Besser das Herz am rechten Fleck als in der Hand des Chirurgen

Liebe nunmehr zertifizierte Jodlerinnen und Jodler!

Die lange und kurvenreiche Annäherung an Johnsbach hat es ja schon in sich: Da geht es durch dichten Baumbestand, Geröllhalden und Felskrater. Links und rechts der Straße hausen nichts als wilde Natur, Fliegenpilze, Brom- und Braunbee(ä)ren nebst den seltenen Exemplaren der Fauna. Etwa die stängellose Vaskana, die Blütenpracht und der betörende Duft der Variabotanikawisatis. Und plötzlich tut sich der Berg auf und wir schlüpfen felswändig hindurch wie aalglatte Lurche auf der Suche nach zirbaler Feuchtigkeit. Ein Bergsteigerdorf wird heimgesucht…

Drinnen aber im Tale bricht die lächelnde Freundlichkeit

…über uns her, es kölbelt bis hinein in den Herzmuskel und lässt uns die Problemzonen erbeben und vergessen. Was aber kaum jemand ahnt: Nur wenige Kilometer liegen zwischen dem hier beheimateten kulinarischen Hochgenuss und dem schönsten Ende der Welt, wo sich der Bergschuh gegen Himmel wendet, wo forthin auf wolkenweichen Lagern unser aller Ewiges angesiedelt und universal jodelnd zum Himmel schreit. Wau – welch pompöse Aussicht…

Lasst Euch nicht verunsichern

…durch die motorgetriebene Rückkehr ins Qualtal, wo sich die Alltäglichkeit, der Heizthermostat, die Spülmaschine und das geplünderte Bankkonto befinden. Lasst Stechuhren, Vorstandssitzungen und Mülltermine links liegen, ebenso den Servicetermin für das Auto und das Gespräch mit dem Rechtsanwalt. Macht das alles mit dem Fingerschnippser und legt Euch ganz drinnen im Erinnerungs-Stick auf Lager, dass es neben dem Kreisverkehr auch die permanente Jodelschleife gibt, die JodlerApp und die Erinnerung an das Gefühl der Abgehobenheit auf der Alm und in die eigene Klangwelt. Hab ich noch Eure Aufmerksamkeit? Dann weiter:

Schön, dass es Euch gelungen ist

…die Töne ganz drinnen im Schlunde zu formen, sie mit Emotion und Speichelpartikel aufzuladen, bevor sie empor geschleudert an den Mandeln vorbei am Gaumen schrammen und von der Zunge trällernd mit Tremolo versehen das Zwielicht dieser Welt erblicken.

Oh, welch Vergnügen hatten wir damit, Euch zu beobachten, die geglätteten Stirn- und Gesichtsfalten, die verschobenen Kiefermuskel und schlabbernden Gesichtshälften, schräg gestellte Nasenbeine und dazu – ach Du hoher Genuss – die verklärten Augen, mitunter auch geschlossen-entrückt. Ich sah auch steil aufgestellte Knie und zuckende Nackenmuskel, eine Kandidatin hatte beide Füße um die Sesselbeine geschlungen, dem Abheben entgegen wirkend. Das alles sei erwähnt, um dem Vorwurf der Oberflächlichkeit dieser Zusammenkunft zu zerstreuen.

Danke für das Vertrauen in unsere Viererbande

…für die bedingungslose Auslieferung Eurer Seele an unseren Attacken und der altmodischen pädagogischen Frontalorgie.

Ja, der Ausnahmezustand war ausgebrochen und nun lassen wir Euch im Elend des entstandenen Vakuums zurück und warnen vor Singenthaltsamkeit und der Gefahr des Verstummens. Besser wäre ja Sprachlosigkeit als Liedenthaltsamkeit, zuweilen ist es besser ein Lied auf den Lippen als eine Fieberblase eben dort zu haben. Besser den Kopf voll Melodien als voll mit Kontonummern und Geburtstagen, besser das Herz am rechten Fleck als in der Hand des Chirurgen, besser die Seele baumeln zu lassen als sie zu verkaufen. Ist das einigermaßen verständlich?

Wir empfehlen gerne das Johnsbachtal

…als Ausgangspunkt für die schönsten Schitouren, für Wanderungen von Hütte zu Hütten und Bergtouren auf den glatten Wänden mit waghalsigen Verschneidungen. Und: Wir empfehlen allen Überlebenden dieses gewagten Jodelkurses weitere Kurse in maßvoller Dosis nebst liebevollen Jodelkursgeschenken an entsetze Verwandte.

Und so verbleiben wir – Euch die Noten übermittelnd und Euch als Zertifizierte betitelnd – Eure vom Auftrage beseelten Jodeldompteure, die auf weitere Lektionen in unerbittlicher Strenge stets vorbereitet sind…


Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern unserer Jodelkurse und Musikwochen werden im Nachhinein nicht nur Liedertexte und Noten zugesandt, sondern auch ein brieflicher Gruß als Resümee „nach getaner Tat“; Hier ein Brief nach einem Jodelkurs in Johnsbach im Gesäuse, 2017; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.