ProImpuls – die neue Chance

Ausbildung von Menschen die anderen Menschen helfen sich selber zu unterhalten.

Da sind also zwei Institute – Volksliedwerk und LFI – am Werk, die sich einbilden, Sie ab sofort für ein besonderes Segment des Kulturbedarfes ausbilden zu müssen, nunmehr eine Bildungsschiene legen, die bislang nicht gelegt war.

Und da gibt es das politische Büro, -Volkskultur gehört derzeit zu Landeshauptmann-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer, – welches dazu nicht nur den Sanctus, sondern auch das Geld gibt. Dies zum einen Teil, den anderen bestreiten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selber.

Damit bin ich bei Ihnen und ich meine, Sie sind hier der wichtigste Teil des Unternehmens. Sie zeigen Bereitschaft, ein gemeinsames Ziel anzustreben, mit uns zusammen ein neues Berufsbild zu entwickeln, um künftig in einem sehr sensiblen Bereich des Kulturlebens tätig zu sein. Welcher Bereich ist das also, warum ist er sensibel und warum meinen wir, hier einen bildungspolitischen Akzent setzen zu müssen? Da meine Vorrednerinnen und Vorredner die beiden Institute vorgestellt und alle organisatorischen Belange behandelt haben, erlaube ich mir, Ihnen jene Leitgedanken mitzugeben die bei unserem und Ihrem Handeln von Bedeutung sind.

Der Mensch als Wunderwerk

Der Mensch ist – mit all seinen Fähigkeiten – ein Wunderwerk. Er nützt sie seit jeher um sich das Leben leichter zu machen. Er erfindet gerne Dinge, die ihn an der Oberfläche rascher durch das Zeitgefüge führen, die ihn möglichst entlasten oder gar ersetzen. Vieles macht heute nicht mehr der Muskel- sondern, weil wir vorher den Kopf um Lösungen bemühen – der Knopfdruck. Wir spezialisieren uns also darauf, Möglichkeiten zu erfinden um unsere Fähigkeiten zurückhalten zu können, um zu delegieren. Der Mensch lässt sich aus dem Spiel, er hält sich den Rücken frei um genügend Zeit zu finden, um andere Fähigkeiten zu erleben, die er vielleicht auch selber könnte. Er organisiert also zurückgelehnt sein Spiegelbild. So schaukelt er sich also an allen Untiefen vorbei, und erwartet, dass sich andere um seine emotionale Seite kümmern.

Ist dies ein Klagelied über verlorene Qualitäten?

Dies ist kein Klagelied über verlorene Gemütlichkeit und frühere Qualitäten von Unterhaltungswert, denn dann würde ja auch ein anderes Hohelied ebenso fällig sein.

Eines, über die gewonnene Fülle an medialer Unterhaltung und Information, über die damit verbundene Eroberung der kleiner gewordenen großen Welt. Aber: In Anbetracht des freien Marktes im Bereich der Unterhaltungsmedien und der Kulturangebote einerseits und der gleichzeitig bemerkbaren tiefen Sehnsucht nach eigenem Handanlegen, hausgemachter Unterhaltung und emotionaler Begegnungen im eigenen Umfeld andererseits, ist ProImpuls also eine sehr notwendige Initiative.

ProImpuls ist: Sich nicht auf wenige Wunderwuzzis zu verlassen, sondern nach Menschen zu suchen, die bereit sind, andere aus der Reserve zu locken, ihre Talente ans Tageslicht zu holen. Da bedarf es Spezialistinnen und Spezialisten, die mit jeder Altersgruppe und bei jedem Anlass die selbstgemachte Unterhaltung ins Rollen bringen können. Mehrere Jahre schon haben wir von dieser Initiative geträumt und sie im Kopf geplant – jetzt ist es so weit. Wir glaube, dass die Zeit nun reif ist und dass es letztlich dieser ausgesuchten Runde gelingen wird, das angestrebte Berufsbild zu erreichen und fortan mit zu entwickeln. „Mit zu entwickeln“ – das erscheint uns besonders wichtig, weil es sich um ein Pilotprojekt handelt. Letztlich könnte durch Sie eine längst notwendige Reform des Begriffs „Unterhaltung“ gelingen.

