Lieber Herr Hofrat Lendl, lieber Hubert!

Verzeih, wenn ich immer noch Deinen Hofrat voranstelle, obwohl ich weiß, wie wenig Du an diesem Titel hängst. Für mich aber war es Dir gegenüber immer schon eine freundschaftliche Titulierung, wir haben auch hier im Büro immer von unserm Herrn Hofrat gesprochen. Dabei ist Dein Titel mit Deinem Namen verschmolzen, aus Respekt und gleichzeitig auch aus Zuneigung. Du weißt was ich meine: Das gleiche Wort lässt sich abfällig, beiläufig, vielsagend, spöttisch aussprechen. Du bist aber immer schon ein anderer Hofrat gewesen…

Und nun hat`s mich erwischt und gefeiert wurde eigentlich zu früh, denn der feierliche Akt findet im November statt – so hat man es mir mitgeteilt, nebst der Bemerkung, dass ich ab sofort den Titel mit mir herumtragen dürfe. Der amtliche Brief mit der Ernennung hat aber unseren Vorsitzer veranlasst, gleich eine ausgiebige Feier anzusetzen.

Nun – ich muss Dir sagen, ich habe gemischte Gefühle. Mit einem neuen Titel ists wie mit einem neuen Hut – wenn Du weißt, was ich damit meine. Freilich wird man im Vorspann schon auch gefragt, ob man im Ernstfalle den Titel auch annimmt. Und man sagt „ja“, aus Überraschung, Eitelkeit, Freude oder einfach im Zugzwang. Verneint man, meinen die Antragsteller, man sei zu stolz, sagt man ja, sieht es so aus, als ob einem die Geschichte zustünde. Kenn sich einer aus…

Mein Großvater war ein ordentlicher Professor und im muss mich wahrlich bemühen kein unordentlicher zu sein. Einer Sache würdig zu sein ist aber schon auch ein schweres Los und ich muss mich erst daran gewöhnen, weil ich bisher nur meinem Instinkt gefolgt bin und der inneren Stimme. Ebenso der Stimmen um mich, dabei auch Deiner Stimme und Deinem humorvollen Zustimmen.

In Zukunft wird man mir vieles abnehmen, weil`s der Professor sagt. Zu gerne hätte ich aber mehr erreicht, nur weil die Argumente stimmen. Aber, ist das nicht ein altes Leiden und haben nicht auch andere vor mir die gleichen Kämpfe durchgefochten? Ich frage mich, ob es mir nun gelingt, über ein neues Etikett die guten Inhalte auszuschenken. So hat es Hans Martschin wohl gemeint, als er den Professorwagen ins Rollen gebracht hat.

Deine Zeilen aber, lieber Freund, haben mich sehr berührt. Ich hab` Dir vieles zu verdanken. Es waren Lehrjahre obwohl ich nur einen so kleinen Teil Deiner umfassenden Kenntnis mitschneiden konnte. Allzu gerne hätte ich Dich als Literaturkenner oder auch als Reiseleiter erlebt und von Dir gelernt. Das Zusammenspiel aber von uns beiden in unserem chaotischen Kulturbetrieb war wohl einmalig. Mein Gott, da sind die Kleinlichkeiten unserer Musikerzieher eigentlich nur Getöse gewesen, es hat aber eines Hubert Lendl bedurft, der die Bahn freimacht für neue Ideen, der auch das Risiko des Scheiterns eingeht. Du hast – wenn ich das nun im Nachhinein betrachte – mit Deinen Gesprächen, Ansichten und Meinungen, auch mit Deinem herzhaften Umgang mit uns jüngeren Mitarbeitern erst Kultur in die Kulturabteilung gebracht. Ich hab mich ja nie vor der Verbeamtung gefürchtet. Heute aber, wo ich das Spiel besser durchschaue, weiß ich wie leicht einem jungen Menschen allein durch den Ungeist des Aktenlaufes jedes Feuer genommen werden kann. Noch heute höre ich die Worte meines Vorgesetzten: Tuans net so vü…..

Deine Botschaften waren nicht hochtrabend, eher simpel und deshalb auch so heilsam und wirksam. Du hast mir gelehrt, wie schnell sich Geschäftsordnungen erübrigen, wenn die kleinsten Entscheidungen einem höheren Ziel – der Lebenstiefe und gemeinschaftlicher Lebensnotwendigkeit gewidmet sind.


Beantwortung eines Briefes von Hubert Lendl anlässlich der Verleihung des Berufstitels Professor, 2000; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.