Die Rauhnacht

Die überlieferte Bedeutung des Rauches

Rauch hat zuallererst einem eine gefahrenvolle Bedeutung. Ja, er hat mit Schrecken zu tun. Die Sirene heult über den Dächern der Kleinstadt Geras! Schnell eile ich zum Auto und dann geht´s ab zum Feuerwehrhaus. Während der Overall, die Stiefel und die Schutzjacke angezogen werden, vermeldet ein Lautsprecher das Ziel unseres Einsatzes. Dann ist die Mannschaft auch schon unterwegs und ich gehöre dazu, denn ich bin seit Jahren deren aktives Mitglied. Von weitem sehen wir schon eine Rauchsäule aufsteigen und damit erhöht sich automatisch der Adrenalinspiegel. Wer weiß, was uns erwartet? Sind Menschen zu Schaden gekommen, sind umliegende Objekte gefährdet? Gottlob geht es nicht immer dramatisch zu – wir sind aber stets auf das Schlimmste gefasst.

Der Rauch als Teil kultischer Handlung

Rauch am Horizont ist also meist ein Zeichen, dass Hab und Gut vernichtet wird. Andererseits ist der Rauch seit alters her Teil des Brauchtums und kultischer Handlungen. Da wird mir ganz anders zumute, wenn eine Licht durchflutete Weihrauchsäule während der Liturgie in der Stiftsbasilika Geras den Weg zum Gewölbe sucht. An diesem Bild kann ich mich nicht genug satt sehen. Der Weihrauch gehört zur Messgestaltung in den Gotteshäusern, ohne ihn würde der feierlichen Zeremonie etwas Wesentliches fehlen. Darüber hinaus hielt – in unserer langen, vom Glauben geprägten Kulturgeschichte – der Rauch auch Einzug in unsere Häuser. Den Unbilden der Witterung und des unerklärbar Bösen wollte man seit alters her einen heiligen Duft entgegensetzen, der die Umwelt und die überdachte Lebenswelt reinigen sollte. Natürlich spielte dies vor allem in der dunkelsten Zeit des Jahres eine große Rolle.

Die dunklen Tage des Jahres

Zwischen Weihnachten bis Dreikönig wurde den Menschen früherer Zeit, damals ohne elektrischen Strom, auch physisch einiges abverlangt. In tiefer Frömmigkeit griffen sie zum Weihrauch, um in der Dunkelheit die bösen Seiten dieser Welt auszuräuchern. In bergigen Gebieten kam es dabei auch zu Perchtenläufen. Im Darstellen von Wesen mit grimmigen Gesichtern, Hörnern und Grimassen wurde versucht, das Böse abzuwenden und auszutreiben. Da und dort sind die Reste dieser Bräuche bis heute erhalten geblieben. Sie sind nunmehr wichtige Ereignis der dörflichen Gemeinschaft und haben einen nicht zu unterschätzenden Nebeneffekt: Die Überlieferung der Masken-Schnitzkunst ist mit der Aufrechterhaltung des Brauches gesichert.

Wie entsteht der Rauch?

Es ist schön, dass es bei den Perchtenläufen und auch beim häuslichen Weihrauchtragen sehr unterschiedliche Überlieferungen gibt. Für die Abhaltung gibt es keine übergeordnete Instanz, sie unterliegt dem ureigensten Anliegen der Familie, der Nachbarschaft und der kleinen Gemeinschaften.

Das Wort Rauhnacht hat also mit Rauch zu tun. Das Grundmaterial ist das getrocknete Harz der Boswellia. Diese zur botanischen Familie der Balsambaumgewächse zählende Baumart wächst vor allem in Somalia, im Oman und in Jemen und gedeiht ausschließlich in vorwiegend trocknen Regionen. Seit jeher gehört der aufbereitete Weihrauch – es sind feine Harzkörner – zu den kostbaren Exportgütern, er ist auch für Touristen in den Basaren des Nahen Ostens zu erhandeln. Es bedarf allerdings einer umfassenden Kenntnis, denn es gibt sehr wohl Qualitätsunterschiede.

Weihrauch und die Heilkunde

Die naturheilkundliche Verwendung des duftenden Harzes aus dem Osten muss erwähnt werden. Ein aus Weihrauch gewonnener Auszug kann vor allem dann helfen, wenn die Muskeln sehr beansprucht werden oder wenn die trockene und beanspruchte menschliche Haut eine Unterstützung braucht. Wird der heilige Rauch des Boswellia-Harzes in Kleiderschränke eingeleitet, so tötet dieser die schädlichen Bakterien und mildert gleichzeitig negative chemische Einflüsse, die im Holz oder im Wäschestoff enthalten sind. Wenn einem der Weihrauch in die Nase steigt, ist es nicht nur ein aromatischer Genuss, es ist vielmehr die duftende Markierung der winterlichen Feiertage. Das sind auch die Wegzeichen durch das Brauchtumsjahr.


Gwandhaus-Journal, Salzburg; 1111 steht nicht für eine Jahreszahl sondern ist das Zeichen für eine noch nicht ausformulierte Quellenangabe. Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.