Ein Projekt der Leader+Region

Brauchtümliche und musikalische Werte als Basis für eine neue Kultur- und Erlebnisinitiative. Betreuungsangebote für Leader+Regionen.

Bevor ich Auszüge aus der Projektbeschreibung zitiere, erlaube ich mir, folgende Gedanken voranzustellen. Erst mit dieser Begriffsbestimmung wird deutlich, welche Aufgaben mit der Bewilligung dieses Projekts auf uns zukommen.

Was ist eigentlich Volkskultur?

Sie ist die Kultur des Mitnehmens und Weitergebens
Sie ist die Kultur der Rituale im Generationenverband
Sie ist die Kultur der schönen Notwendigkeiten
Sie ist die Kultur des Beharrenden und auch des Fließenden

Sie ist also keine friedlich gleichbleibende, sondern eine sich an Lebensumständen reibende, an Neuem messende, den Gegebenheiten anpassende Kultur, sie ist eine schöpferische, kreative Kultur.

Jene, die Volkskultur betreiben, in ihr leben, fühlen sich an Formen, Farben und Klänge gebunden, sind aber auch gestaltend und verändernd unterwegs, sie wollen Tradition besitzen oder damit spielen, sie wollen sich auch von manchen Traditionen verabschieden dürfen und ebenso wieder welche erfinden.

Volkskultur lebt im Spannungsfeld zwischen Rückgriff und Weiterentwicklung, zwischen der eigenen Welt und der von den Medien dargestellten Welt, sie lebt im Spannungsfeld zwischen selber gebrauchen und für andere darstellen (Tourismus)

Die Kultur mit Schlagseite

Volkskultur hat also eine Schlagseite was die Eigeninitiative und Eigenverantwortlichkeit betrifft. Sie ist eine in sich lebendige Kultur und sie ist daher mit Lebensumständen verwoben. Volkskultur hat unmittelbar mit Hier-Leben-Können zu tun, also mit den Fragen der örtlichen Struktur, mit der Versorgung mit Schule, Post, Polizei, Gasthaus und Lebensmittel-Laden, letztlich auch mit der Arbeitsmöglichkeit vor Ort.

Dieser Humus in dem Kultur gedeihen kann, ist mindestens ebenso wichtig, wie die Versorgung mit Trachtentüchern oder Notenblättern. Das unterscheidet die hier gemeinte Volkskultur vom bestellten Kultursommer, -frühling, oder –herbst. Dabei bedarf es nur einer tüchtigen Agentur und des nötigen Budgets.

Was spielen – wir Volkskulturverbände – dabei für eine Rolle?

Die große Aufgabe der Volkskulturverbände ist es eigentlich, die Lücken zu schließen, Unterbrochenes wieder zusammenzuführen
und die kleinen aber feinen Netzwerke des Zusammenlebens zu pflegen.

Unsere Stärke (Volksliedwerk) ist es, dass wir keine künstlichen Termine brauchen, denn unsere Termine sind meist festgelegt, weil brauchgebunden. Und: Unser Vorteil ist es, dass wir uns ständig reiben müssen an der Tatsache, dass unser Engagement wegen seiner kleinen, nicht schlagzeilenden Schritte, meist unterschätzt wird.

Die wohldosierte Mischung zwischen Sozialengagement, Sinnstiftung im Generationenverband, Brauchpflege und der Pflege verschiedener Künste ist eben nicht nur Kulturangelegenheit, da bedarf es des Mitdenkens größerer Zusammenhänge, als dies bislang üblich war.

Im Klartext: Es wäre längst an der Zeit, unseren Budgetanteil (Volkskultur des Landes Steiermark) einmal mit zumindest 10% des Kulturressorts zu definieren. Die vorangegangene Darstellung ermuntert ja geradezu, die Leistungen der Volkskulturarbeit als Wertschöpfung zu definieren und damit viel höher einzuschätzen. Diese meine Einleitung war notwendig, um unser Engagement in den Leader+-Regionen einigermaßen verständlich zu machen.

