Das Steirische Volksliedwerk ist selbstverständlich auch Anlaufstelle für die Fragen zu diesem Thema, das an Brisanz noch nichts verloren hat. Nach wie vor sind nämlich „gemeinfreie Werke“ wie sie die Rechtssprechung bezeichnet, frei verfügbar, also nicht geschützt.
Dies selbstverständlich auch nicht vor der Inanspruchnahme geistigen Eigentums. Der Wunsch nach einer freien Verfügbarkeit dieser „Denkmäler der Volksmusik“ über Generationen hinweg, bleibt eben nur ein Wunsch, wenn sie von jedermann mit den Füßen getreten wird und sie niemand verteidigt. Das Österreichische Volksliedwerk bemüht sich seit Jahren um den Schutz der Volksmusik vor dem Missbrauch.
Es geht immer um die schöpferische Leistung
Vielfach ist es aber nicht Geschäftemacherei sondern einfach ein Mangel an Information, wenn Musikanten in die Rechte gemeinfreier Musikstücke eingreifen. Da ist z.B. der Begriff „Bearbeitung“, der allzu oft verwendet wird. Im Bereich der Volksmusik ist es wohl etwas vermessen, die jeweilige Interpretation allgemein bekannter Musiknummern als „schöpferische Leistung“ zu bezeichnen. Nähere Erklärungen gibt dazu das Stichwort „Bearbeitung“ in der Broschüre „Volksmusik und Urheberrecht“, herausgegeben vom Österreichischen Volksliedwerk, Wien 1987.
Bearbeitungen (freier oder noch geschützter Werke) sind, soweit eine eigentümliche geistige Schöpfung des Bearbeiters sind, geschützt (§ 5 ABS 1 UrhG). Auch die Bearbeitung eines gemeinfreien Werks ist urheberrechtlich schutzfähig. Hierbei umfasst der Schutzanspruch jedoch nur die schöpferischen Elemente der Bearbeitung.
Die Voraussetzung für die Schutzfähigkeit
Voraussetzung für die Schutzfähigkeit der Bearbeitung ist das Vorliegen einer „eigentümlichen geistigen Schöpfung“. Zwar kommt es auf die Qualität der Schöpfung auch in diesem Zusammenhang nicht an, doch muss eine aus der Persönlichkeit des Schöpfers herrührende Individualität vorliegen. Die bloße Transposition in andere Stimmlagen oder rein handwerkliche Veränderungen sind nicht schutzfähig.
Nach den Verteilungsbestimmungen der AKM liegt eine Bearbeitung vor, wenn eine bestehende Komposition – sei es durch klangliche, harmonische, melodische oder kontrapunktische Mittel – solche Veränderungen erfährt, dass die neue Gestalt des Werks dadurch als eigentümliche geistige Schöpfung des Bearbeiters zu werten ist. Sonstige Veränderungen des Originalwerks werden als „Arrangements“ bezeichnet. Als verrechenbare Arrangements gelten jedoch nicht: Klavierauszüge und Ausschreibungen bezifferter Bässe (sofern die Kommission für musikalische Einstufungen nicht aufgrund eines Antrags die Qualität eines Arrangements zuerkennt), weiters erleichterte Ausgaben für Einzelinstrumente und Akkordbezeichnungen zu Melodiestimmen.
Der Begriff des „Arrangements“ in der Praxis der Verwertungsgesellschaft ist problematisch. Geschützt sind auch „Arrangements“ nur, wenn sie sich als „eigentümliche geistige Schöpfungen“ im Sinn des § 1 UrhG darstellen.
Auch Bearbeitungen sind unabhängig davon geschützt, ob sie schriftlich oder auf andere Weise festgelegt sind. Improvisierte Bearbeitungen sind deshalb gleichfalls urheberrechtlich geschützt.
Im Einzelfall kann auch der ausübende Künstler, der über eine (volkstümliche) Melodie improvisiert, diese variiert oder sonst verändert, als Bearbeiter geschützt sein, wenn seine schöpferische Leistung ausreichend individuell ist.
Davon zu unterscheiden ist das den ausübenden Künstlern im Urheberrechtsgesetz gewährte „Verwandte Schutzrecht“ (Leistungsschutzrecht). Danach hat derjenige, der ein (freies oder noch geschütztes) Werk der Literatur oder Tonkunst vorträgt oder aufführt, u.a. das Recht der Vervielfältigung (Festhaltung) und Verbreitung (§ 66 Abs 1 UrhG).
Fonds zum Schutz der Volksmusik
Durch mangelnde Information der Betroffenen und durch die Praktiken von Geschäftemachern kann es im Bereich der Volksmusik immer wieder zu Unstimmigkeiten und Rechtsverletzungen kommen, vor allem durch die Anmaßung von Urheberrechten an der tradierten Volksmusik. Um Musikanten und Volksmusikveranstaltern bei Unklarheiten und Streitfällen Beistand leisten zu können, hat das Österreichische Volksliedwerk in seiner Sitzung vom 15.1.1982 die Gründung des „Fonds zum Schutz der Volksmusik“ beschlossen. Anfragen sind zu richten an das Österreichische Volksliedwerk, Wien.
Nachdem Volksmusik sich an überlieferte Regeln hält und deren Interpreten „traditionell“ handeln, kann die besagte Anforderung an den Begriff „Bearbeitung“ – nämlich nach einer ausreichend individuell schöpferischen Leistung – nur als Gegensatz interpretiert werden.
Der Vierzeiler, 6/ 1994; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.