Verehrte Infizierte und Zertifizierte!

Liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer am Jodelkurs in den Bergen!

Überstanden und überlebt, die Hauptstimme hinausgepustet und den Überschlag darübergestülpt, die Fäuste geballt, die Arschbacken angespannt und den Brustkorb aufgeplustert – so erlebte ich Euch aus dem Gegenüber als Euer Dompteur. Es war äußerst elefantös, pyramidonal und impoposant, jede Einzelne und jeden Einzelnen von Euch als Instrument zu behandeln und endlich andere Saiten aufzuziehen. Da und dort beobachtete ich Stirnfalten, die Ähnlichkeit mit gezogenen Notenzeilen aufwiesen, sowie auf und ab hüpfende Adams- und rollende Augenäpfel.

Aus dem Sumpf des vokalen Chaos

Das war alles kein Zufall, denn so hatten wir es geplant: Euch zu verführen, Euch die Jodlersilben einzuimpfen und Euch insgesamt wie Stradivaris zu behandeln und zum Klingen zu bringen. Schließlich sollte es für Euch ein himalayisches Vergnügen werden, dem vokalen Chaos neugeboren zu entschlüpfen, aus dem Sumpf des Tonbreis das wahre Harmonische heraus zu filtern, farblose Tonkörperchen gegeneinander zu reiben, sie zu reinigen, zu schälen und zu zentrifugieren, um schließlich in Lustbarkeit zu baden.

Vom Göttlichen zu den banalen Niederungen

Und dann habt Ihr freiwillig den Abstand zum Tatort Johnsbach vergrößert, habt sogar küssend Abschied genommen – vom schönsten Ende der Welt – um ins schnöde Alltägliche abzudriften, dem Alltagstrott zu frönen. Mein Gott, welch scheußlicher Abstieg vom Göttlichen in die Niederungen des gewöhnlichen Daseins. Fälschlicher Weise bezeichnen wir dieses Dasein in sozialversicherter Sicherheit als Wohlstand, von dem wir immer wieder allzu gerne Urlaub nehmen.

Pure Romantik: Regengüsse, Nebelfetzen und Kuhfladen

Nehmt das alles bitte auf das leichte Schulterblatt und tragt es mit Würde. Pflegt aber bitte auch die Erinnerung an einen außergewöhnlichen Samstag inmitten der Berge,  eingehüllt in selbst erzeugten Schallwellen. Habt Ehrfurcht vor den Regengüssen und Nebelfetzen, den extra für Euch platzierten Kuhfladen, dem Steirerkäse und den goldgelben Zirberln.

Und so verbleiben wir in Dankbarkeit Eurem Eifer und der Ausdauer, den vielen schönen Gesprächen und geschilderten Lebensläufen, den gemeinsam artikulierten Jodlersilben und Tongemälden gedenkend in aufrichtiger Verbundenheit…


Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Jodelkurse und Musikwochen werden im Nachhinein nicht nur Liedertexte und Noten zugesandt, sondern auch ein brieflicher Gruß als Resümee „nach getaner Tat“; Hier ein Brief nach einem Jodelkurs in Johnsbach im Gesäuse, 2019; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.