Der Mensch, seine Musik und ……die Schule

Das Problem der Vermittlung von Volksmusik

Ich bin beauftragt worden, Ihnen meine Erfahrungen zum Thema „Schule und Volksmusik“ mitzuteilen. Das mache ich gerne, werde aber auch einen Einblick in meinen beruflichen Aufgabenbereich miteinschließen, denn er ist der Ausgangspunkt meiner Überlegungen.

Der Titel meines Beitrages lässt ein detailliertes Grundsatzreferat erwarten, eingeschlossen die Geschichte der Bemühungen um die Volksmusik in der Schule. Dies werde ich zugunsten meiner Arbeitserfahrungen hintanstellen, also keine fachspezifische Abhandlung zum genannten Thema bieten. Trotzdem bleibe ich bei der Schlagzeile und möchte Sie bitten, mit mir einen Ausflug in mein ganz persönliches Beziehungsumfeld zu machen, um den kleinen Zusammenhängen zu folgen, die meine Sicht der Dinge geprägt haben. Aus diesen entspringt auch mein spezielles Verständnis von Volksmusik, mein Verständnis für das Große im Kleinen, für die Bedeutung außermusikalischer Kriterien, die Volksmusik mitgestalten. Die Vermittlung von Volksmusik war bei meiner beruflichen Aufgabenstellung stets ein zentrales Thema. Ich hoffe daher, mit meinen Ausführungen zum Generalthema dieser Tagung beitragen zu können.

Nur die Musik ist konservierbar

Es ist falsch anzunehmen, dass die vermeintlich rückständige Volksmusik von den gesellschaftspolitischen Veränderungen nicht eingeholt wird, wenn wir sie mit Mühe im Originalton zu erhalten versuchen. Musik mag ja durchaus konservierbar sein, doch ihr Lebensumfeld ist einem steten Prozess der Erneuerung, Erfindung und Verabschiedung unterworfen. Die Interpreten – die Volksmusiker – machen da keine Ausnahme. Es fragt sich nur, ob die Lebensgesetze von Volksmusik dabei beachtet werden, die Lebendigkeit nicht anderen Kriterien zum Opfer fällt. Was ist uns denn zum Thema „Verlebendigung der Volksmusik“ eingefallen? Nicht viel! Im Gegenteil, wir haben mit Wettbewerben Reglements geschaffen, die nur dem Spiel nützen, ein anderes „Mensch ärgere Dich nicht“ darstellen, aber der ursprünglichen Sinnlichkeit der musikalischen Sprache abträglich sind. Wir haben die Verschulung von Volksmusik vorangetrieben, um deren Stellenwert zu heben, sie gleichzeitig aber einer noch nie dagewesenen Nivellierung unterworfen. Noch nie war Volksmusik einer solchen Gefahr durch deren eigene Retter ausgesetzt. Nicht die Volkstümliche Musik, nicht die Schlagerwelt und auch nicht die Volksmusik-Abstinenz des ORF treffen die Lebensgesetze der Volksmusik derart massiv am Nerv.

Nicolaus Harnoncourt hat die nun folgenden Worte zwar aus der Sicht der Hochkunst gewählt, seine Erkenntnis mag für seine Musikwelt schon bedauerlich sein, die Volksmusik trifft dieses Bild vom Geplänkel beliebiger Musikverzierung allerdings am Lebensnerv:

„Heute ist die Musik zu einem bloßen Ornament geworden, um leere Abende durch Opern- und Konzertbesuche zu garnieren, um öffentliche Festlichkeit herzustellen oder auch um mittels des Radios die Stille der häuslichen Einsamkeit zu vertreiben oder zu beleben. So ist der paradoxe Fall eingetreten, dass wir heute quantitativ viel mehr Musik haben als je zuvor – ja nahezu pausenlos -, dass sie aber für unser Leben fast nichts mehr bedeutet: eine nette kleine Verzierung!„

Harnoncourt präzisiert etwas später:

„Auf unseren Musikschulen wird nicht die Musik als Sprache gelernt, sondern nur die Technik des Musikmachens, das Skelett der Technokratie, ohne Leben„ 

Um was geht es eigentlich bei der Volksmusik?

