Am Anfang war das Wort – dann kam vermutlich das Jodeln…

Dem Jodeln haftet zu allererst etwas Archaisches an. Ganz weit zurück in ferner Vergangenheit sehen wir älplerische Eingeborene und hören sie in kunstvollen Gegenstimmen miteinander plaudern.

Zugleich aber kennen wir das Jodeln als Metapher für den Heimatbegriff, wenn nicht gerade das Edelweiß dafür herhalten muss. Zu sehr haben sich die plakativen Überzeichnungen der Schunkelfilme und auf Schallplattenhüllen in uns eingeprägt: Bizarre Bergspitzen, blitzblauer Enzian, vom Wind zersauste Almhütten und eben die Sennerin, deren Botschaft nicht den herabgekommenen Bauernstand und Klimawandel betrifft sondern mit Bravour doppelzüngig das Credo vom ewigen Sein turtelt: Holla radi rido holla rettiti net…

Das Jodeln dem Mythos entreißen…

Aus diesen Gründen eben wird die Kunst des Jodelns da und dort strikt abgelehnt oder aber bewundernd einer außergewöhnlichen Begabung zugeschrieben, mit einem Hauch Geheimnis mystifiziert, was wiederum einen respektvollen Abstand  entstehen lässt, der das Aussterben schon in sich birgt. Darin aber liegt wiederum auch der Keim versteckt, der den Wunsch nach dem Selberjodeln wach küsst. Der Weg, das Jodeln für sich und andere zu entdecken, es gleichsam zu entzaubern um es dem Mythos zu entreißen, ist von ungezählten Versuchen gepflastert, dem Jodeln auch wissenschaftlich beizukommen und Methoden zu erfinden, um der bislang schon etwas unverlässlichen und trägen Überlieferung eine Unterstützung angedeihen zu lassen.

Dem Jodeln auf der Spur

Manche dieser Versuche sind uns kaum bekannt, einige haben Geschichte geschrieben, wie etwa Josef Pommers Sammlung und Herausgabe zuerst von 252 (1) später von 444 Jodlern (2) in handlichem Format, um die Mitnahme des Büchleins und das Singen daraus zu ermöglichen. Das war ein Trugschluss, alle blicken beim Jodeln in die Augen des Gegenübers, aber nicht in ein Notenbuch. Pommers Sammlung ist dennoch ein bedeutendes, wissenschaftliches sowie quellenkundliches Nachschlagewerk. Im Bewusstsein einer außergewöhnlichen Spezies der Musikkultur auf der Spur zu sein, folgten ungezählte Jodlersammlungen namhafter Autoren (3). Sie aber alle zu nennen, würde den Rahmen eines informativen Begleittextes sprengen und würde ein Phänomen in den Schatten stellen, welches uns im Zusammenhang mit dem Jodeln eigentlich faszinieren muss: Die allerwichtigste Träger des Jodelns waren in der Vergangenheit nicht die Sammler und die herausgebenden Verlage, sondern die Menschen selbst, in denen das Klingen und Singen nie verstummt ist. „Mündliche Überlieferung“ nennen die Fachleute diesen Vorgang lapidar, sie meinen damit aber nicht nur die Weitergabe von Melodie und Text. Es ist ein Vorgang, der eben nicht mit nummerierten Dokumenten, sondern mit dicht beschriebenen Erinnerungen zu tun hat. Mündliche Überlieferung, das sind eben auch gestochen scharfe Bilder in uns – von Menschen nämlich, die uns in den schönsten Stunden unseres Lebens wahrhaftig begegnet sind.

Jodeln in aller Munde und im www

Wer meint, man müsse das Jodeln dem Vergessen und Untergang entreißen, dem sei ein Blick ins World Wide Web (kurz www) empfohlen. Siehe da: Das Jodeln ist und bleibt ein großes Thema, seien es nun weltweit angebotene Jodelkurse oder gar als Download zum Selbststudium. Nicht weniger Respekt verdienen zahlreiche Verlagswerke wie etwa die „Alpenländische Jodelschule“ von Gustl Thoma und Ludwig Merkle, welche unter dem Titel „Die Kunst des Jodelns“ 1977 im Heimeran Verlag zu München erschienen ist. Neben dem ernsten Bemühen um das Jodeln sei auch die heitere Ernsthaftigkeit erwähnt, mit der zahlreiche Sprachspiele und Witze in Umlauf sind, denen einzelne sinnentführte Jodelsilben zugrunde liegen. Herausragend ist dabei die wohl berühmteste aller humoristischen Beiträge zum Jodeln, Loriots Jodelschule. Der 1923 in Brandenburg an der Havel geborene Bernhard Victor Christoph-Carl von Bülow, alias Loriot hat mit seiner „Jodelschule“ eine kabarettistische Glanzleistung hingelegt und damit Weltliteratur geschrieben.

