Je mehr wir für dieses Vierzeiler-Thema recherchiert haben, desto verwirrender wurde das Gesamtbild vom Spannungsfeld zwischen Ehrenamtlichkeit und kommerziellem Handeln.
Viele widersprüchliche Sichtweisen tun sich hier auf:
Da ist die billige Verfügbarkeit erstklassiger Musik aus der Konserve, neben der berechtigten Forderung nach leistungsgerechter Bezahlung der Musiker / Die zu geringe Auftragslage einer Gruppe könnte schnell mit minderer Leistung begründet werden / Mit maßlosen Forderungen der Künstler schließt sich aber auch der Zirkel derer, die sich das leisten können. Die einzigen Auftraggeber sind dann die aus Steuergeldern subventionierten Kulturprogrammierer. Die Vielfalt wird so in jedes Dorf geholt – und gut bezahlt – die Klänge aber, die unser Herz so bewegen, dass wir in ihnen uns selber vernehmen, diese Klänge haben keinen Preis / Gerade aus dem volksmusikalischen Bereich wissen wir, dass die Liebhaber sich selbst zur Szene zählen und oft aus den niederen Kosten und der leichten Verfügbarkeit musikalischer Erlebnisse, eine besondere Originalität ableiten…
So einfach ist die Sache aber nicht
Unbestritten ist, dass Musik in Österreich einen Wirtschaftsfaktor darstellt, und im großen Kunstgeschehen nicht alles durch Angebot und Nachfrage geregelt werden kann. Hier wird sicherlich vieles gestützt, was sich auf der anderen Seite durch Fremdenverkehr und Musikexport wieder rechnet. Was die Volksmusik betrifft, ist hier auch die große Bandbreite zwischen brauchtümlicher Handlung und Verkauf einer großartigen Leistung bemerkbar. Wenn nicht die Geschichte der Volksmusikpflege wäre, mit all der Überzeichnung (durch die Vorstellung vom Untergang aller so herrlich klingenden Kostbarkeiten) müsste sich der „Vierzeiler“ nicht damit beschäftigen. So aber gehört recherchiert, gefragt, überlegt und manches Mal auch zurechtgerückt.
Das Echte und das Kommerzielle
„Für ohne Geld spielen“ ist auch heute noch vermeintlich besonders echt, und für Geld spielen ist dann Kommerzmusik? Wertschätzung ist aber mehr wert als bloß gute Bezahlung – wenngleich auch der Griff zur Geldbörse eine gewisse Wertschätzung darstellt. Wertschätzung aber, in Form der Zuwendung und gezeigtes Interesse am künstlerischen Darbieten, ist wohl der größte Lohn für den Musiker. So ist es halt: Manchmal kostet das Unbezahlbare tatsächlich keinen Groschen.
Wer sich nun nicht auskennt sei getrost. Der „Vierzeiler“ bietet viele Sichtweisen und Gelegenheit sich selbst dem Thema zu nähern. Es ist unseren Autoren herzlich zu danken: Prof. Franz Deimbachers Gedanken zur Ehrenamtlichkeit, Rudolf Lughofers Recherche über die finanzielle Gebarung seines Musiker-Urgroßvaters, Vieiders Steuertipps, die historische Seite, dargestellt von Wolfram Märzendorfer und die Wortmeldungen der Musikanten selbst, samt Harald Pfeffers Rundumschlag.
Eigentlich wäre das Thema kein Thema, wenn Musik und Geld ausschließlich in einem marktwirtschaftlichen Zusammenhang stünden. So quasi: Gute Musik – viel Geld, schlechte Musik – wenig Geld: nicht gebrauchte Musik – gar kein Geld, heiß begehrte Musik – sehr viel Geld.
Gibt es auch künstlich aufgeschaukelten Erfolg?
Nun ist es aber so, dass sich in der Musikbranche nicht alles so einfach abspielt. Neben der Musik und dem Geld gibt es auch noch einen dritten Faktor, die Werbung. Es sind nämlich Mechanismen im Spiel, die Bewertungen wie gut, schlecht, sowie die Nachfrage gehörig ins Wanken bringen. Es wird gepuscht, medial hochgejubelt oder niedergemacht – auch verschwiegen. Dann und wann springt – wenn niemand ein Ohrwaschl rührt auch ein Sponsor ein, weil sonst der erste Ton gar nicht erklingen würde. Verkaufs- und Einschaltziffern sind also nicht nur Geschmacks-, Beliebtheits- oder Qualitätsfolgen, sondern oftmals auch das Ergebnis eines strategisch geplanten Hochschaukelns, um Monate später als Schnee von gestern wieder in die Vergessenheit entsorgt zu werden.
Gut und Geld – aber wo bleibt da die Musik?