Und nun zur Projektbeschreibung

Das Projekt trägt den Namen: „Brauchtümliche und musikalische Werte als Basis für eine neue Kultur- und Erlebnisinitiative“. Dazu bedarf es einer inhaltlichen Positionierung. Das Folgende wird vergleichsweise oft zutreffen: Bezaubernde Menschen besiedeln eine bezaubernde Landschaft. Das waren sie aber auch schon, die Attraktionen und jede noch so bemühte touristische Erfindung verschlingt Geld und steht doch im Schatten der natürlichen Ressourcen wie Bergkulisse, Menschenschlag, Wasser und Luft. Meist sind solche Landschaften weiträumig, unübersichtlich, schwach besiedelt.

Die Strukturschwäche lässt die jungen Leute abwandern, Luft und Wassergüte sind zu wenig Lebensqualität, um all die Umstände wie fehlende Schulen und Arbeitsplätze in Kauf zu nehmen. Und letztlich stößt auch der Versuch touristischer Vermarktung an die Grenzen.

Neben der landschaftlichen Schönheit und dem besonderen Menschenschlag gibt es aber gerade in diesen abgeschlossenen Siedlungsgebieten zahlreiche Schätze und Besonderheiten, die den Menschen vorerst nicht so besonders vorkommen:

Es gibt eine reizvolle mundartliche Färbung, kulinarische Eigenheiten, Märchen und Sagen, Lieder und Tänze sowie Gebräuche im Jahr- und Lebenslauf. Die Kenntnis historischer Zusammenhänge, der Siedlungsgeschichte bis hin zu Familiengeschichten ist ebenso ein Teil einer Lebensqualität, die gerade im schwach besiedelten Gebiet zur Entfaltung kulturellen Bewusstseins beitragen kann.

Das ergäbe letztlich:

Wertschätzung des Eigenen – statt Missachtung
Hilfe zur Selbsthilfe – statt eingekaufter Kulturprogrammen
Traditionen erleben – statt musealer Pflege der Überlieferung
Freude an Innovation – statt Unterschätzen der eigenen Ideen
Verbinden der Generationen – statt getrennte Jugend – und Altenprogramme

In Kenntnis und Wertschätzung regionaler Besonderheiten könnte eine Übereinstimmung erzielt werden, die eine lebenswerte Grundlage für die Bevölkerung anbietet. Es soll sich also lohnen, hier beheimatet zu sein. Andererseits soll diese Lebenswelt auch ein touristisches Standbein darstellen, das wiederum Arbeitsplätze bedeutet, denn: Lebenswert ist auch erlebenswert.

Aufgabenstellung der Leader+Regionen

In der Aufgabenstellung aller Leader+Regionen finden sich – einmal mehr, einmal weniger – Programme zur Erhaltung, Verlebendigung, Dokumentation und Weiterentwicklung von regionalen Traditionen. Eine gemeinsame Vorgangsweise in der Ausbildung der beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist also durchaus sinnvoll.

Teilbereiche des Angebotes sind ausgerichtet auf:
Vermittler (Hilfe zur Selbsthilfe anbieten), auf die Bevölkerung.

Die Ausbildungsmodule haben zum Inhalt
(Zielgruppe: Leaderpartner, Kulturarbeiter, Lehrer, private Vermittler)

Grundwissen (Vortrag + Diskussion) / Was ist Unterhaltungs- und Begegnungskultur?  /Was ist Kultur? / Der Wert und der Umgang mit Traditionen.

Musikalisch-poetische Kenntnisse (Kursangebote in mehreren Teilen, in Ergänzung von Schule/Musikschule, Einstieg in den Gebrauch) z.B. Lieder für die Geselligkeit, Jodler lernen, Tanzen und spielen, Bräuche erlernen, Rezepte, Erzählen, Erfinden.

