Lieder und Jodler von Tyrnau bis Passail

Herr Bürgermeister, sing wås….!

Das beeindruckt uns immer wieder aufs Neue: Welche Landschaft wir nach Liedern und Jodlern durchforsten, die Ausbeute ist jedes Mal reichhaltig. Dabei geht es nicht um verklungene Relikte, sondern um Lieder, die heute gesungen werden. Zu bemerken ist auch, dass sich die Lieder heute wieder einer höheren Wertschätzung erfreuen, sie haben unzweifelhaft einen enormen Stellenwert.

Zentrum der Geselligkeit ist der Schiederwirt

Richtig! Im heute so lautstarken Musik- und Eventzirkus mag diese deutliche Hinwendung zur Tradition nur einen bescheidenen Teil ausmachen. Das wäre aber auch schon wieder typisch für diese Kultur: Sie gedeiht und lebt nämlich in kleinen Gemeinschaften und hat in vielfachen Varianten ihre eigentliche Blüte.

Das Gemeindehaus und der Schiederwirt in der Tyrnau bei Frohnleiten, die liegen keine 100 Schritte voneinander entfernt. Den Norbert Christandl wird man eher beim Schiederwirt antreffen. Christandl ist nämlich der Bürgermeister der Gemeinde und ein richtiger Bürgervertreter ist „auf der Achs(e)“ wie er sagt. Seine Gemeinde zählt 43 Haushalte mit 152 Einwohnern und die Ortschaft hat ein Ausmaß von 2000 Hektar, davon sind 7/8 Wald. Christandl ist hier seit 20 Jahren Bürgermeister. Das erzählt er mir alles, während wir den Weg zur Tyrnauer Alm nehmen, um seine Gemeinde von ganz oben zu überblicken.

Eine seltene Spezis: Der singende Bürgermeister

Da also lebt ein sangesfreudiges Völkchen, es gibt Singrunden (Stoankoglhütte) und Musikstammtische (Gasthof Haider-Harrer), hier lebt auch der Hackbretterbauer Konrad Schlegl und nicht zuletzt ist die Tyrnauer Alm ein beliebtes Ausflugsziel, weil der Wirt dort selber zum Instrument greift.

Bürgermeister Christandl ist aber auch ein ganz besonderer: Er spielt und singt selbst nach der alten Weise, nämlich so, wie er es von den älteren Leuten gehört hat, nämlich ohne Effekthascherei. Der lebenslustige 70er ist bei vielen geselligen Anlässen dabei, schöpft aus einem Lebensrepertoire und kann sich auch auf Gemeindebürger berufen, die ebenso viele Lieder im Kopf haben, oder gar als Liedersammler gelten, wie der schon erwähnte Konrad Schlegl.

Diese kleine Sammlung lässt nur erahnen, welch reicher Schatz an Melodien und Texten in dieser schönen Gegend noch zu finden ist. Nur ein Auszug soll es sein, um eine liebenswerte Landschaft vorzustellen und andere an der Sangesfreude teilhaben zu lassen.

Ein Blick zurück zu Viktor Zacks Feldforschungen

Manche Lieder und Gedichte stammen aus der Feder von Norbert Christandl (Schüsserlbrunn-Lied, Heimat Fladnitz, Das Hirscherljågn…) andere wurden von Christandl und Schlegl vorgeschlagen, weil sie in dieser Region so beliebt sind ( Passail-Lied, Der Dampf, Da Rauchegger-Jodler…) und weitere sind aus dem Fundus des Steirischen Volksliedarchivs (Bärnschütz Jodler), wobei wir die köstliche Anmerkung von Viktor Zack zur Problematik von Feldforschung nicht vorenthalten wollen.

Dieses Liederblatt soll auch anderen kleinen Gemeinden oder Gemeinschaften Anregung sein, ihre regionalen Besonderheiten zu sammeln und in Erinnerung zu rufen. Dem Bürgermeister Christandl sei gedankt für sein gutes Beispiel. Der sangesfreudige Mann hatte 18 Geschwister, von denen heute noch 14 am Leben sind. Er selbst hat 7 Kinder aufgezogen, da können wir davon ausgehen, dass seine schönen Lieder in guten Händen sind und eine wundersame Vermehrung erfahren.


Vorwort zum gleichnamigen Liederblatt 7. Jahrgang, Blatt 1/2003; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.