Volksmusik und Erotik?

Der Musikantenstand war lange Zeit ausschließlich männlich besetzt. Da und dort durfte eine Jodelprinzessin das Bild aufbessern und noch seltener – vor allem in der Vor- und Nachkriegszeit – gab es Frauenkapellen, die sich musizierend das Brot verdienen mussten.

Die Philharmoniker waren lange Zeit eine frauenlose Musikergilde, sie haben den Trend zur Frau am Podium aber längst vollzogen. Die Volksmusikensembles und die Blaskapellen sind kontinuierlich weiblicher geworden und viele Männergesangsvereine haben ihre Vereinsstatuten den Gegebenheiten anpassen müssen. Ohne den weiblichen Anteil würde es heute arm ausschauen. In den Volksliedtexten aber dominiert – wenn nicht gerade vom Wildschütz verdrängt – eindeutig die Frau.

Von textlichen Ergüssen des Landvolkes

Mit der musizierenden Frau und dem Weiblichen in den Volksliedtexten beschäftigt sich der 5. Band der Reihe „Sätze und Gegensätze“, der diese Tage im Steirischen Volksliedwerk erschienen ist. An dem Thema „Volksmusik und Erotik“ hat man sich ja bislang ganz gerne schnellen Schrittes vorbeibewegt. Leider wurden den musikalischen und textlichen Ergüssen des Landvolkes durch Zensur jede Zweideutigkeit genommen. Zurück blieben die eindeutig behübschten Reste einer einst faszinierenden Sinnlichkeit – und das ist schade.

Das Volksliedwerk macht dem ein Ende, denn es ist sattsam bekannt dafür, dass es gerne Wege geht, die noch nicht beschritten wurden. Die ausgesuchten Autoren verbinden die wissenschaftliche Analyse der Wildschützen- und Liebesliedertexte mit dem Datenmaterial einer Musikantinnen-Umfrage, dem Forschungsbericht über eine Frauen-Musikgruppe bis hin zur erotischen Geschichte. Hier paart sich die Kompetenz des Volksliedwerkes mit der Liebe zur Methode des sinnlichen Zugangs. Ab sofort wissen wir mehr – über die Frau am Podium.


Werbetext für den 5. Band der Reihe „Sätze und Gegensätze“ in Derzeit Graz, 1997; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.