Forschung (Kurs in mehreren Teilen + Exkursion) Sammlung von Musik, Poesie, Brauch, Märchen, Spiel, Ortsgeschichte, Rezepte, Handwerkliche Besonderheiten etc. Einführung in die Feldforschung, Praktischer Teil + Exkursion, Befragungen der Bevölkerung über regionale Medien Aufarbeitenden der Belege, Transkription.

Dokumentation (Einführung) Formulieren und dokumentieren in Schrift und Bild / Präsentationsformen

Publikation (Kurs in mehreren Teilen) Lieder – Tänze – Spiele – Rezepte – Geschichten Märchen-Bräuche. Lernen am Beispiel der Herausgabe von Liederbüchern. Grundsätzliches Wissen zu Auflage, Verkaufspreis, Verlagswesen.

Veranstaltungsmanagement (Kurs) Definieren der Zielgruppe / Fragen zum Zeitpunkt und zur Örtlichkeit / Mechanismen der Werbung / Fragen der Veranstaltungskultur / Fragen der Verantwortung und Risiko

Öffentlichkeitsarbeit (Kurs) Die Mundpropaganda – das regionale Medium, Presseverteiler erstellen, Schlagzeile und Textgestaltung, Auswahl der Medien für den jeweiligen Anlass, Einladung und Plakatgestaltung, Werbung über Internet, Veröffentlichung der Forschungsergebnisse.

Wie schaut das Ergebnis aus?

Mit diesem Kursangebot an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Leader+Regionen sollen traditionelle Unterhaltungsformen aber auch neue innovative kulturelle Formen beachtet, geübt und in vielen Einzelversuchen regional umgesetzt werden. Die intensive Beschäftigung – von der Nachforschung bis hin zur eigenen Betätigung im Vermittlungsprozess – soll für die Nachhaltigkeit dieser Initiative sorgen.

Es sollen – durch die Vermittler – möglichst viele Bewohner angehalten werden, sich zu beteiligen. Allfällige Publikationen sollen als Nachschlagwerk dienen und auch Gebrauchswert haben. Alle Teile dieser Initiative haben zwar vordergründig kein touristisches Ziel. Die gehobene Lebensqualität und das damit verbundene besonderes Lebensgefühl wird aber auch für den Besucher der Region ein besonderer Anreiz sein. Im Grunde genommen ein alter Hut? Aber auch der gehört hie und da gelüftet….

Warum wurde dieses Projekt genehmigt?

Weil Basisarbeit zählt, weil Befähigung und Nachhaltigkeit zählt. Es ist gelungen ein Projekt an Land zu ziehen, das den Nerv unserer aller Kulturarbeit betrifft. Wenn schon „Nerv“: Wir könnten es Wurzelbehandlung nennen. Volkskultur ist nicht die Summe von Vereinen und Initiativen, sondern deren Wirkung für das Zusammenleben in den Regionen.

Das alles ist die Grundbedingung für Fest/Feier/Brauchverhalten – und für das Prädikat „Unverwechselbarkeit“, das ja gerne als Schlagwort im Bemühen um den Touristen benützt wird. Der Inhalt aber könnte Anlass sein für ein Überdenken unsere Arbeitsmethoden. Etwa, in dem wir statt vereinsspezifische Sonderformen, mehr allgemein zugängliche Angebote machen. Vernetzung heißt hier nicht nur Freundschaft und Zusammenwirken von volkskulturellen Einrichtungen. Vernetzung würde heißen, Bedürfnisse und Angebote abstimmen, Nachbarn zusammenführen, eigene Stärken zur Verfügung stellen, andere Stärken gelten lassen und nützen.

Unser aller Bemühen müsste es sein, unsere Inhalte mehr als bisher für die Lebensqualität der Region nutzbar zu machen. Wir werden über die Entwicklung gerne informieren und mit speziellen Wünschen an Sie herantreten.


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