Eine Reise nach Norwegen

Eine helle Mädchenstimme erklang, um einen neuen Tanz „einzusingen“. Unsere norwegischen Freunde sangen sogleich mit, und wir Steirer unter­stützten dieses Tanzlied mit einem allgemeingültigen Lalalala.

Tänzerinnen und Tänzer zogen im Kreise durch den Raum. Tänzelnde Schritte, graziöse Bewegungen und der rasche Wechsel der Tanzformen und ­Rhythmen verband uns Österreicher mit den Norwegern. Außerhalb des Raumes hörte man noch weithin den Gleichklang der Schritte, stand bei einem kleinen Glas mitgebrachtem steirischen Bier in Gruppen beieinander, genoss die Ruhe, die Nähe eines kleinen Waldsees und das Eingeschlossen ­sein in unendlich ausgebreitete Wälder.

Die Reiselust und die Musik

Wir waren eine lustige Reisegruppe, die das Übelbachtal verließ und den ersten Reisetag in der Nähe von Kassel beschloss. In der romantischen Kleinstadt Melsungen fanden wir Aufnahme in der Jugendherberge und verbrachten den Abend in einem nahegelegenen Gasthof. Unter der Gesamtleitung von Dir. Hugo Müller waren an die 35 Mitglieder des Übel­bacher Sing- und Tanzkreises unterwegs.

Am nächsten Tag ging die Fahrt weiter durch Norddeutschland und durch Dänemark bis hinauf nach Horsens. Nach so langer Busfahrt waren wir froh, wieder eine nette Jugendherberge gefunden zu haben.

Die Fahrt durch Nordjütland

Für die Ausgeschlafenen und für die Müden begann der nächste Tag mit der Fahrt durch Nordjütland bis zur Fähre in Hirtshals. Es war eindrucksvoll, wie unser großer Autobus im Bauch des Schiffes verschwand und mit ihm viele andere Fahrzeuge. An diesem sonnigen Tag übersetzten wir mit dem Fährschiff nach Arendal in Norwegen. Einige erlebten nun ihre erste Seereise. Das offene Meer und die frische Seeluft ließ die Musikanten die Instrumente auspacken – es kam zu einem ausgiebigen Frühschoppenkonzert an Deck. Bereits im Fjord vor Arendal hissten wir die steirische und die österreichische Fahne, um unseren Gastgebern unsere Ankunft anzukündigen. Es gab ein Wiedersehen mit alten Bekannten, da der Arendaler Tanzkreis bereits einmal in der Steiermark verweilte. Nach dem herzlichen Em­pfang wurden wir auf verschiedene Gasteltern, bei denen wir für vier Tage eingeladen waren, aufgeteilt.

Freunde, Tanzschritte und Melodien

Mit Arendal, einem alten Schifffahrtszentrum, verbinden uns unzählige schöne Eindrücke. Fischen auf einsamen Inseln, Baden in einer schönen Meeresbucht und Wasserschifahren kannten wir doch bislang nur von bunt-verlockenden Reiseprospekten. Nach einem ersten Abend des ge­meinsamen Kennenlernens mit den Gasteltern, nützten wir den zweiten Tag, um die norwegische Gruppe kennenzulernen. Im Laufe unseres Aufenthaltes besichtigten wir auch eine Landwirtschaftsschule, eine Zinnfabrik, eine besonders schöne alte Kirche und besuchten das Arendaler Schifffahrtsmuseum. Einen Busaus­flug durch die nähere Umgebung beschlossen wir mit einer Fahrt auf einem Fischerkahn, wobei wir unseren Aufenthaltsort auch vom Meer aus bewundern konnten. Tag für Tag verband uns mehr mit den Arendalern, mit ihrer Heimat, den großen dunkelgrünen Wäldern, dem Meer und mit der nordischen Ruhe, die uns temperamentvollen Steirern sehr gut tat. Der Eindruck des Abschlussabends in Arendal wurde bereits in der Ein­leitung festgehalten.

