Liebe Freundinnen und Freunde, die wir in den letzten Jahren zusammengewachsen sind und viele gemeinsame Stunden verbracht haben.
Wir feiern Weihnachten und es ist die Zeit, um miteinander Rückschau zu halten. Es ist nicht die Zeit, um einen Tätigkeitsbericht vorzulegen – dieser bleibt der nächsten Jahreshauptversammlung vorbehalten. Dafür aber lassen wir die Bilder sprechen, jene von unseren schönen Bergfahrten des vergangenen Jahres.
Dank an alle Tourenführerinnen und Tourenführer
Und mit dem Bild- und Filmbericht verbinden wir beide (Gustav Bursch und Hermann Härtel) den Dank an alle Tourenführerinnen und Tourenführer, an jene Mitarbeiter, die sich um die Grazerhütte und die Notunterkunft bemüht haben und an den gesamten Vorstand. Also kein Jahresbericht des Obmannes – und dennoch bedarf es aus Anlass des Weihnachtsfestes ein paar der ausgesuchten Worte.
Ich bitte um Eure Aufmerksamkeit, weil wir mit unserer Freude am Wandern und Bergsteigen eine tiefe Verbindung eingegangen sind. Und deshalb sind Gedanken zur Zeit und zur gegenwärtigen Lage Österreichs etwas, was uns alle betrifft! Machen wir uns nichts vor: Bei aller Zuversicht, die wir Gipfelstürmer im Blut haben, macht sich eine Verunsicherung breit – wegen der herbstlichen Flüchtlingswelle die ja noch lange nicht ausgestanden ist. Die Weltbevölkerung ist in Bewegung gekommen. Ja, dass es sich um eine gesamteuropäische und österreichische Krise handelt, ist offensichtlich. Und es ist eine, die zwei Extrempositionen auf den Plan gerufen hat.
Schlüssige und unschlüssige zugleich…
Hier Phantasten, die meinen, dass wir ziellos helfen sollten, ohne Obergrenze und gerne bis zur Selbstaufgabe unseres Lebensgefühls und unserer freisinnigen Prinzipien. Und auf der anderen Seite auch Phantasten die meinen, das Elend auf der Welt ginge uns nichts an. Wir sind unverschuldet zu den Herbergssuchenden gekommen. Insgesamt aber wissen wir längst, dass die Weltkugel kleiner geworden ist und uns die kriegerischen Erdbeben leichter erschüttern können, als wir bislang glaubten.
Und leider finden wir zwischen den zwei extremen Positionen keine klare politische Positionierung der Regierenden und diese verunsichert uns alle zutiefst. Und das führt zu einer sehr gefährlichen Polarisierung quer durch alle Parteien und Gesellschaftsschichten bis hinein in unsere Gemeinschaften und Familien. Es führt auch zu verbalen Barrikaden, denn allzu leicht werden Zuteilungen getroffen: Schnell wird aus sorgenvoller Ablehnung Hass, aus ehrlichen Bedenken Angst, aus human handelnden Personen Gutmenschen, aus Protestierenden Chaoten…
Ermunterung ist angesagt
Das ist – so meine ich – gefährlich und deshalb nehme ich mir hier und heute heraus, Euch in einer wesentlichen Sache zu ermuntern: Diese Zeit wird nur zu meistern sein, wenn wir dort zugreifen, wo wir helfen können, jeder an seiner Stelle und das mit Überzeugung. Wenn wir unabhängig von Ursache und Schuld, den vielen Helfern an den Grenzen dankbar sind, weil sie selbstlos humanitäre Hilfe leisten. Die sind nämlich auch von den Regierenden enttäuscht.
Wir werden diese Krise meistern, wenn wir uns nicht genieren dafür, weil wir dem Neuen und den noch ungewissen Entwicklungen ratlos gegenüber stehen. Und wenn wir uns für den Wohlstand, den wir uns selbst erarbeitet haben, nicht schuldig fühlen. Ohne Wohlstand werden wir diese Krise nicht bewältigen können. Und eben so einen Wohlstand ersehnen die neu zu uns kommenden Flüchtlinge.
Stabilität als einzige Chance
Diese Zeit wird nur zu meistern sein, wenn wir kein schlechtes Gewissen aufkommen lassen, weil wir nicht an vorderster Front helfen. Denn, Euer guter Gemeinschaftssinn ist in diesen Zeiten gefragt, wegen der innerösterreichischen Stabilität. Chaos haben die Flüchtenden schon hinter sich, stabile Verhältnisse sind in dieser Lage die einzige Chance – für uns und für jene die Frieden und eine neue Zukunft suchen.
Diese Zeit meistern wir auch, wenn wir auf unsere freie Rede beharren, unser Stammtisch-Geplauder nicht brandmarken lassen. Es steht uns zu, unsere Gefühle zu äußern, das Für und Wider abzuwägen. Eine Abkehr von freier Meinungsäußerung dürfen wir nicht einreisen lassen, es wäre ein Zurück in finstere Zeiten.
Offenheit und Respekt: Die Tugenden der Bergsteiger
Ich glaube fest daran, dass wir diese Zeit meistern werden und ich bitte auch um Eure Zuversicht. Das dürfte Euch nicht allzu schwer fallen, so wie Ihr den Weg auf die Berge in Angriff nehmt, mit Elan und Ausdauer. Wie Ihr den Schönheiten der Natur begegnet mit Offenheit und Respekt. Wie Ihr Euch nach der Markierung wendet, die so oft – und das passt zu unserer gegenwärtigen Sorge – die so oft österreichisch – also ROT WEISS ROT den Weg vorgibt.
Ich danke Euch für die Aufmerksamkeit und schließe mit meinen Weihnachtswünschen: Es möge unsere Gemeinschaft weiter wachsen und gedeihen. Es möge uns gelingen, im kommenden Jahr unfallfreie und erlebnisreiche Bergtouren zu unternehmen.
Wortmeldung anlässlich der Weihnachtsfeier der Ortsgruppe Übelbachtal des ÖAV, 2015; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.