Das Etui aus feinem Lärchenholz

Es könnte sein, dass unser Lesepublikum das Ende dieser Zeilen als seltsam empfindet. Und dennoch stelle ich das folgende Gleichnis in den Raum:

Musikinstrumente sind dem Normalsterblichen zuerst einmal ein Rätsel. Um sie virtuos zum Klingen zu bringen, bedarf es der Disziplin und Ausdauer, schließlich aber auch der Kenntnis sensibler Nuancen. Dem Musiker selbst – und ich meine bis zur letzten Zeile auch die Musikerin – wird das Instrument ans Herz wachsen müssen, um eine Klangeinheit zu bilden. Ob aus Holz oder aus feinem Blech: Der Umgang mit dem Instrument ist einer, der früher oder später beinahe partnerschaftliche Formen annimmt und sich darin zeigt, dass die Musiker das gute Stück nie aus der Hand geben, es deshalb allzu gerne selbst schultern, es im Linienbus regelrecht umklammern und zu guter Letzt auch auf die Beschaffenheit des Etuis größten Wert legen.

Die tiefe Verbundenheit zum Instrument

Und da staunt der Laie, mit welcher Finesse so ein Etui ausgestattet ist, in Plüsch, Seide oder auch in feinstem Leder gehalten. Da hinein also wird das Instrument gebettet. Es darf keiner klirrenden Kälte und prallen Hitze ausgesetzt werden und es wird niemals per Post versendet oder der Gepäcksaufbewahrung überantwortet.

Viel lieber aber wird es direkt im Schlafzimmer des Instrumentalisten Platz finden, um vor der Nachtruhe noch einen allerletzten Blick auf das zweite Ich werfen zu können, denn zwischen dem Musikus und seinem Instrument herrscht ein stummer Dialog: „Du hast mich zu Höhenflügen inspiriert und deshalb ist Dir dieser Ehrenplatz vergönnt.“ Soviel also sei von der Beziehung des Menschen zu seinem Musikinstrument ausgeplaudert.

Jeder Mensch ist ein Instrument

Dass es sich beim Menschen ebenfalls um ein Instrument mit Korpus und Stimme handelt, daran sei hier erinnert. Der Mensch ist nämlich das Erstinstrument auf Erden gewesen, mit klangvoller Sprache und dem Kultus dienenden Gesang, ausgestattet mit feinen Sensoren für Poesie, Melodie, Rhythmus und Emotion. Erst später schuf er die Knochenflöte, die Trommel und ein vieltöniges Instrumentarium. Und deshalb ist jeder Mensch mit seiner unvergleichlichen Stimme und Singstimme ein Unikat auf Erden. Die Suche aber nach dem Unterschied zwischen dem Menschen und seinem Instrument, führte mich zur Erkenntnis:

Der Mensch erhält sein edles Etui erst ganz am Schluss seines Lebensweges. Es ist ein Etui aus feinem Lärchenholz, gehobelt, geschliffen und poliert – und es ist zugleich die letzte irdische Ehrerweisung.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 9/2019; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.

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