Jene Kunst die den Menschen erfasst, seine eigentlich erbärmliche Bedeutungslosigkeit in diesem Universum auf die Stufen des Göttlichen erhebt? Was die Volksmusik betrifft ist die Sache noch komplizierter: Seit deren Entdeckung und Benennung durch Johann Gottfried Herder (1744 – 1803) haftet ihr etwas Mystisches, Unbegreifliches an. Da brodelt aus der Kehle ein in Generationen zurecht gehobeltes Urgetön und nennt sich Volkslied. Wir verbinden mit Volkslied den Urzustand und beugen ehrfürchtig das Haupt über so viel Glück, unseren eigenen Wurzeln zu begegnen. Der Idealzustand bedeutet, gleichsam am offenen Herd zu kochen ‚barfuss durch den Urwald zu streifen. Während wir uns aber längst anders beheizen und fußbekleiden, haben Volkslieder noch immer den gleichen Klang und die gleiche Bedeutung. Freilich nur dann, wenn wir selbst die Beziehung zur Tradition herstellen. Der Volkskultur-Supermarkt wird uns zwar beliefern aber gleichzeitig zu Abnehmern degradieren.
Mehr als nur Behübschung: Der Vierzeiler
Nun liegt er also vor Ihnen, liebe Leserinnen und Leser – der Vierzeiler. Viele haben schon gewartet auf unser Blatt, sie fragen schon seit Wochen nach dem Erscheinungstermin und überhäufen uns auch mit Komplimenten -natürlich die bereits erschienen Ausgaben betreffen. Wir nehmen diese gerne an, denn sie tun gut und bestärken uns in der Absicht, Ihnen mehr zu bieten als ein Vereinsblattl eben bieten kann: Wir berichten nicht nur über unsere Arbeit sondern stellen auch immer wieder die Fragen nach dem tieferen Sinn einer solchen Tätigkeit. Wir schreiben nicht über die Dinge die uns gut gefallen, sondern beschäftigten uns – und auch Sie – mit Fragen, auf die wir selbst keine Antwort parat haben. Zur Behübschung unserer Tradition ist unsere Zeitschrift nicht erfunden worden und auch nicht unser Volksliedwerk. Unser Thema „Volkslied, Volksmusik im Gebrauch der Menschen“ wird wegen seiner Buntheit und wegen seines Klangreichtums allzu gerne vereinnahmt. Dabei denke ich nicht sosehr an politische Vereinnahmung, kommerzielle Absichten oder mediale Ausbeutung. Hier sind die Mechanismen längst durchschaubar. Wir wissen zwischen verantwortungsvoller Zuwendung und kommerzieller Absicht zu unterscheiden, wissen auch, dass Musik und Tracht zum Rahmenprogramm jedes Politikerauftrittes gehören. Auch hier steht das Benützen im Vordergrund. Selten jedoch möchte man sich mit der Volkskultur anpatzen, sich zu bewährten Formen bekennen, damit leben oder gar diese kulturpolitische Aufgabe wahrnehmen.
Auserwählte mit dem Traditionsstempel
Vereinnahmung bedeutet aber auch das Zuschneiden von Volksmusikprogrammen für den Volksmusikfreund, das Züchten von Volkstänzern und Sängern. Als ob es Auserwählte geben würde, die mit dem Traditionsstempel. Auf unseren Forschungsfahrten begegnen wir täglich den Menschen, mit ihrer ganz persönlichen Neigung zur Musik, mit den unterschiedlichen Zugängen zur Musik und mit der Sehnsucht nach eigener musikalischer Sprache. Unser Volksliedwerk möchte diese Sehnsucht befriedigen. Es ist eine faszinierende Aufgabe: Wir stellen uns gegen die Vereinnahmung und verausgaben uns dabei.
Wir sind Bittsteller – Meister
Unsere Landsleute haben wieder einmal neu gewählt, die neue Landesregierung wurde gebildet und wir schöpfen neue Hoffnung. Wir sind derart darauf getrimmt, Enttäuschungen in Energie für unseren Optimismus umzuwandeln, dass wir gar nicht auf die Idee kommen, die vielen hundert nutzlosen Ansuchen um Erfüllung unserer Vorstellungen zu bedauern. Wir sind in Übung. Bittstellermeister nennt man diese heute. Niemand macht sich ein Bild davon, wie oft in den vergangen Jahren die äußerst bescheidenen Mitteln, nach Dienstposten, nach EDV-Einrichtung, nach Büroräumen ignoriert wurden. Die Ihnen – liebe Leser – bekannten Leistungen des Steirischen Volksliedwerkes sind trotzdem erbracht worden. Das jahrelange Sparpaket hat uns erfinderisch und wendig gemacht. Mit wenig Mitteln viel leisten und den Wirkungsgrad durch Begeisterung verdoppeln, das war und bleibt unsere Devise.
Literaturhinweise:
Verweis auf Nachrichten zu unserem Thema in anderen Schriften:
Hans Commenda: Aus dem Geschäftsbuch eines Mühlviertler Spielmanns. Jahrbuch des Österr. Volksliedwerkes XV Seite 108 – 115″
Wir Musikanten waren alle Millionäre“ in: Unser Volksgut, Herausgegeben vom Landkreis Rottal-Inn Heft 3/1991
„Das Geld in der Volkspoesie“ und „Das Geld – der Diridari“ in: Unser Volksgut Heft 2/1991
Der Vierzeiler, Leitartikel zum Titelbild und Thema, 16. Jahrgang,3/ 1996; Sätze und Gegensätze, Band 10/ 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.