Wer sich die Sache leicht macht, diese Frage meist mit: „ Alles was gesungen und gespielt wird, ist Volksmusik„. Dahinter versteckt sich einerseits der Hang zur Gleichmacherei, andererseits auch die Angst, sich zu sehr mit einem Thema beschäftigen zu müssen, das nicht nur historischer und musikwissenschaftlicher Betrachtungen bedarf, sondern ebenso die eigenen musikalischen Wurzeln betrifft.
Wenn man also davon ausgeht, dass es auf der Welt verschiedene „Volks-Musiken„ gibt, dann ist es zielführend zu fragen, was denn die eine von der anderen unterscheidet.
Die Existenz einer bunten Vielfalt
Diese Vorgangsweise würde auch zur Kenntnis der spezifisch steirischen, der tirolerischen, der türkischen etc. Volksmusik führen, ungeachtet der Problematik der Volkstümlichkeit, der musealen Pflegevolksmusik u.s.w. Die Veränderung originärer Volksmusik durch Globalisierung – also die Verschmelzung verschiedener regionaler Stile – ebenso durch mediale Vermarktung, durch Kommerz und Verschulung, müssen bei der Frage nach der Volksmusik mitberücksichtigt werden. Die breite Palette von Volksmusik, zwischen Überlieferung, Verschmelzung und Neuschöpfung, bestätigen die Existenz von Volksmusik in einer sehr bunten Vielfalt.
Auch typisch: Für alle Kriterien gibt es Ausnahmen
Historisch gesehen ist Volksmusik zuallererst die Musik der Landbevölkerung gewesen, die ihren Bedarf an Musik selbst im Überlieferungsprozess und in Abstimmung mit den weltlichen und kirchlichen Ritualen gepflegt, weiterentwickelt und weitergegeben hat, also schriftlos von Mund zu Mund. Heute sind die Träger von Volksmusik Menschen aus allen Berufsschichten. Trotz dieser eher offenen und vielschichtigen Entwicklung der Volksmusik, spielen Begriffe wie echt, schlicht, alt, ohne Noten, nicht kommerziell bei der Beschreibung von Volksmusik eine große Rolle. Für alle diese Kriterien gibt es Ausnahmen wie etwa Musikantenhandschriften (also schriftlich), die Praxis bei der Tanzmusik (mit durchaus kommerziellem Denken) u.s.w.. Was die Musik selbst betrifft, ist sie oftmals nicht einfach, weicht immer wieder von musikästhetischen Vorstellungen und musiktheoretischen Normen ab und hat mitunter Ausformungen, die zur höchsten Kunst gereichen.
Auch als Gegenkonzept und Entschleunigung
Heute sind volksmusikalische Elemente längst auch Inhalt musikpädagogischer Konzepte oder auch Konzepte von Vereinen, die sich die Förderung dieser Tradition zur Aufgabe gemacht haben. Volksmusik, Tracht etc. stehen auch für den Wunsch nach Entschleunigung, als Gegenkonzept für eine – für viele Menschen – allzu schnelle Entwicklung und für den entstandenen Mangel an begreifbarerem Ausgleich zwischen übernommenen Ritualen und neuen Lebensentwürfen.
Eher handwerkliches als künstlerisches Tun
Volksmusik steht den Notwendigkeiten des Lebens näher als Kunstmusik, ist dem Augenblick verschrieben, hat auch mit der Sehnsucht nach Weitergabe von Kenntnissen und nach Selbstgestalten zu tun. Im Vokalbereich ist Volksmusik auch Tradierung von Erzählstoff und ein Spielfeld der Poesie. Zum Instrumentalbereich ist anzumerken, dass Volksmusik eher aus einem handwerklichen Sinn als aus künstlerischen Ambitionen entsteht.
Unveröffentlichter Beitrag, 1998; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.