Was ist eigentlich Volkskultur?

Volkskultur ist Lebensgestaltung in überlieferten Ordnungen. Gemeint ist die Generationen übergreifende Einbettung des Menschen im Jahres- und Lebenskreislauf.

Welches Bild entsteht aber von Volkskultur?

In der Öffentlichkeit wird Volkskultur ausschließlich an deren bunt-plakativen Teil gemessen und wahrgenommen. Ein wesentlicherer Teil der Volkskultur liegt aber außerhalb des Musik- Tanz- Mundart- und Trachtenwesens. Es sind dies die Rituale in der Familie und der Nachbarschaft, Brauchtum, Tischsitten und Anstandsregeln, Umgangssprache sowie Handlungen rund um die Geburt und das Sterben. Volkskultur ist also nicht nur in Vereinen zuhause.

Tragen, gestalten, vergessen, neu erfinden – Zeichen von Volkskultur

Die Menschen wählen stets eine eigenständige Mischung von Lebenskultur, nämlich einen Anteil an überlieferter Ordnung und einen Anteil aus neuen Lebensentwürfen, wobei dieser Teil vom Bildungsstand, der Arbeitswelt, der gesellschaftlichen Entwicklung, vom Tourismus, von Medien etc. geprägt ist. Volkskultur war also nie ein für sich geschlossener Lebensentwurf, sondern ein über Generationen gestalteter Prozess, dessen Lebendigkeit nicht ausschließlich am Originalen erkennbar wird. Die Lebendigkeit entsteht gleichsam aus dem Spannungsfeld zwischen Fortschreiten und Rückbesinnen, zwischen Tradition und Innovation. Mit Volkskultur ist – in einer Welt der Kunst- und Kulturproduktionen, des Nostalgiemarktes, der Verwertung aller Kultur (Medien, Tourismus, Museen) – das Leben mit Traditionen gemeint.

Die Bevölkerung – die Volkskulturvereine.

Volkskulturvereine sind von ihrer Aufgabenstellung her Entschleuniger. Sie tragen das Original weiter, haben aber auch gesellschaftspolitische und karitative Funktionen. Ein Vielfaches von Volkskultur ist aber in der Bevölkerung verankert und bedarf keiner Vereinsstruktur. Hier findet man den kreativsten und anpassungsfähigsten Teil von Volkskultur. Bestes Beispiel dafür sind Einzelsänger, die keinen Unterschied zwischen Volkslied und Schlager kennen, aber beide Gattungen singen können.

Wer von Volkskultur spricht, darf also nicht nur die in Verbänden organisierten Menschen sehen. Die in Gruppen erfassten Sänger, Musikanten, Tänzer, Mundartsprecher, Blasmusiker und Trachtenträger sind nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Volkskulturarbeit muss sich auf alle Menschen im Lande beziehen. Die effizienteste Förderung von Volkskultur ist also immer eine, die darauf angelegt ist, die Freude am Übernehmen, Gestalten, Erfinden und auch Verwerfen zu fördern.

Volkskultur entwickelt sich also selbstständig

– aus den oben angeführten Gründen. Starke Triebfeder ist aber – in einer instabilen und schnelllebigen Zeit – auch die Sehnsucht nach Bewährungen, nach einigen Haltegriffen. Es ist also nicht verwunderlich, wenn sich heute auch weltgewandte Personen aus hochtechnischen Berufen zu Volkskulturinhalten hingezogen fühlen. (Lederhose und Laptop)

Das Dilemma des Begriffs Volkskultur

Heute gehören zum Forum Volkskultur: Blasmusik, Volkstanz, Trachtenvereine, Chöre, Mundartdichter, Museen und Heimatwerk. Dass von diesen auch das vielfältige Brauchtum und die vielschichtige traditionelle Lebensweise in der Steiermark mitgedacht werden muss, weil sie sonst nicht vertreten sind, ist wohl selbstverständlich. Nicht alles aber, lässt sich in Vereinen fördern. Als bestes Beispiel seien die regionalen Mundartfärbungen genannt. Aber viele dieser Inhalte ließen sich auch anders einordnen und im Rahmen der Allgemeinbildung fördern: Schule, Erwachsenenbildung, Soziales, Musikausbildung, Wissenschaft, Internationales, Tourismus…

Mit dem Begriff Volkskultur muss also heute viel mehr als früher gemeint sein. Durch die breite Verankerung in der Bevölkerung ist sie ein Steigbügel für jedwede erste Entfachung von kulturellem Interesse. Statt „Blut und Boden“ nunmehr „Herz und Sinn“ – müsste man sagen. Die Steiermark hat die besten Chancen, dem schwammigen Begriff Volkskultur, eine weitsichtige kulturpolitische Weichenstellung hinzu zu stellen.

Die Förderung von Volkskultur

Das Aufstellen von Reglements ist einer gedeihlichen Volkskulturpolitik eher abträglich. Es bedarf stets der großen kulturpolitischen Betrachtung. Wichtig ist der Humus auf dem Volkskultur erprobt, erfunden und weiter gesponnen werden kann. Demnach ist das Lebensmittel Volkskultur dem Genussmittel Volkskultur vorzuziehen, wenn es um Methoden der Förderung geht. Im Klartext: Bei allem was bereits durchgeführt und aufgeführt wird, sollte sich die Kulturpolitik zurückhalten, dafür aber Begegnungen und Prozesse fördern.

Die Kulturpolitik sollte sich also stets als Förderungssplittung in folgenden Bereichen sehen: Erhaltung von Kulturgut, von Lebensqualität und Identität, Beitrag zum Tourismus, Beitrag zur Verbindung zwischen den Generationen, Beitrag zur Bildung, Beachtung als soziale Wertschöpfung, Arbeitsplatzsicherung (Jugend bis Senioren) Maßnahme zur Standortsicherung (Hohe Lebensqualität als Anreiz).

Es sollten alle Maßnahmen ergriffen werden, um Kompetenzen zu stärken, Serviceleistungen und Bewusstseinsbildung zu sichern, um ein Klima für den kreativen Umgang mit unseren Traditionen zu schaffen.


Bei der ersten Forum Volkskultur-Besprechung nach Übernahme des Ressorts Volkskultur durch LH Stellvertreter Hermann Schützenhöfer stellte dieser zu aller erst an uns die Frage: „Was ist eigentlich Volkskultur“? Daraufhin entstand dieses Statement; 1111 steht nicht für eine Jahreszahl sondern ist das Zeichen für eine noch nicht ausformulierte Quellenangabe; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.