Spätestens hier aber müsste sich jeder Volksmusikpfleger, Volksmusiklehrer und -vermittler angesprochen fühlen, müssen Lehrgänge für Volksmusiklehrer – hinterfragt werden. Geht es um die Interpretation einer Musikgattung nach archivierten Vorlagen, um die Rettung einer denkmalgeschützten Melodienwelt, um ein Nicht – los – lassen – können und dürfen? Geht es um eine flächendeckende Versorgung mit Volksmusikklängen? Oder: Müssen wir im internationalen Konzert der Völker eine Volksmusik haben, brauchen wir eine Kennmelodie im Reigen internationaler Folklore? Sind `s grüne Stutzen, Jodlersilben oder exotische Instrumente die uns so alpenländisch machen, uns Identität verschaffen und uns von anderen unterscheiden? Geht es nur um diese Unterschiede? Kämpfen die Volksmusiker zu Recht um 10 Minuten mehr ORF-Volksmusikanteil, um mit Volksmusik garnierte Sendezeiten? Warum sind sie ganz glücklich – die Volksmusikfreunde, – dass sie eine ganz echte Volksmusiksendung haben, nämlich das Wetterpanorama? Welch` makabres Glück empfinden sie dabei, die – über Liftstützen schwenkende Wetterkamera – mit ihren echten Weisen begleiten zu dürfen?

Ist nur Musik von der Volksmusik geblieben?

Sagen Sie nun nicht, ich sei vom Thema abgekommen. Nein, Klunker wird sich nicht vermitteln lassen, nicht jungen Menschen und nicht mit dem Anspruch „Kultur„ zu pflegen. Damit wäre aber auch deutlich gemacht, dass Volksmusikforschung und Volksmusikvermittlung einer weiteren Annäherung bedürfen. Nach dem früher bewährten Prinzip der Überlieferung, des notwendigen Instrumentalunterrichts durch einen Verwandten oder Nachbarn, des Singens aus der Erinnerung, zeigt der nun schon bald flächendeckend angebotene Volksmusikunterricht bereits Verluste – wenn Sie wollen Verlust an Väterlichkeit und Nachbarschaft. Jene Dinge, die Musik mit dem Leben verbinden, haben plötzlich Nachrang gegenüber Unterrichtsprinzipien, technischen Finessen, Virtuosität, Griffsystemen. Ich frage ernsthaft: Wer vermittelt heute Volksmusik auf dem Niveau früherer Tanzkapellmeister? Sie waren Leitfiguren was Besetzung, Einstellung zum Musikantenberuf und Umgang mit dem Publikum betrifft. Eine Kluft tut sich auf – hier Berufsbild, da Freizeitmusik – die sich nicht nur in der Einstellung zum Publikum zeigt, sondern auch musikalisch hörbar wird. Verzierung ja, aber stets der Musik dienend, nicht als Kind der Fingerfertigkeit gezüchtet.

Lassen sie mich einen Schwenk zum Volksgesang vollziehen: Interessant ist doch, dass der Volksgesang in Ermangelung einer vergleichbaren Ausbildungsleiste, keinem solchen Verfall unterliegt. Die Ästhetisierung des Volksliedes im Chorensemble hat die Überlieferungsträger zwar etwas verunsichert. Zuweilen haben sie ihr Singen etwas geringgeschätzt, vielfach sind sie aber beides: Freie Volksliedsänger und Mitwirkende in einem Chorensemble. Ja, und darüber hinaus hat die schulische Singverweigerung mancherorts ein Vakuum entstehen lassen. Das Volkslied in der Schule spielt beinahe keine Rolle. (Im Lichte meiner Betrachtungen Gott sei Dank, größer zusammenhängend gesehen ist dieser Zustand eigentlich nicht akzeptabel) Das Volksliedersingen ist aber den Verschulungstendenzen grundsätzlich entkommen, es gibt eine außergewöhnliche Vielfalt und Interpretationsfreiheit, eine tiefere Beheimatung – eben das Gegenteil von bloßer Verzierung durch musikalische Elemente. Belegt wird dies sehr deutlich durch gegenwärtige Forschungsaufnahmen. Noch präziser erkennt man diese Eigenständigkeit des überlieferten Volksliedes aber, wenn man das Volksmusik-Konzertwesen mit dem musikalischen Erlebnisfeld im kleinen Bereich der Dörfer und Almen vergleicht.

