Auf in die Ohrase…

Selektives Hören – die Zukunftsmusik

Inhaltsverzeichnis: 1 Zitate zum Thema / 2 Ausgangsposition / 3 Ein Beispiel als Aushängeschild / 4 Schritte zu mehr Hör- und Musikqualität

1 Zitate zum Thema

Ruhe = Eine besonders verdächtige Form von Lärm
Wolfram Weidner (*1925)

Es gibt vielerlei Lärm. Aber es gibt nur eine Stille
(Kurt Tucholsky)

Die größte Kraft auf der Welt ist das Pianissimo
Maurice Ravel (1875-1937)

Die größte Offenbarung ist die Stille
(Lao Tse)

Die stillen Worte sind es, die den Sturm bringen
(Friedrich Nietzsche)

Auch die Pause gehört zur Musik
(Stefan Zweig)

Tätig ist man immer mit einem gewissen Lärm. Wirken geht in der Stille vor sich
(Peter Bamm)

Aller große Lärm macht, dass wir das Glück in die Stille und Ferne setzen
(Friedrich Nietzsche)

Die Ruhe findet man in der Stille, die Stille in der Einsamkeit und die Einsamkeit im Frieden
(Tobias Groteloh)

Dreißig Speichen gehören zu einer Nabe,
doch erst durch das Nichts in der Mitte
kann man sie verwenden

Man formt Ton zu einem Gefäß,
doch nur durch das Nichts im Inneren
kann man es benutzen

Man macht Fenster und Türen für das Haus
doch erst durch das Nichts in den
Öffnungen erhält das Haus seinen Sinn

Somit entsteht der Gewinn
durch das, was da ist,
erst durch das, was nicht da ist
(Lao Tse)

… wenn Redakteure miteinander dringend zu sprechen haben, verlassen sie die Redaktion und gehen hinunter ins Cafe. In welches? Es ist überall eins in aller nächster Nähe. Wenn Mitarbeiter miteinander zu verhandeln haben, sagt am Telefon der eine zum anderen nicht: „Komm zu mir“, sondern „Komm ins Cafe“. Dort kommt man besser zueinander und zu sich.

Voraussetzung hierfür bleibt allerdings, dass im echten Cafe der allgegenwärtige Lautsprecher mit der halblauten Radiomusik, der Geist und Sinne durch süßliche Weisen lähmend einnebelt, nicht sein neuzeitliches Unwesen treibe. Er konnte sich bis heute im echten Wiener Cafe nicht durchsetzen, und dies muss als einer der stärksten Beweise dafür gewertet werden, dass Wien immer noch eine Musikstadt ist.
(Hans Weigel)

Wenn jemand die permanente Beschallung mit der Qualität der Musik rechtfertigt: Auch eine Überschwemmung mit bestem Trinkwasser ist eine Katastrophe.
(Hermann Härtel)

2 Ausgangsposition

Die Urheber der Lärm- und Geräuschbelastung heißen heute nicht nur Auto, Flugzeug und Eisenbahn. Der größte Belaster ist der Mensch selbst, der sich den technischen HiFi-Möglichkeiten ausliefert, statt sie für mehr Lebensqualität zu nutzen. Somit ist auch die höchste Kunst der Künste – die Musik – zur Belastung geworden. Allüberall Musik-versorgt heißt aber nicht nur, dass dadurch Gehörschäden (durch Lautstärke) entstehen, sondern dass der Mensch einer Übersättigung ausgesetzt ist. Ärzte warnen schon viele Jahre lang vor dem selbsterwählten Geräuschpegel, vor unselektiertem Musikgenuss rund um die Uhr. Das sensible Ohr verliert über Jahre seinen feinen Sinn, der Mensch selbst verliert den Hunger nach Musik, sogar die Sehnsucht selber Musik zu machen.

3 Ein Beispiel als Aushängeschild

„Bei mir ist der Gast König. Er kann nicht nur zwischen Raucher- und Nichtraucherbreich wählen, sondern auch frei entscheiden, ob er lieber Ruhe oder doch Musik aus dem Lautsprecher haben will“ verkündet der Wirt Ernst Zezula aus Pöls bei Judenburg stolz.

Das Beispiel zeigt die große Bereitschaft unserer Gastronomie, einerseits den Nichtrauchern, andererseits den Rauchern entgegen zu kommen und auch entsprechend zu investieren, um dies zu ermöglichen. Es zeigt aber auch Verständnis für die notwendigen ruhigen Stunden der Gäste bei Kaffee und Zeitung. Gasthauskultur ist also kein leeres Schlagwort.

