Wastl Fanderl hat alles zurückgelassen: Sein Haus, seine Familie, seine Lieder…“ meinte Walter Deutsch in einer Gedenkrede anlässlich der jüngsten Hauptversammlung des Österreichischen Volksliedwerkes zum Ableben des großen Sammlers und Volksliedpflegers Wastl Fanderl.
Wastl Fanderl – ein klingender Name bleibt
Er ist unweigerlich verbunden mit dem Liedersammeln und mit dem Liedersingen. Sein Leben und sein Wirken fand in vielen Publikationen Niederschlag. Er war lange Jahre der Schriftleiter der bayrischen Sänger- und Musikantenzeitung, natürlich der Initiator dieser Zeitschrift, Autor von Liederblättern und Liederbüchern, Gestalter von Rundfunk- und Fernsehbeiträgen – zuletzt Gewährsmann für die jüngere Forschergeneration. Man hat über ihn und sein Werk geschrieben. In jeder Liederbüchersammlung werden wir auf seinen Namen stoßen. In seiner Kinderliedersammlung „Hirankl Horankl“ ist das Ergebnis einer besonderen Zuwendung zur jüngsten Generation erkennbar. Es ist die Niederschrift einer gelebten Vater- zuletzt – Großvaterrolle.
Seine Beziehung zur Steiermark
Seine besondere Beziehung zur Steiermark konnte ich nie recht ergründen, doch sehr wohl erahnen und erleben. An den Tanzgeigern – in der frühen Besetzung ebenso wie in der heutigen Formation hatte er ein, über das Musikalische hinausreichendes Interesse. Der große Pfleger sah im kraftvollen Stil übermütiger Musikanten und deren „lockeren“ Umgang mit der Überlieferung einen Ausweg aus der drohenden Erstarrung gepflegter Volksmusik. In der starken Personifizierung und Abwendung von vorgegebenen Klischees sah Wastl Fanderl ein Ebenbild zu früheren Musikantengenerationen.
Weisheit und Güte
Zuletzt feierte er noch seinen 75. Geburtstag und kam dazu auch in die Steiermark. Sosehr ich es auch versuche, ich erinnere mich nicht mehr an die letzten Worte, die ich mit ihm gewechselt. Vielleicht ist die Sehnsucht nach so einer Letzt- Erinnerung auch unwesentlich und die Erkenntnis, dass Erinnerungen verblassen, schmerzlich. Die Frage nach dem was bleibt, sollten wir in den Hintergrund stellen und uns wünschen zu wissen, was Wastl selbst uns als Botschaft sagen wollte.
Er – der Genießer des Augenblicks – schenkte nicht nur der Musik und Poesie seine ganze Zuwendung. Für ihn war ein schelmischer Blick keine Routine und ein Bussl keine Formsache. Er liebte das Dasein und hatte die Kraft und die Ausstrahlung für das Heute, die andere für die Sehnsucht nach dem Morgen verschwenden. Seine geschliffene Sprache nahm jeder Erzählung den Anschein von Geplauder. Selbst der Ruf nach einem Glas Bier erhob die Kellnerin vom Dienstbotendasein in den Adelsstand des Augenblicks. Wastl Fanderl wäre auch ohne sein klingendes Erbe ein großartiger Mensch gewesen. Wer weiß, ob wir ihn dann kennengelernt hätten. Somit haben Lied und Musik den Wastl so vielfach erlebbar gemacht. Sie standen Zeit seines Lebens über und neben seinem Namen. Nun, da er selbst verstummt, zählt der Eindruck, den seine Weisheit und Güte hinterlassen haben.Erich Mayer: Ein Leben lang ins Volkslied verliebt. Ernst Schusser: Die Sammlung Fanderl. Beide in: Sänger- und Musikantenzeitung, München 33. Jahrg. Juli/August 1990; Wastl Fanderl: Oberbayrische Lieder. Ehrenwirth-Verlag München, 1988; Wolfi Scheck: Is ’s a Freud auf da Welt – Lieder von Wastl Fanderl. Herausgegeben vom Volksmusikpfleger Bezirk Oberbayern, München 1987; Wastl Fanderl: Hirankl – Horankl – Liadl vom Alpenland. Verlagsanstalt Gebr. Richter, Erfurt 1943 und viele andere…
Der Vierzeiler, Nr. 1/1991; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.