Die Zwanzger spieln auf …

Sehr geehrter Herr Landeshauptmann! Sehr geehrte Ehrengäste! Liebe Musikanten!

Dieser Feierstunde sind rund acht Jahre Vorbereitungszeit vorausgegangen. Solange ist es her, seit ich zum ersten Mal bei Ferdinand Zwanzger in dessen Schuhmacherwerkstätte einer seltsamen Mischung der Düfte von frischem Leder, Trompetenöl und Kolophonium-Staub ausgesetzt war.

Die Verflechtung von handwerklichen und schöpferischen Neigungen

Heute weiß ich es: Es ist ein wahrer Segen, dass die Brüder Zwanzger dem Sprichwort „Schuster, bleib bei deinen Leisten!“ getrotzt haben und Musiker geworden sind. Kombinationen wie diese – versinnbildlicht durch ein friedliches Nebeneinander von Schuhschachteln und Geigenkoffern – sind keine Seltenheit.

Verflechtung von handwerklichen und schöpferischen Neigungen sind allemal Brutstätten von Kunst und Innovation – und dies unter immer neuen Vorzeichen. Trompeten und Nähmaschinen – was haben sie gemeinsam zu tun? Zumindest sollte man eines wissen: Georg Michael Pfaff hat, bevor er sich dem Bau von Nähmaschinen zugewandt hat, Trompeten erzeugt.

Dokumentation zwischen Verlebendigung und Konservierung

Seit meinem ersten Besuch bei Ferdl und Arnold Zwanzger hat sich Bild-, Ton- und ­Notenmaterial angesammelt und die Eindrücke haben sich vertieft – ebenso die Freundschaft. Dank für die gute Aufnahme!

Das Steirische Volksliedwerk ist eine Forschungs- und Förderungsstätte für Volksmusik, und gerade die Verquickung des wissenschaftlichen Auftrages mit der Anforderung, die Musikantenkultur zu fördern, verlangt Augenmaß im Umgang mit jenen Menschen, für die Musik ein Teil ihrer selbst ist und mit jenen musikalischen Erscheinungen, die im Zusammenklang mit den Musikbesitzern eine faszinierende Ganzheit bilden. Aber Vorsicht! Die Verantwortlichen sollten sich immer wieder fragen, ob die Verlebendigung des Historischen ein glückhaftes Unterfangen ist. Und die zweite Frage: Wie oft schon wurde Lebendiges vom Bemühen umarmt und künstlich musealisiert?

Wer meine Intentionen verfolgt hat, weiß, wie knapp Präsentation und Konservierung von Volksmusik nebeneinander liegen und meiner Auffassung von Förderung zuwider laufen. Und, wie sehr ich überzeugt davon bin, dass neben der Produktion von Fertigware in Sachen Volksmusik – von der wir ja sehr viel lesen, die wir uns jederzeit kaufen und anhören können – eine musikalische Lebendigkeit pulsiert, die durch eine besondere Versponnenheit von Notwendigkeit, Begabung und innerem Auftrag blüht und als einzige Hypothek eine starke Verwurzelung vorzuweisen hat.

CD ist kein Ersatz für Musik im Leben

Also: Diese CD ist einerseits ein Ersatz für Musik und kann wiederum kein Ersatz sein für Musik im Leben, und die beiden Herausgeber bilden sich auch nicht ein, Musik 1:1 eingefangen zu haben. Die Dokumentation ist insofern gerechtfertigt, als wir die Verpflichtung spüren, immer wieder den Versuch zu unternehmen, neben den reinen musikästhetischen Grundsätzen einer solchen Produktion auch andere Beurteilungskriterien dazu zu stellen – und solche gibt es.

In Stiwoll wurde der handwerkliche Umgang mit Musik seit Generationen als funktionelle Musikversorgung weitergegeben und durch herausragende Persönlichkeiten bis heute überliefert. Neben der in Musikkameradschaft funktionierenden Ortsmusik und dem musikalischen Dienst im Kirchenjahr hat vor allem die Tanzmusik in Streich- und Blasbesetzung eine besondere Ausformung erfahren. Hier hat die dienende Rolle der Musik einen hohen Stellenwert. Der respektvolle Umgang mit der Überlieferung, die Entfaltung eigener Gestaltungskraft und das Ineinanderfließen von Musikausbildung und Musikinstinkt, das sind alles Vorzüge, die uns in einer Zeit der Hochblüte der Einschaltziffern auffallen müssen.

Musik als wichtiges Element des Dorflebens

Am Beispiel der Stiwoller Musiker lernen wir, dass Musik zuallererst aus nachbarschaftlicher Hilfestellung, aus Notwendigkeit entsteht, dass Musik den Lebenslauf um das klingende Element erhöht und dass die so gewonnene Lebensqualität selbstverständlich durch Weitergabe an die nächste Generation gesichert wird. Was mich besonders berührt, meine Damen und Herren, ist – und das beweisen uns ja die vielen anwesenden Stiwoller Musikanten –, dass das Wort „Dokument“ hier nicht den Beigeschmack einer Rückschau auf Vergangenes hat.

Wo liegt die Keimzelle für die Motivation?

Und nun gilt es zu danken: Dem Institut für Volksmusikforschung und somit dem Projektleiter Dr. Rudolf Pietsch. Meinem Dienstgeber, dem Land Steiermark. Denn, es existiert kein eindeutiger Auftrag diese Forschungs- und Publikationstätigkeit betreffend. Vielleicht liegt aber in dieser Undeutlichkeit die Keimzelle der Motivation. Mein Dank gilt aber auch der Gemeinde Stiwoll mit ihrem Bürgermeister Josef Brettenthaler. Mit ihrer Hilfe konnte dieses Fest gestaltet werden.

Zuletzt wende ich mich den Musikern zu, die durch ihre Musikalität, dem nun vorliegenden Tondokument eine besondere Brillanz verleihen. Nun habe ich heute Nachmittag bereits nach Worten gerungen und mir die Frage gestellt, was ich euch – in Ermangelung eines Musikergrußes – zurufen könnte. Das „Glück auf“ des Landeshauptmannes wollte ich nicht vorwegnehmen und zu guter Letzt hat sich ein Wort angeboten, das heute schon recht selten geworden ist.

Lieber Fredl und lieber Arnold Zwanzger! Liebe Brüder Nußmüller! Liebe Brüder Krienzer! Lieber Horst Gratz! Lieber Josef Mayerhofer! Lieber Hansl Mayerhofer! Lieber Hansl Mayer! Respekt – meine Herren!


Festrede anlässlich CD Präsentation in Stiwoll 8/ 1994; Der Vierzeiler, 3/4 1994; Sätze und Gegensätze, Band 10/ 1999; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.