Auf in den Norden

Der Abschied von unseren Freunden und der schönen Gegend viel uns schwer, die Fahrt in den Norden ging jedoch weiter. An diesem Tag bis Horten, wo uns ebenfalls eine befreundete Volkstanzgruppe begrüßte. Der gemeinsame Tanzabend fand in einem Militärkasino statt, Horten gilt als Marine-Stützpunkt. Auch hier war mit Hilfe unserer artverwandten Tänze schnell Verbindung geschaffen, und die Leiterin dieser Gruppe sagte in einem Tonbandinterview ganz richtig: „Die Verbindung ist deshalb so schnell hergestellt, weil norwegische wie auch österreichische Tänze leicht mitzutanzen sind.“

Eine österreichisch-norwegische Symbiose

Nach dem anstrengenden Abend waren wir froh, dass die Jugendherberge nur einige hundert Meter entfernt auf uns wartete. Von einem Nachtbad im Meer hat der Her­bergsvater noch nie gehört und daher war er auch erbost über den nächt­lichen Badeausflug einiger Unentwegter. Am frühen Morgen verließen wir diesen Ort und reisten weiter, unserem nördlichsten Ziel, der Stadt Trondheim entgegen.

Dieser Reisetag von Horten nach Trondheim führte uns durch viele schöne Landschaftsstriche, über Lillehammer, die un­übersehbare Hoch­ebene mit fernen schneebedeckten Gipfeln. Dann aber erfolgte der erste Blick auf die alte Hafenstadt Trondheim.

Eine erste Ahnung von hellen nordischen Nächten

Hier wohnten wir in einem Hotel und unter­nahmen noch am gleichen Abend eine kleine Rundfahrt durch die Stadt. Die Sonne geht in Trondheim um 23.00 Uhr unter und bereits um 1/2 2 Uhr wieder auf. Die Nächte waren daher sehr kurz – allerdings war daran nicht nur die Sonne schuld. Beim Empfang durch den Bürger­meister der Stadt überbrachte Dir. Hugo Müller die Grüße der Stadt Graz, die ja die Schwesterstadt von Trondheim ist. Der Bürgermeister wiederum hieß uns herzlich willkommen, erzählte uns Geschichtliches über diese Stadt und wünschte uns einen guten Aufenthalt.

Die Tanzgruppe aus Trondheim

Wir unternahmen dann eine Busfahrt entlang des Fjordes und besuchten den Dom, wobei wir auch einem Orgelkonzert beiwohnten. Abends gaben wir eine Vorstellung im Hotel „Princen“, die wegen der allzu lauten Discothek-Einlagen nicht unserem Geschmack entsprach. Mit der Volkstanzgruppe aus Trondheim beschlossen wir daher diesen Tag mit einigen gemeinsamen Tänzen am Hauptplatz. Unser Hotel war mit einer Sauna ausgestattet, die wir jeden Tag benützten. Hier sangen wir des Öfteren bei großer Hitze unsere Lieder und hofften, für die Heimfahrt im Bus schlank zu bleiben. Das Musikhistorische Museum dieser Stadt war wirklich einen Besuch wert. Man könnte man in Anbetracht der so zahlreichen Sehenswürdigkeiten auch mehrere Tage dort ver­bringen. Den Abschluss des Trondheim-Aufenthaltes bildete ein Besuch auf der Insel Munkholmen, verbunden mit einem Tanzabend.

Zurück in die Heimat

Unser Autobus, gelenkt von „Joe“, begann die Reise Richtung Süden. Der vertrauliche Name „Joe“ sei deshalb erwähnt, weil uns dieser Bus­lenker neben der absoluten Sicherheit die er uns in allen Situationen gab, auch ein Freund war, der mit seiner über­aus großen Portion Humor einfach sehr gut zu unserer Gruppe passte.

Eine Reise liegt wieder hinter uns. Es verbleibt die Erinnerung – und Erinnerung ist bekanntlich das schönste Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann. Neben dem Wunsch, wieder einmal Norwegen zu bereisen, besteht zugleich die Freude, hier in unserer Heimat allen erzählen zu können, dass uns neben den land­schaft­lichen Reizen dieses Landes die Begegnung mit den Menschen am meisten Freude bereitete und dass in uns der Wunsch gefestigt wurde, die Verbindung zu fremden Ländern und Menschen immer wieder zu pflegen.


Norwegenreise des Sing- und Volkstanzkreises Übelbachtal, 7/ 1975; Der Fröhliche Kreis, 1/1975; Sätze und Gegensätze, Band 10/ 1999;  Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.