aber sind von erstaunlicher Poesie. Sie lassen kräftige Bilder entstehen, von einer Welt der schweren Arbeit, vom Zusammenleben zwischen Mensch und Tier, aber auch von der Lust am Leben selbst. Almlieder empfinden wir als klingende Ergriffenheit, weil uns die Almböden als letztes Refugium geblieben sind, als einzigartige Kuranstalt für die Seele. Diese Tonproduktion ist auch ein Plädoyer für den Erhalt unserer Almen und zudem ein Appell, sich das Singen wieder anzueignen, denn Kultur ist selber singen.
Ein Privileg: Verankert und beheimatet
Marie Theres Härtel lebt heute im bayerischen Söllhuben, beide Interpreten stammen aber aus dem kleinen, der Marktgemeinde Deutschfeistritz zugehörigen Ortsteil Zitoll am Eingang des Übelbachtales. Am Talschluss gibt es verzweigte Forststraßen und Almwege sowie eine Anzahl bewirtschafteter Almen. Die Halterhütten sind beliebte Ausflugsziele für Tageswanderungen. Dazu zählt der Aufstieg zum Roßbachkogel (1848) über die Brentlalm. Ebenso aber die Wanderung auf den Gleinalmspeik (1990 m) und der Besuch des Gleinalm Schutzhauses. Es ist die nördlichste Weststeiermark, die hier im Übelbachtal weit verzweigt vielen Almböden Heimat bietet. Zahlreiche Halterhütten sind nicht nur beliebte Raststationen, sondern auch die Brutstätte für musikalische Ereignisse.
Die Almlieder auf der neuen CD
I Hab scho drei Summa / Auf da Ålm, då is es lustig / Mein Herz ist im Hochland / Walzkogellied / Fåhr ma`s auffi / Bei mein` Diandl ihrn Fensta / Mia gfållt jå nix so guat / Blaue Fensta, greane Gatter / Wånn da Schnee von da Ålma weggageht / Andulko šáfašová / Wenn auf Bergeshöhn die Alpenrosen blühn / Schilchertal-Lied / Die hohe Ålm wird a scho grean / I håbs a Dianderl gliabt / Wånn i auf d`Ålma geh / Hoch vom Ötscher drobn
Die Sängerin und der Sänger
Hubert Pabi ist Landwirt und Pferdezüchter, ebenso auch ein begeisterter Almgeher im heimatlichen Gleinalmgebiet. In der Zusammenarbeit mit vielen anderen Bauern und dem Einkehren nach getaner Hof- und Waldarbeit liegt der Ursprung für seine Freude am Singen. Und freilich ist seine musikantische Tätigkeit auch ausschlaggebend: Er spielt bei den Citoller Tanzgeigern die Harmonika. Was er sich an Liedern angeeignet hat, benützt er, um seine Zuneigung zum Almleben auszudrücken. Am besten gelingt dies, wenn er andere Almbesucher einlädt, mit ihm zu singen. So lässt sich das Abschiednehmen noch stundenlang hinaus zögern.
Marie Theres Härtel ist seine Nichte. Sie ist als Berufsmusikerin in vielen Genres der Musik daheim. Sie studierte in Graz und Wien, später lebte sie lange in Berlin, bevor sie mit ihrer Familie im Chiemgau eine neue Heimat gefunden hat. Konzertreisen führten sie u.a. nach China, den USA, Afrika, Pakistan, Kasachstan und durch ganz Europa. Sie hat in zahlreiche Projekte mitgewirkt: an der Grazer Oper, in diversen Orchestern, in der Freien Theatergruppe Göttingen, der WDR Big Band und weiteren Formationen. Sie ist mit dem MOVE STRING QUARTET, dem DUO HÄRTEL TRÜBSBACH, SHREEFPUNK und den Ensembles NETNAKISUM und KUSIMANTEN unterwegs. Mit der Band Shreefpunk gewann sie 2019 den Neuen Deutschen Jazzpreis. Ihre musikalischen Wurzeln aber hat sie in ihrer steirischen Heimat, im Gleinalmgebiet – und diesen Wurzeln bleibt sie treu. Zumal auch als Substitutin bei ihren Citoller Tanzgeigern…
Rezension und Pressetext zur CD-Ausgabe „Mein Herz ist im Hochland“, Mai 2019; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.