Kleiner Einblick in mein berufliches Arbeitsfeld

Nun möchte ich Ihnen überblicksartig mein Aufgabengebiet vorstellen um schließlich zu jenen drei Bereichen vorzustoßen, die Sie besonders interessieren werden:

1) Meine Tätigkeit als Vermittler von Volksmusik im Rahmen des Projekts „Mit allen Sinnen„
2) Meine Lehrauftragstätigkeit an den Musikuniversitäten Wien und Graz
3) Meine Fortbildungstätigkeit für Volksmusikstudierende und Volksmusiklehrer (Konservatorium des Landes Steiermark, Graz) sowie für Pflichtschullehrer (PÄDAK)

Seit dem Beginn meiner Tätigkeit im Amt der Steiermärkischen Landesregierung- ab dem Jahre 1981 – bündelten sich in mir die Erkenntnisse aus einer vielschichtigen Aufgabenstellung. Ich zähle sie ohne bestimmte Reihung auf: Arbeiten im Volksliedarchiv, Feldforschung, Befassen mit Fragen der Volksmusikpflege und Veranstaltungskultur, Publikationstätigkeit (hier nicht nur Herausgabe von Notenmaterial, sondern Formulierung der Aufgabenstellung), Lehrauftritte für Kinder, Studenten, Eltern, Erledigung von Liedanfragen, Beratungstätigkeit, Vortragstätigkeit für das Land Steiermark und weitere Bundesländer, Zusammenarbeit mit Wirtschaft, Kultur, Universität und schließlich die eigen musikalische Tätigkeit.

Zu Beginn der Achtzigerjahre war ich dem Landesjugendreferat zugeteilt und damit motiviert, Argumente für „Volksmusik in der Jugendarbeit„ zu finden. Später, der Kulturabteilung eingegliedert, habe ich mich engagiert, damit Volkskultur nicht ressortmäßig von der Kultur getrennt behandelt wird. Ich wollte meine Arbeit vom Kulturreferenten des Landes mitgedacht wissen. Die Frage der Förderung und Subventionierung von Volksmusik hat mich viele Jahre beschäftigt. Als Beispiel hatte ich immer die Förderung von Mundart im Kopf. Da gibt es auch keinen Mundartsprecher-Fördertopf und keinen Lehrstuhl. Trotzdem hat die Mundart ihren Stellenwert und sie wird nach wie vor gesprochen. Ich war also veranlasst, die Tätigkeit meiner Dienststelle immer wieder zu hinterfragen, aus Finanzmangel immer die wichtigsten Maßnahmen herauspicken, um die größte Wirksamkeit zu erzielen. Es stellte sich auch die Frage nach der Zielgruppe. Ich war nie auf der Suche nach Volksmusikfreunden, sondern war erpicht darauf, die musikalische Tradition – und da geht es nicht nur um Musik – für alle verständlich zu formulieren und erlebbar zu machen. Die Schublade „Volkskultur“ war mir immer schon zu eng.

Ich hatte 1981 das Steirische Volksliedwerk in einem miserablen Zustand im Ein-Mann-Betrieb als Geschäftsführer übernommen und ab 1986 für einen regelmäßigen Archivbetrieb gesorgt. So wurde das Interesse in weiten Kreisen der Bevölkerung geweckt. Heute ist der Betrieb zu einer Institution angewachsen, die mitsamt den Redaktionen, Fortbildungsveranstaltungen, Projekten und der VerlagsgesmbH 12 Mitarbeiter zählt.

Daneben bin ich Lehrbeauftragter an den Musikuniversitäten in Graz und Wien (Volksmusikensemble) und leite im privaten Bereich ein Tanzmusikensemble. Es ist wichtig zu erwähnen, dass ich in einem Umfeld beheimatet bin, das für mich zugleich auch Forschungsfeld bedeutet, weil das Mitleben der dörflichen Rituale, der Feste im Familienbereich und im Jahreslauf einen besonderen Einblick gewährt. Das klingt nun nach heiler Welt, ist es aber nicht. Interessant ist, dass ich neben der fortschreitenden Modernisierung und Auflösung von Dorfgemeinschaften immer schon eine parallel dazu geführte Welt der musikalischen und poetischen Fertigkeiten erlebt habe. Welcher Kontrast: Die lebendige Liedverwendung, Tanzkultur und Hochzeitsbrauchtum lebt hier – und das ist anderswo sicher auch feststellbar – friedlich neben der Singenthaltsamkeit in der Schule und auch neben den ständig wechselnden Modetrends.

Meine Erfahrungen mit Vermittlung von Volksmusik in der Schule

Es folgen vier Bereiche zum Thema „Vermittlung von Volksmusik“, wobei es sich beim ersten um Vermittlung für Schüler, bei den weiteren um Vermittlung an Lehrpersonen oder Studenten handelt.

Mit allen Sinnen
Ich habe seinerzeit intensiv an der Vorbereitung dieses bundesweiten Projekts mitgewirkt und finde, dass die folgende Vorgabe für die Vermittlung von Volksmusik an unseren Schulen nach wie vor besonders wichtig ist:

Die richtige Auswahl der Lieder, Tänze, Musikstücke muss mit der
größtmöglichen Gestaltungsfreiheit (was vor allem den Text betrifft) verbunden sein. Es sind eben nicht immer die ältesten, echtesten und wertvollsten Lieder, die sich für die Vermittlung in der Schule am besten eignen.

