Die etwas andere Kultur

An jenem Tag, als im „Kulturkalender“ keine passende Veranstaltung angeboten wurde und in der Rubrik „Vorträge“ keine Eintragung zu finden war, bot sich auch kein sportliches Ereignis an, um meine Freizeitgelüste zu stillen.

Letztlich kam ich in den Genuss einiger erlebnisreicher Stunden, denn am Dorfplatz kickte jeder gegen jeden und beim nahen Dorfwirt hielt der Apotheker einen ausunfernden Vortrag über gesunde Ernährung. Die Sparten Sport und Vortrag war damit abgehakt und auch das Kulturprogramm hatte eine Überraschung bereit:

Wenn sich die Leute selbst in Szene setzen…

An diesem lauen Abend griff mein Nachbar zur Harmonika des Gastwirtes, um die aufkommenden Gesänge zu begleiten. Zuletzt setzte – von der Musikprobe kommend – der Breitler Zenz sein Baßflügelhorn an die Lippen. Und dann wollte der Abend voller Lieder nicht mehr enden. Einige schnelle Tänze lockten zudem die Wirtin aus der Küche und ich selbst forderte sie zum Tanz auf…

Es gibt also täglich Überraschungen zum Mitklingen und Mitsingen. Dazu bedarf es nicht der Einfälle des Kulturmanagements, eher aber der Zufälle in der Nachbarschaft und auch der Ausdauer darauf zu warten, bis die Zeit reif ist und die Stimmung von selber eskaliert.


Kolumne in der Zeitschrift „WAS IST WO?“ Graz, 6/ 1997; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.