Sicher gibt es viele ältere Gaststätten und Kaffeehäuser, deren Räume keine Beschallung aufweisen. Ernst Zezuala ist aber vorerst der erste Wirt Österreichs, vielleicht Europas, der absichtlich einen beschallungsfreien Raum eingerichtet hat – hierher können sich Gäste zurückziehen, die der Musikberieselung bewusst entfliehen wollen. Der musikbegeisterte Gastronom, ist aber kein Musikmuffel. Nein, gemeinsam mit Siegwin Frewein aus St. Georgen ob Judenburg lädt er jeden zweiten Freitag im Monat zum Sänger- und Musikantenstammtisch ein. Er weiß auch, dass der kreative Gestaltungswille des Menschen oft an den Mangel gebunden ist. Anders gesagt: Der Wunsch nach eigener Musikausübung wird oft erst aus der Stille geboren. Dort wo die Ohren ständig voll sind, beginnt niemand zu singen, denn wer stets gesättigt ist, entwickelt keinen Hunger. So gesehen ist die beschallungsfreie Zone – jetzt erstmals offiziell eingerichtet im Gasthaus Zezula in Pöls bei Judenburg – auch ein direkter Beitrag zur Förderung der musikalischen Eigeninitiative.

4 Schritte zu mehr Hör- und Musikqualität

a)▶Kennzeichnung beschallungsfreier Räume in Gaststätten

Der beschallungsfreie Raum – eine Insel für unsere Ohren

Das ist Ihnen auch schon so ergangen: Der Kaffee und das Kipferl waren schon serviert, die Zeitung schon aufgeschlagen, aber das kleine gemütliche Dasein wird unfreiwillig aufgemotzt: Aus einem diskret versteckten Lautsprecher erschallen Nachrichten, Werbedurchsagen und irgendwelche Musik. Sie schließen ob solch verwirrender Üppigkeit die Augen und versuchen es auch mit den Ohren und Sie sind entsetzt: Die lassen uns nicht weghören!

Jetzt ist es so weit: Wir zeichnen Gaststätten aus, die einen beschallungsfreien Raum anbieten. Der sanfte Weg zu mehr Hörgenuss ist hiermit beschritten und schon bald machen wir weitere interessante Vorschläge. Gehen Sie mit uns den Weg zu mehr Hörkultur und Musikgenuss – es zahlt sich aus.

Vorhang auf – erster Akt:

Lokale, die einen beschallungsfreien Raum anbieten, bekommen von uns die neue Plakette samt Urkunde überreicht. Zusätzlich werden wir die Liste dieser Lokale im „Vierzeiler“ veröffentlichen. Über die Presse werden die Leser aufgefordert, Gaststätten mit einem beschallungsfreien Raum zu melden.

b)▶Mehr Respekt vor Musik: Musik gehört auf die Speisekarte

Die Zukunft gehört dem selektiven Hören

Künftig sollten Gastronomiebetriebe nicht irgendetwas für das Ohr servieren. Mehr Respekt vor der Musik sollte Anlass genug sein, um folgende Möglichkeiten des selektiven Hörens einzuführen:

Die Speisekarte enthält nach dem Dessert den Hinweis: Heute spielen wir für Sie Werke von „Haydn und Mozart“ oder „Beatles und STS“ oder „Stoankogler und Mariazeller Sparkassenmusi“. Es ist möglich themenspezifisch zu programmieren: Fasching: Wiener Musik; Weihnachten: Weihnachtsmusik; Italienische Wochen: Italienische Musik u.s.w.

Das Lokal wird mit einer geeigneten Anlage ausgerüstet, die auf die Hör-Wünsche der Gäste Rücksicht nehmen kann. Ein Katalog des Musikprogramms liegt der Speisekarte bei. Der Gast wählt, der Kellner programmiert. Es kann eine immer aktuelle Hitliste gewartet werden.

Oder: Das Lokal wird mit einer geeigneten Anlage ausgerüstet, die auf die Hör-Wünsche der Gäste Rücksicht nehmen kann. An den Tischen finden sich Geräte, die eine Selbstwahl ermöglichen. Man kann aus einem Katalog auswählen.

c)▶4 Selbstkontrolle durch Dezibel-Messung

Kultur erkennt man auch an einem gewissen Maß an Selbstbeschränkung und Selbstkontrolle. Eigenverantwortung könnte man sich also auch im Bezug auf die Lärmbelastung – speziell was die Musik betrifft – angewöhnen. Dazu bedarf es aber speziellen Kontrollgeräten, die im Auto, im Gastgarten, im Gastlokal, in der Disco einsetzbar sind. Vorbeugen ist besser als heilen. Selbstkontrolle ist besser, als diese dem Gesetzgeber zu überantworten. Es ist ein Gebot der Stunde, an eine renommierte Firma heranzutreten, um ein brauchbares und finanzierbares Gerät zu entwickeln.

Hier ein anderes Konzept – welches für ganz Österreich angedacht, entwickelt – aber noch nicht umgesetzt wurde:

Die Volksliedwerke mischen mit…

Das Österreichische Volksliedwerk der Dachverband der Volksliedwerke der Bundesländer wurde 1904 wurde vom k. k. Ministerium für Kultus und Unterricht zur Sammlung, Forschung, Dokumentation und Pflege von Volkslied, Volksmusik, Volkstanz und Volkspoesie gegründet. Die Volksliedwerke der Bundesländer fungieren seit 1974 als eigenständige, vom jeweiligen Land getragene, Vereine bzw. Institutionen. Gemeinsam besitzen die Volksliedwerke heute die größte Sammlung musikalischer Überlieferung.