Referentinnen und Referenten – besser Vermittler – von Musik, Tanz und Lied hinterlassen nur Eindruck, wenn sie selbst „Besitzer“ sind und aus ihren Handlungen das Leben selbst herausklingt. Es sind nämlich eher die „außermusikalischen“ Qualitäten von Volksmusik, die Jugendlichen den Zugang zur Volksmusik erleichtern.

Wir denken immer zu sehr an musikalische Gestalt, an das Wertvolle von Musik und an didaktische Prinzipien. Hier geht es aber um Bilder, eigentlich um Vorbilder, die letztlich die unterbrochene Überlieferung ersetzen. Wenn möglich, gilt es Gewährsleute einbinden, sie hinterlassen die besten Spuren, vermitteln Greifbarkeit für den Normalverbraucher. Bitte keine Verhärtungen, keine Frage nach der Originalfassung und dafür mehr Sinn für das eigentlich Wertvolle: Freude an der Bewegung, Spaß am Text, an der Tonerzeugung, am Formen und am klingenden Augenblick. Selbst am Unvermögen kann man seinen Spaß haben und Lehren daraus ziehen. Die Volksmusik hat nur eine Chance, wenn wir sie einem Erlebnisfeld zuführen in dem die musikalischen Merkmale gesucht und erprobt werden. Fertige Lehrplan-Volksmusik und Pflichtlieder münden unweigerlich in jene Reduzierung, die Harnoncourt „Verzierung“ nennt.

Das vielfältige „Mit allen Sinnen“ Angebot des Steirischen Volksliedwerkes ist anderorts ausreichend dokumentiert, ich verweise nur auf den gleichnamigen Katalog, der Referenten für alle nur erdenklichen Bereiche anbietet, wie Feldforschung mit Kindern, Jodelstunden, Ein Musikant kommt in die Schule, Exkursionen zu Gewährsleuten und Instrumentenerzeuger etc.

Musikuniversität
Die in Blockseminaren zusammen gefassten Semesterstunden vereinen Referenten und Studierende in einem geeigneten Haus, das die Atmosphäre eines Jugendlagers bietet. Pro Semester sind es zwischen 60 und 80 Studierende die sich zur Ensembleübung anmelden und von Donnerstag Abend bis Sonntag Mittag ein abwechslungsreiches Programm absolvieren. Das sind die Inhalte:

♦ Ensemblespiel in verschiedenen Besetzungen
♦ Melodieführung und Begleitung
♦ Kennenlernen der Volksmusikinstrumente
♦ Das Prinzip der Zweistimmigkeit
♦ Lustige Volkslieder für jede Altersgruppe
♦ Jodeln in kleinen Gruppen
♦ Tänze, Tanzspiele, Spiele
♦ Instrumente selber bauen
♦ Einbeziehung d. Kenntnisse ausländischer Teilnehmerinnen und  Teilnehmer

Es gibt zum einen ein ganz großes Interesse am Erlebnis Jugendlager. Es gibt viele Jugendliche, die nie Bekanntschaft mit dem Erlebnisbereich – einfache Unterbringung, Verpflegung durch Mithilfe, eigenverantwortliche Nachtgestaltung etc. – gemacht haben. Innerhalb von 3 ½ Tagen entwickelt sich eine besondere Aufnahmebereitschaft und es herrscht großes Interesse einmal ein anderes Instrument zu versuchen, Volksmusikinstrumente kennenzulernen, auswendig zu spielen. Es zeigt sich, dass die Ausbildungsleiste an den Musikuniversitäten viel Wissen und spezielle Kenntnisse am jeweiligen Instrument vermittelt, dass aber der emotionale Zugang zu Musik, Tanz und Spiel zu kurz kommen. Gerade für die Vermittlung von Volksmusikeindrücken ist dies aber unbedingt erforderlich.

Seit etwa acht Jahren leite ich diese Lehrveranstaltung zusammen mit Dr. Rudolf Pietsch. Ich glaube fest daran, dass die zahlreichen Absolventen dieser Blockseminare – auch wenn sie sich selbst nicht als Volksmusiker betätigen, vielleicht auch nie Volksmusik unterrichten – diese Musikgattung in ihrem Berufsumfeld bestens verstehen und damit auch fördern. Nach dem Prinzip: Es sollte keinen Musiklehrer geben, dem der emotionale Zugang zum Thema Volksmusik und Volkstanz verwehrt geblieben ist. Übrigens: Es gibt keinen Teilnehmermangel und durchaus begeisterte Zustimmung von Seite der Studierenden, zahlreiche Nachkontakte, Noten- und Literaturvermittlungen, Einbeziehung der Studierenden bei Feldforschungsunternehmen und auch eigenes Forschungsinteresse im regionalen Bereich.