Jodeln: Zwischen Zuneigung und Ablehnung

Nicht für alle Menschen ist das Jodeln positiv besetzt. Einerseits hat dies damit zu tun, dass sich das Jodeln oftmals zu fortgeschrittener Stunde und entsprechender Stimmung abspielt. Das mag zu einem verschwommenen Bild beitragen, und manche strenge Vorstellung von Musikästhetik und auch Lebenshaltung durchkreuzen. Gleich verhält es sich mit der Inszenierung des Jodelns als Wettbewerb und in den Kanälen vieler Sendeanstalten, denen die Überzeichnung zum Prinzip geworden ist. Was soll `s? Dem gegenüber steht ein ununterbrochener und Varianten gebärender Überlieferungsprozess, der uns staunen lässt. Ebenso verhält es sich mit der besonderen Zuneigung vieler unserer Landsleute, wenn es um ihre eigene jodelnde Musiktradition geht und da meine ich vor allem die Jugend. Zuguterletzt: Dem Jodler als musikalisches Phänomen wird auch von unseren Musikuniversitäten durch Forschungsarbeiten entsprechend Rechnung getragen und ebenso als Vokalpraktikum angeboten. Jodeln vermittelt also ein besonderer Zugang zur eigenen Musikalität und Körperlichkeit. Ja, das Spiel mit den eigenen Tönen, das Erzeugen von Klängen „aus dem Bauch heraus“ ist ein weltweites Phänomen, welches an die Musikalität als menschliche Grundausstattung erinnert.

Warum also jodeln?

Mag sein, dass es um die Weitergabe von Melodien geht und das Verklingen mancher Melodien einen Verlust bedeuten würde. Vielmehr muss es uns aber um die positive Wirkung der Klangerzeugung in uns gehen, um das freie Zusammenspiel der Kräfte, um die Kreativität, die neue Varianten ermöglicht und sie wieder der Überlieferung zuspielt. Hier trifft sich die Nachahmung mit dem Schöpferischen.

Jodeln wirft übrigens die gesamt Debatte um die Rettung des Volksliedes über den Haufen. Nicht die Jodler, nein, wir sollten uns selbst in Sicherheit bringen. Wir selbst sind es, die die angeborenen musischen Fähigkeiten vernachlässigen, anstatt sie ins Spiel zu bringen. Musikalische Runderneuerung: Das wäre eine große Rückrufaktion, um uns ein schönes Stück Lebensqualität zu sichern. Im Jodeln liegt die Chance für den Einstieg in jede Musik, im Jodeln liegt die ganze Kraft des Artikulierens, ohne von textlichen Inhalten abgelenkt zu sein, sind Befindlichkeiten umso markanter hör- und sichtbar. Wer jodelt, sagt alles und zugleich nichts, er jubiliert in Höhen und Tiefen als ob es sich um eine ganz persönliches Geständnis handeln würde. Jodeln kann Jede und Jeder und damit sind die Jodelprinzessinnen entzaubert und auch jene, die meinen, man müsse das Jodeln unbedingt im Blut haben.

Zur CD: Wir lernen jodeln

Dass über 25 Jahre lang das Interesse an unseren Jodelkursen nie nachgelassen hat, zeugt von einem großen Nachholbedarf. In dieser Zeit entwickelten sich verschiedene Methoden, um dieser Nachfrage gerecht zu werden. Die Idee aber, das Jodeln durch eine Nachsinge-CD zu unterstützen, stammt von Hans Martschin aus Greith bei Mariazell, der sie als erster mit seiner Familie verwirklichen konnte. Seine Jodel-Lern-CD mit den schönsten Jodlern aus dem Mariazellerland ist über die Adresse martschin@a1.net erhältlich.

Auf den musikalische Aufguss nicht verzichten

Die vor Dir liegende kleine Jodelschule, stützt sich auf ein regional und sehr persönlich gefärbtes Repertoire. Sie weckt die Freude am Jodeln und macht es möglich, den seltenen Übungsgelegenheiten auf der Alm und im Wirtshaus ein Schnippchen zu schlagen, mittels CD zu üben um den nächsten Einstieg in froher Runde nicht zu versäumen.

Unersetzbar sind sie aber doch, die Sternstunden mit musikalischem Aufguss, die uns Tag und Nacht vergessen lassen. Wir sollten uns auf diese Singgelegenheiten gut vorbereiten. Die Entdeckung der eigenen Stimme ist für viele Menschen der erste Schritt zu einer neuen Unterhaltungskultur.

Anmerkungen:

(1) 252 Jodler und Juchezer, Wien 1892
(2) 444 Jodler und Juchezer aus Steiermark und dem ostmärkischen Alpengebiet, Wien 1902
(3) Weiterführende Literatur:

Evelyn Fink-Mennel: Johlar und Juz. Registerwechselnder Gesang im Bregenzerwald (mit Tonbeispielen 1937- 1997) (Schriften der Vorarlberger Landesbibliothek 16), Graz – Feldkirch 2007
Luchner- Löscher, Claudia: Der Jodler. Wesen, Entstehung, Verbreitung und Gestalt. München- Salzburg 1982


Beitrag in „Wir lernen jodeln“ Hausübung I, 2010; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.