Josef Martinelli – Steinmetzwirt auf der Leber

Ein Nachruf für einen Gastwirt? Warum nur für einen? Haben wir nicht ständig nachzurufen den Gastwirten? Wir vermissen sie da und dort, die guten Gastwirte, denn allzu oft werden sie abgelöst von Gastronomen. Qualität beschränkt sich dann auf die Speisekarte im Vierfarbendruck, auf die Polstermöbel, auf das Ambiente. Die Lichterkette auf der Fassade und das Geplänkel in den Klatschspalten können aber meine Sehnsucht nach „unserem Wirt“ nicht befriedigen.

Ja, so müsste er sein, mein Gastwirt

Wie muss er sein, der Gastwirt, den wir uns wünschen, bei dem wir uns wohlfühlen, dem die Erfüllung unserer Sehnsüchte nicht nur geschäftlicher Auftrag ist, sondern offenbar auch tiefe Befriedigung bereitet. So müsste er sein wie Josef Martinelli, der „Stoanmetzwirt“ auf der Leber in Graz-Stattegg, und nun ist er von uns gegangen. Es liegt mir fern, zu behaupten, dass er der aller letzte solche Wirt war. Aber angst und bang kann einem werden, wenn da und dort das Wirtssterben mit der Eröffnung der Schnellimbissstube wettgemacht wird. Was ist das für eine Kultur, wenn der Portion auf dem Teller nur die Kalkulation zugrunde liegt? Ist’s da ein Wunder, wenn wir uns nach jenem Wirt sehnen, bei dem die Portionierung noch mit der Sorge um den Gast in Verbindung stand.

 Er hinter und wir vor der Schank

Josef Martinelli war ein umsichtiger Wirt – im wahrsten Sinne des Wortes: Er erkannte manche Notwendigkeit aus dem Augenwinkel heraus. Wenige kannten seine musikalische Seite. Seit dem Tod seiner Frau im Jahr 1984 hat er nicht mehr musiziert oder gesungen. Stets hat er aber mitgeklungen, und die Freude an der Musik war ihm deutlich anzusehen. Über ein Jahrzehnt (seit 1979) hat er den Steirischen Geigentag bei sich beherbergt und vielen jungen und alten Menschen durch seine Gastfreundschaft bleibende Erinnerungen verschafft. Dafür sind ihm viele sehr dankbar, dem Gastwirt Josef Martinelli, mit dem uns Musikanten – wir vor und er hinter der Schank – eine stille Übereinstimmung verbunden hat.


Der Vierzeiler, 1-2/ 1995; Sätze und Gegensätze, Band 10/ 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.