Lehrgang für Volksmusiklehrer am Konservatorium des Landes Steiermark.
Lehrveranstaltungen an der PÄDAK Graz

Ich fasse diese beiden Bereiche zusammen, weil sie ähnlich gelagert sind. Das Interesse der Volksmusikstudierenden und PÄDAK-Studenten ist groß, über das Angebot an Lehrveranstaltungen hinaus, mehr über Volksmusik zu erfahren. Auch hier wird zu einem mehrtägigen Seminar eingeladen, Gewährsleute und Referenten vermitteln ihre Musik und Erfahrungen. Besonders wichtig ist der Bereich des traditionellen Volksliedsingens, mit dem der größere Teil der Studenten bis dahin nicht in Berührung gekommen ist. Es kommt im Rahmen dieses Seminars oft zum ersten Kontakt zwischen Gewährsleuten und Volksmusiklehrern. Das Seminar wird dankbar angenommen, die Kompetenz des Volksliedwerkes geschätzt. Vielfacher Kommentar der Teilnehmer: Hier kann ich mir einen wesentlicheren Teil von Musikausbildung holen.

Von der besonderen Freiheit und Entfaltungskraft der Volksmusik

Lassen Sie mich zum Schluss kommen: Ich sehe kein Problem, was den Weiterbestand und die variantenreiche Verwendung der Volksmusik im Leben der Menschen betrifft. Das klingt beschönigend in Anbetracht der auf uns niederprasselnden Musikangebote und der Abneigung, die von Jugendlichen oftmals gegenüber der Volksmusik geäußert wird. Ich sehe aber einen sehr konstanten Kern lebendiger Volksmusikverwendung. Gegenwärtige Forschungsprojekte können dies auch nachweisen. Interessant ist auch, dass dieser starke Kern, die lebendige Nutzung geläufiger Klangmuster, eine Nähe zur volkstümlichen Musik zeigt. Diese Nähe zeugt aber von einer besonderen Freiheit und Entfaltungskraft einer Musikausübung, die unter dem Titel Volksmusik allzu oft viel engstirniger gesehen als gelebt wird.

Die Liebe zur Volksmusik ist kein Kinderspiel

Daraus ist also zu schließen, dass jede Vermittlung von Volksmusik (incl. Lied und Tanz) in der Schule dann gelingt, wenn das Thema erlebnisreich verpackt wird und nicht die Rettung des Abendlandes im Vordergrund steht. Also bitte keine Ideologie. Was hat denn Volksmusik, was andere Musik nicht hat? Wir leben heute in verschiedenen Welten und letztlich bleibt nur übrig, dass es eben “unsere“ Musik ist, die wir – als Glied in einer Kette von Vorfahren – kennenlernen und weitergeben. Und sehen Sie: Zur Erlangung einer solchen Erkenntnis braucht es Geduld. Die Jugend- und Schulzeit ist hier Brücke, ist die Gelegenheit Eindrücke zu sammeln, die natürlich am wirkungsvollsten sind, wenn sie aus dem Leben gegriffen werden. Die Zuneigung zum Eigenen ist eine späte Reaktion und daher ist es die vordringlichste Aufgabe der Schule, dem Singen, dem Spielen, dem Tanzen (nicht nur Volks-) das volle Augenmerk zu schenken, die Sinne für die eigenen Schwingungen zu schärfen. Dann wird dem späteren Entdecken des Eigenen nichts im Wege stehen. Die Liebe zur Volksmusik ist kein Kinderspiel, der Schulunterricht ist – so meine ich – nicht dazu geeignet, die für diese Musikgattung so fruchtbaren Überlieferungsvorgänge, die Welt der Notwendigkeiten und Zufälle so einfach zu ersetzen. Sie werden mit mir eine Freude haben: Damit entlaste ich die Schule, der ja gerne immer wieder Aufgaben zugeschanzt werden, derer sich die Familie entledigt hat. Meine Damen und Herren, die Reihung stimmt also durchaus: Der Mensch, die Musik und….. die Schule.


Vortrag anlässlich Symposion „Musikpädagogik und Volksmusikforschung“, Mozarteum Innsbruck, 10/2000; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.