Der göttliche Stallgeruch

Das wäre eine schöne Bescherung, wenn unsere Weihnachtskrippe zum Leben erwachen, wenn die vielen Figuren sich plötzlich bewegen würden. Nein, nicht als mechanische Krippe wie wir sie aus Mariazell kennen, sondern mit leibhaftigen Menschen und Tieren…

Der Ochse nascht gerade ein Maul voll Heu aus der Krippe und der Esel wackelt ob einer solchen Respektlosigkeit mit den Ohren.

Dem Kindl das Heu unterm Kreuz wegziehen

…das kann ja auch nur einem Ochsen einfallen. Maria aber ruft auf ihrem IPhone gerade die neuesten Nachrichten ab, denn Sie ist in großer Sorge ob der bösen Absichten des König Herodes. Josefs gewohnter Platz – neben seiner Maria – ist ob der fragwürdigen Vaterschaft längst in Frage gestellt, deshalb macht er sich nützlich und befestigt ein paar Bretter zum Schutze vor dem Wind. Der gelernte Zimmermann hantiert dabei mit Wasserwaage und Akkuschrauber. Der Erzengel Gabriel aber schwebt über dem Dachfirst. Er und seine güldnen Flügel erinnern an das Göttliche im menschlichen Umfeld. Und just in dieses Bild einer zur Legende gewordenen Notunterkunft, treffen nun die Hirten ein. Sie haben die in unseren Liedern genannten Gaben dabei, das Loaberl Kas und Butter und auch ein weiches Schaffell fürs Kindl. Die Taschenlampen haben sie längst weggesteckt, denn der Komet zeigt ihnen den rechten Weg.

Und nun knien sie vor dem göttlichen Kinde

Insgesamt aber ist diese Wandlung ins echte Leben ernüchternd, denn es stinkt hier zum Himmel. Das ist nicht verwunderlich, denn der Ochs, der Esel und die vielen Schafe sind für den strengen Stallgeruch verantwortlich. Die Windl vom Kindl fallen da gar nicht mehr ins Gewicht. In diesem Augenblick aber treffen die drei Heiligen Könige ein, die ob ihres hohen Standes kaum ins Bild passen – mit ihrem Glanz und Schimmer. Einzig das Dromedar erweist dem bäuerlichen Milieu die Ehre und lässt vor dem Stall ein Häufchen fallen. Dann knien sie sich nieder, die drei hohen Herren, ehrfürchtig vom Bild des Heilands eingenommen und dabei den stechenden Stallgeruch in der höfischen Nase. Nicht umsonst aber werden sie die Weisen aus dem Morgenland genannt, denn sie haben den Weihrauch mitgebracht, der nun eine sanfte Decke des Wohlgeruches über den biblischen Ort legt.

Ein erlösendes Aufatmen macht sich bemerkbar

…und droben neben dem Sternenschweif erscheinen nun die Engel mit ihren Fanfaren. Die Harfenistinnen greifen in die Saiten und alle spielen dem angekommenen Kind und damit dem Christentum die Ouvertüre. Ganz rechts im Stadl, gleich neben dem Esel aber, da haben sich einige Bürgerinnen und Bürger aus dem Übelbachtal versammelt, die treu dem Motto „Kommt, wir gehn nach Bethlehem“ den langen Weg nicht gescheut haben. Und nun ist es still geworden im nächtlichen Stall, während Frau Trude Vaculik* einen einsamen Ton aus ihrer Stimmpfeife lockt und den Männern und Frauen den Einsatz zum Andachtsjodler gibt. Der „Djo djo i ri“ steigert sich nunmehr zu einem dreistimmigen Frohlocken und Josef neigt sich zu seiner Maria und meint ihr erklären zu müssen: „Das ist das Steirische Halleluja“.

*Langjährige und verdienstvolle Chorleiterin


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 11/ 2014; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.