Die Volksliedwerke befassen sich mit Volksmusik in all ihren Erscheinungsformen auf regionaler und auch internationaler Ebene, in praktischer wie auch wissenschaftlicher Hinsicht. Die Arbeit beinhaltet die Durchführung von verschiedensten Veranstaltungen und Fortbildungen, genauso wie die Herausgabe von Notenbüchern, Bild- und Tonträgern.

Als etablierte Beispiele in der Gastronomie gelten seit 1981 (ausgehend vom Steirischen Volksliedwerk) die österreichweiten Projekte „Musik beim Wirt“, „Sänger und Musikantenstammtische“ und die „Auszeichnungen zur musikantenfreundlichen Gaststätte“.

Die aktive Auseinandersetzung mit Musik und dem Leben, in dem Musik integraler Bestandteil ist, stehen hier im Vordergrund. Wir stehen in kritischer Distanz zur kommerziellen Unterhaltungsindustrie, zur „Event-Gesellschaft“ und unser Anliegen ist es, auf individuelle Bedürfnisse einzugehen, das selber Tun und die Kreativität zu fördern, um nachhaltige Impulse für den „Wert Kultur“ zu geben. Das Österreichische Volksliedwerk mit seinen neun Länderorganisationen versteht sich als kompetente Anlaufstelle in allen Fragen zur Kultur der Regionen und damit auch als unverzichtbare Institution in Sachen Identität und Gesamtkultur Österreichs.

 Inhaltliche Umsetzung

Gaststätte mit musikalisch-kulturellem Raumkonzept als Prototyp für österreichische Wirtshauskultur bzw. zur Präsentation der Kultur aus den österreichischen Nachbarländern kreieren, ausstatten und promoten.

Akustische Bespielung der Räume

Angepasst an die Räumlichkeiten wird ein Konzept entwickelt, das zum bewussten Musikkonsum hinleitet. Um das aktive Konsumieren zu fördern, wird Musik mittels Musikspeisekarten nicht nur zu hören, sondern auch zu lesen sein. Für den Gast wird innerhalb der Raumstruktur die Möglichkeit bestehen, zu wählen, ob er sich der Musik aussetzen möchte oder nicht. (Musikfreie Zone) Für die Bar kann eine andere Musik gespielt werden als im Restaurantbereich. Für Sänger und Musikanten mit spontanen musikalischen Äußerungen gibt es immer Platz. Gezielte Musikveranstaltungen runden das Angebot ab.

Kulturelle Bespielung der Räume

Über den reinen akustischen Zweck hinaus, wird die Auswahl der Musik in einen kulturellen Rahmen gesetzt. Hier wäre es zu empfehlen, dass auch die Angebote aus Küche und Keller darauf abgestimmt werden. Regionalspezifisches/Länderspezifisches z.B.: Salzkammergutwochen od. Slowenisches; Themenspezifisch z.B. auf der Alm: Jodler und Almlieder; Feste und Bräuche im Jahreslauf z.B: Herbst: Musik zum und übers Jagen und Wildern; Feste und Bräuche im Lebenslauf wie z.B: Hochzeiten, Geburtstage… (kann als Zusatzarrangement von den Betreibern angeboten werden)

Musikalische Bespielung der Räume mittels Tonträgern

Auswahl von verschiedenen Musikprogrammen in Hinblick auf die rein akustische Nutzung der Räumlichkeiten; Entwicklung und Zusammenstellung von einigen kulturell-musikalischen Schwerpunkten; Musikalische Bespielung der Räume mittels Veranstaltungsprogramm; Über die einmalige Zusammenstellung eines Musikprogrammes auf Tonträgern fungieren die Volksliedwerke als Veranstalter. Bereits etablierte Projekte wie Musikantenstammtische oder Singen beim Wirt werden periodisch organisiert. Spezielle Veranstaltungen mit Musikgruppen und Sängern werden durchgeführt. Gegebenenfalls wird das Programm auf den kulturellen Schwerpunkt abgestimmt.

Mögliche Leistungen der Volksliedwerke

Musikalische Bespielung der Räume mittels Tonträgern
Zusammenstellung der akustischen und kulturellen Musikprogramme
Klärung der Verwertungs- und Nutzungsrechte
Einschulung des Personals
Vermittlungsstelle für Musikanten
Bewerbung der Gaststätte unter den Zielgruppen der Volksliedwerke
im speziellen im Zusammenhang mit dem Standort Operngasse in Wien
Übernahme des Veranstaltungsmanagement
inklusive Teilfinanzierung durch öffentliche Gelder
Mitnutzung der AKM Begünstigungen der Volksliedwerke

Dieser Teil  „Die Volksliedwerke mischen mit…“ wurde von Mag. Maria Walcher konzipiert. 


Projektbeschreibung zum Bemühen, dem Selektiven Hören zum Durchbruch zu verhelfen; Dem Konzept sind viele andere Initiativen vorangegangen (Weihnachtsliederfrei einkaufen) und gefolgt (Mitarbeit beim Konzept der Kulturhauptstadt Linz, 2009; 1111 steht nicht für eine Jahreszahl sondern ist das Zeichen für eine noch nicht ausformulierte Quellenangabe. Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.