Die „Steirische“

Manche nennen sie „Knöpferlharmonika“ und leiten den Namen von den vielen Knöpfen ab, die einem Laien etwas verwirrend erscheinen. Andere sagen „Quetschn“ oder gar „Rumpl“.

Der Name klingt wohl etwas derb – doch es wird ja immerhin etwas gequetscht! Ja, es gibt noch weitere Namen, die man im Laufe vieler Jahre dem eigenartigen Instrument – der steirischen Harmonika – gegeben hat: Die Zugorgel, die Wanznpress, die Ziachharmonie, die Harmonie oder die Steirische.

Was macht sie so beliebt?

Was macht sie so seltsam und beliebt – abgesehen vom diatonischen Prinzip? Immerhin kann sie nicht jeder bedienen, und dann ist da die Aufmachung: Zwei viereckige Kisterl beinhalten die Eingeweide und sind mit dem Balg verbunden. Außen glänzt das Ding, denn überall sieht man Einlegearbeiten und Beschläge. Der Bass kommt gar aus Trichtern ins Freie. Ganz wackelig hängt der Luftknopf aus dem Kasten. Der Riemen – mit Alpenblumen bestickt – ist mit einer großen Holzschraube befestigt. Die schon erwähnten Knöpferl geben beim Spiel Klappergeräusche von sich, diese vermischen sich Asthma-ähnlich mit dem Luftholen des Balges.

Liebenswert und schön: Die Musik zum Umschnallen

Das ist die steirische Harmonika – ein liebenswertes Instrument, ein Stück vom Musikanten selbst. Ein Instrument, welches vom Musiker das ständige Mitsichführen eines Reparatur-Besteckes verlangt. Welcher Musikant musste noch nie die Nägel entfernen, um das Innenleben wieder in Ordnung zu bringen? Manchmal klappert sie halt zu viel, lässt einzelne Töne aus oder schickt gar Miss­töne in die so gut gemeinte Melodie.

Mit Geschichten aus alter Zeit verwoben

Was mag so eine alte „Steirische“ wohl alles schon erlebt haben? Wie viel Spielleute haben sich auf ihr schon „zurecht getastet? Eines ist sicher: Sie hat unsere ländliche Musik geformt und lebendig erhalten. Wer mag all die Fragen verstehen? Wohl nur jener, der eine alte zerfurchte, abgegriffene „Steirische“ besitzt oder aus der Nähe bewundert hat. Ein Veteran ist’s mit vielen unzähligen Tanzabenden am Rücken, der Balg brüchig, die Stimmen rauh und lädiert – und die lustigen Basstrichter verbogen.

Die Trennung fällt schwer

Erst nach vielen Jahren hat sie ausgedient, eine neue muss also wieder her – natürlich eine „Steirische“, die wiederum mit dem eigenartigen Tremolo-Ton den Tanzbeinschwingungen den nötigen Akzent verleiht. Die Alte aber steht im Herrgottswinkel. Für immer und ewig bewahrt sie die Erinnerung an die klingenden Lustbarkeiten.


Plauderei über Musikinstrumente. Der Fröhliche Kreis, Graz, 2/1976
Sätze und Gegensätze, Band 10, Graz, 1999
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