Die Citoller Tanzgeiger im Wiener Konzerthaus

Wer die Citoller Tanzgeiger auf das Konzertpodium holt, hat entweder ihre Musikkultur nicht verstanden, oder hegt die Absicht, diese eigentümliche Welt der ländlichen Tanzmusik einem Konzertpublikum mitzuteilen, welches bislang in diese trüben Tiefen der Musikwelt nicht vorgedrungen ist. Letzteres wird der Fall sein, denn es ist mitunter reizvoll, die eine Welt mit der anderen zu verknüpfen.

Die gängige Vorstellung von einem volksmusikalischen Rückzugsgebiet, von der heilen Welt der verborgenen Traditionen müssen eigentlich zurechtgerückt werden, denn die Musiker sind keine Exoten, sind keine Pfleger historisch belegter Musik, sie stehen vielmehr mit beiden Beinen, mit allen Sinnen in dieser Welt.

Die Rückständigkeit hat was Besonderes

Der Einfluss von klassischer Musik, Jazz, aber auch der Schlager und Schunkelmusik, ist an ihnen keineswegs spurlos vorübergegangen. Sie sind auch in anderen Musikgattungen und Ensembles tätig und sie sehen in der Volksmusik eine besondere Herausforderung. Denn: Die vermeintliche Rückständigkeit birgt so manche Besonderheit, die öffentliche Meinung und die Volksmusik-Darstellung in den Medien rufen geradezu nach belegbarer Lebensnähe und Lebensberechtigung.

Die Notwendigkeit als Lehrmeister 

Ihre besondere Zuwendung zur Volksmusik entspringt aber einer Begegnungswelt, die ihr Repertoire und ihre Einstellung zum Musizieren geprägt hat. Neben aller anderer Musik gab es in ihrem Leben die frühe Notwendigkeit selbst Hand anzulegen, zu singen und zum Instrument zu greifen. In ihrer Heimat spielen sie im Gefüge des Jahrlaufes eine dienende Rolle, in den Familien werden Rituale musikalisch begleitet. Mit den Nachbarn auf der Alm singen und jodeln zu können, ist halt der schönste Beweis für gelebte Musikkultur. Durch die vielen Begegnungen auf den Tanzböden, begegnete sie auch ihren Lehrmeistern von denen sie nebst den Melodien auch den Umgang mit dem Publikum, das Tanzkapellen – Handwerk gelernt haben.  

Die Tanzbodensprache vermittelt Direktheit

Die Mittel-, West- und Oststeiermark sind ihr gewohntes Arbeitsfeld, Hochzeiten ihr liebster Auftrag. Sie spielen aber auch Bälle und andere Feste, eher ausnahmsweise – zum Konzert. Die kräftige Tanzbodensprache aber ist es, die eine besondere Klangqualität und Direktheit vorgibt. Die Geigen hacken meist im Abstrich, der Bratschist füllt das rhythmische Muster, der Bassist bereitet das Fundament. Der Harmonikaspieler verbindet die Einzelstimmen zur Gesamtheit. Typisch für die Citoller Tanzgeiger sind auch der Wechsel zu den Blasinstrumenten und die vokalen Einwürfe, ebenso alter wie neuer Texte. 

Der direkte Weg zu den tanzenden Füßen ist gefragt

Das Repertoire ist meist mündlich überliefert, eher selten von alten Notenbüchern übernommen. Die Lieder stellen die Verbindung zum Publikum her und laden zum Mitsingen ein. Selbstverständlich wird ohne Notenvorlagen musiziert, diese wären bei der engen Verbindung zwischen den Musikern und den tanzende Füßen im Weg.  

Die Musik der Citoller Tanzgeiger (Zitoll ist der Heimatort der Gruppe) ist durchaus zeitgemäß, das beweist der Terminkalender der Musiker und die Beliebtheit der Gruppe. Den Ruf nach Innovation und schräger Volksmusik können sie gar nicht mehr hören. Ihr Betätigungsfeld verlangt eindeutig nach anderen Qualitäten, vor allem aber nach einer virtuosen Handhabung des Augenblicks – also nicht des Instruments.

Zuerst zur Frau Wirtin 

Komisch: Wenn die Citoller aufkreuzen, ihre Geigenkoffer unter dem Arm, den Steirerhut am Kopf, möchte man meinen, die Zeit ist stehengeblieben. Anstatt sich um Kabel, Licht und Verstärkeranlagen zu kümmern, den Soundcheck durch den Saal zu jagen, nehmen sie ein erstes Schnapserl mit der Frau Wirtin.


Text für das Konzert-Programmheft. 1111 steht nicht für eine Jahreszahl sondern ist das Zeichen für eine noch nicht ausformulierte Quellenangabe. Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.