Wir spüren allerorts den Bedarf an solchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und wir haben denkbar schlechte Erfahrungen mit dem ewigen Zurückgreifen auf die Wunderwuzzis. Warum? Die Kulturarbeit leidet an deren Exklusivität, Legenden stehen neuen Wunderwuzzis nämlich im Weg. Die Geschichten von der Überbegabung Einzelner und der nicht Ersetzbarkeit Weniger, ebenso jene, von der Unwiederbringlichkeit erlebter Stunden erscheinen mir so sinnlos wie eine Sackgasse in die Zukunft.

Feste mit höherem Anspruch sind gefragt

Schauen Sie sich um, wir sind umlagert von Festen und Feiern, die sich heute etwas unnatürlich aus dem Rahmen legen. Mit „Rahmen“ meine ich die einst maßvolle Einteilung in Jahreszeiten, in familiäre und kirchliche Feste. Dem Aufsteirern folgen nunmehr das Schrattln und das Maisen, das Obstln und das Krautln. Das klingt nun wie eine Belustigung. Ich meine aber, dass Häufigkeit und Inhalte mitbestimmen, ob unsere Feste noch den höchsten Anspruch erfüllen und der lautet: Wir wollen uns unterhalten – nicht nur unterhalten werden. Die kommerzielle Seite soll ihren Anteil haben, Kultur ist es aber, wenn wir aus der Arbeitswelt heraus den Boden betreten können, der durch soziale Bindungen und Rituale in der Gemeinschaft Sinn macht. Ein Boden aus Edelholz eben, auf dem unsere Fähigkeiten zum Ausdruck und Ausbruch kommen.

Die Renaissance der Traditionen

Im Diskurs um EU-Förderungen wird der Innovation und Weiterentwicklung sicherlich die größte Beachtung geschenkt. Das verwundert nicht, da wir uns ja in einer Zeit der neuen Möglichkeiten, der Öffnungen und Vergrößerung des Handlungsspielraumes befinden. Umso erstaunlicher ist es also, dass uns das Europa der Regionen eine Renaissance der Traditionen unseres Landes beschert hat. Dabei spielt das Wort Identität eine große Rolle, aber was ist damit wohl gemeint?

Wer die eigenen Fertigkeiten, die Stärken der Region und die Unikatwirkung seiner Umgebung nicht kennt, der wird stets das Andere suchen, wo anders investieren, sich wo anders niederlassen. Kultur ist es also auch, sich selber und die Einmaligkeit seines Lebensraumes zu entdecken. Das erklärt auch, warum ProImpuls seinen Schwerpunkt in der Vermittlung von Traditionen setzt. Bei aller Hinwendung zum Eigenen, steht aber nicht das Festschreiben und Erhalten im Vordergrund, sondern das Teilhaben, Mitklingen, Mittragen und neu Erfinden. Vieles darf dabei neu entdeckt werden oder gar unter anderem Vorzeichen weiterleben. Selbst die Verabschiedung von so mancher Tradition muss als Teil dieses Prozesses mitgedacht werden. Die vordergründige „Von Gestern-Abneigung“ ist ebenso keine Lösung wie das Überbordwerfen. Fest steht nämlich, dass der Bereich der traditionellen Kulturäußerungen – trotz seiner vordergründigen Beharrung und seiner vorschnell formulierten Rückständigkeit – ein sehr innovativer ist.

Von der innovativen Rückständigkeit

Gibt es also die innovative Rückständigkeit? Ja, Innovationen sind im Zeitgefüge zu sehen. Brauchtum und Tradition verändern die Menschen im Rhythmus von zwei bis drei Lebensspannen. Ihr Auftrag ist es, jede Ihrer Handlungen, jeden Inhalt Ihres Tuns innerhalb dieser Dynamik zu sehen. Und, bitte vergessen Sie nicht den hohen Auftrag mit uns zusammen an einem neuen Berufsbild zu arbeiten.

„Kultur ist selber singen“, meinte der Publizist DDr. Günther Nenning und ich meine, dass er uns mit diesem Satz – in Anbetracht der hochtechnisierten „Hifi-Welt der Musik“ – einen lästigen Floh ins Ohr gesetzt hat. Er soll uns ständig daran erinnern, dass wir selber – jede und jeder Einzelne von uns – Kulturträger sind und wir durchaus auch unsere kleinen Festspiele haben dürfen. Ich danke für Ihr Interesse und Ihre Bereitschaft mit uns diesen Weg zu gehen!


Eröffnungsrede zum Lehrgang ProImpuls 2006-2007, Raiffeisenhof Graz, 11/2006
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