Jodeln und Singen

Warum also ist das Jodeln der ideale Einstieg in das Singen überhaupt

Schon die Jahreszeiten machen es schwierig immer das richtige Lied – nämlich passend zur Jahreszeit – auf den Lippen zu haben. Und: Jugendliche mögen die Texte von der zarten Liebe nicht – das ist für sie Gefühlsduselei und Kitsch. Und genau so wenig haben sie es mit den Wildschützen und Sennerinnen. Zu Recht verlangen Kinder und Jugendliche zu wissen und zu verstehen, was sie singen sollen…

Der ideale Einstieg für Unbedarfte: Über das Jodeln

Beim Jodeln aber erübrigt sich die Textkritik – es ist eigentlich ein Spiel der Töne, der Vokale und Klangfarben. Wenn man keinen Text lernen muss, konzentriert man sich ganz auf den zu erzeugenden Ton und dabei empfindet man sich selbst als Instrument. Singen sollte eigentlich so beginnen – im Spiel mit den Tönen und im Klangerlebnis mit den anderen Stimmen. Ein idealer Einstieg also für Unbedarfte wie es z.B. Kinder sind und auch für Leute die behaupten, sie haben noch nie gesungen, sie seien nämlich unmusikalisch.

Welche große Jodler-Sammlungen gibt es?

Die wohl bedeutendste ist jene des Volksliedforschers Dr. Josef Pommer, der zuerst 252 und später 444 Jodler in seinen Publikationen zusammen gefasst hat. Es gibt noch viele andere Sammler und Herausgeber, dennoch ist Pommers Arbeit auch heute noch eine ganz wichtige Quelle. Seine Absicht ist zwar nicht aufgegangen. Er hat ja die 444 Jodler in einem Kleinformat herausgebracht und meinte, die Bauernburschen würden das Büchlein immer dabei haben und jodeln. Das ging so nicht, denn damals war ja kaum jemand notenkundig. Und wer bitteschön greift in höchster Emotion zum Jodlerbuch anstatt zum Glaserl Wein und zur überlieferten Melodie? Das ist also total schief gegangen und dennoch ist Pommers Sammlung heute eine ganz wesentliche Hilfe. Da gibt es noch viel zu entdecken und zu lernen. Ist es aber nicht herrlich, dass sich die meisten dieser Jodler dennoch bis heute mündlich überliefert haben und sich das Buch für den Praktiker erübrigt?

Warum verzeichnet Österreich seit etwa 1990 eine regelrechte Renaissance des Jodelns

Das Jodeln hatte seinen Stellenwert in den Nachkriegschören – allerdings gesungen und nicht gejodelt und ebenso in wenigen kleinen Gruppen, die mit den Jodlern bekannt geworden sind. Rundfunksendungen trugen damals sehr dazu bei, dass Jodlergruppen überregional gehört wurden. Lange Zeit galt deshalb der Jodler als Heiligtum und es war weit verbreitete Meinung, dass man das Jodeln im Blut haben müsse. Dass es nur wenige Menschen gäbe, die des Jodelns mächtig wären. Heimatabende und Rundfunksendungen trugen auch zu dieser Meinung bei und die damit erzeugte Exklusivität hatte auch negative Seiten: Sie war Hemmschuh, es selber zu probieren, man begnügte sich mit dem Zuhören. Das Jodeln wurde also nur wenigen zugetraut und es war besser, die Finger davon zu lassen.

Wann begann also der Trend zum Jodeln?

Vielleicht gibt es mehrere zeitgleiche Aufbrüche in den Siebzigerjahren. Ich kann nur meine Erfahrung einbringen, da wir schon damals bei Musikwochen den Wert des Jodelns erkannt haben und begonnen haben, die Jodler nicht zum Chorwerk auszubauen. Wir haben es einfach allen zugetraut, jeweils eine Stimme wirklich zu jodeln und nicht zu singen und später auch die Über- und Unterstimme zu lernen. Die vokale Kommunikation zwischen zwei und drei jungen Leuten war eine Faszination und entfachte eine neue Begeisterung. Das war dann auch die Geburtsstunde der Jodelkurse für alle. Weg vom Suhlen im Klang aller Beteiligten und hin zum klingenden Diskurs der Einzelstimmen. Was ja insgesamt ein Mehr an Emotion, Geduld, Übung und Mut abverlangt. Wir haben das Jodeln allen zugetraut und haben auf musikalische Vorkenntnisse keinen Wert gelegt.

Der Name wird in die Geschichte eingehen: Franz Zöhrer

Die beginnende Renaissance des Jodelns in der Steiermark mit Siegeszug im ganzen Alpenland verdanken wir dem Bergbauernsohn Franz Zöhrer. Es war ein Zufall dass sein Können (etwa 60 Jodler und 300 Lieder mit allen Stimmen und Strophen) und meine organisatorischen Möglichkeiten im Amt der Steiermärkischen Landesregierung eine Einheit bildeten. Franz Zöhrer war ein Naturtalent in allen Belangen, nämlich auch im Unterrichten. Ohne ihn wäre ich selbst nicht dem Jodeln so verfallen. Der Franz begleitete mich über 22 Jahre zu allen Musikwochen und zu meinen Lehraufträgen an den Musikuniversitäten. Wir sind ihm zu Dank verpflichtet, denn er war der zündende Funken zu einer neuen Freude am Jodeln. Die JodlerApp ist eigentlich sein Meisterstück.

Die Jodler App: In der Steiermark als Schnapsidee geboren und in der Schweiz entwickelt.

Naja, da ich das Jodeln noch beim Wandern und Einkehren erlebe – und lebendig erlebe, also ohne Bühnenauftritt, passt die Erfindung einer JodlerApp gar nicht zu mir. Was mich tatsächlich fasziniert ist, dass wir mit der JodlerApp eine Klientel erreichen – und zwar eine junge Klientel – die sonst mit dieser vokalen Tradition niemals in Berührung gekommen wäre. Und ehrlich hinzugefügt: Ich wollte auch der Erste sein, der so etwas umsetzt und ich fand in Andreas Garzotto aus der Schweiz den Musiker und Fachmann, auf den ich mich verlassen konnte.

Kurz und gut: Der Jodler selbst braucht keine App und der Jodler muss auch nicht gerettet werden. Gerettet werden muss der Mensch, der eine solche vokale Besonderheit vielleicht unbeachtet links liegen lassen würde, der vielleicht nie anfangen würde zu singen und zu klingen. Welche Vergeudung dessen, was wir alle mitgegeben bekommen haben: Nämlich, die Fähigkeit zu singen…


Auskunft auf die Frage einer Journalistin „Warum also ist das Jodeln der ideale Einstieg in das Singen überhaupt“, 2017; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.