Ein Sonderfall: Der Schürzenjäger

Zuerst einmal sei angemerkt, dass sich niemand frei weg als Schürzenjäger bezeichnen würde. Er ist sein Leben lang auf der Pirsch, gefällt sich in dieser angriffigen Rolle und die Weiblichkeit ist gefälligst dazu auserkoren, ihn zu ertragen. Ihm mangelt es also nie an Selbstbewusstsein und Selbstverliebtheit, an Ausdauer und Beharrlichkeit.

Erkennbar an den süßlich-sympathischen Worthülsen

Seinem Zielobjekt aber mangelt es oftmals an kraftvoller Abwehr, die dem Jäger durchaus zustünde. So viel kaltschnäuzige Anmache ist der dosierten Schmeichelei nämlich viel zu weit entfernt. Daher löst sie zuallererst einmal Empörung aus, die der geübte Jäger missverstehen will und wohlweißlich als Zuspruch wahrnimmt. Er, der Oberschürzenjäger – ausgestattet mit nicht mal einer Spur von Selbstkritik – findet sich unwiderstehlich und entwickelt sogleich süßlich-sympathische Worthülsen, um das Opfer um den Finger zu wickeln. Ja, es ist einigermaßen schwer, sich dieses Szenario im emanzipierten 21. Jahrhundert vorzustellen.

Casanova, Herzensbrecher oder Weiberer?

Wer aber meint, dass sich die Zeiten geändert haben, der irrt. Der Begriff „Schürzenjäger“ stammt der aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Das war jene Zeit, als das Weibliche am Kopftuch, an den Tätigkeiten des Kochens, des Waschens und Windelwechselns, die ihm ausschließlich zugeteilt waren, und eben auch an der Schürze erkennbar war. Diese gehörte damals tagaus, tagein zum dienenden Frausein. Der Schürzenjäger wurde aber bald um andere Begriffe ergänzt: Es gab bald einmal den Casanova, den Don Juan, den Frauenheld und den Herzensbrecher. Eher volkstümlich ist der allseits bekannte Weiberheld und – noch treffender – der bis in unsere Tage stets präsente Weiberer. Auf alle Fälle sind diese männlichen Sonderausgaben das Gegenteil vom Kavalier, den sich Frauen gerne wünschen würden.

Süßholzraspeln als brandscharfe Munition

Der Schürzenjäger aber ist ein Einzelgänger, er wähnt sich alleine und würde niemals eine Konkurrenz ankerkennen. Und genau aus diesem Grunde, wurde noch nie ein Schürzenjäger- Bundesverband(*) gegründet. Des Schützen Munition besteht aus permanentem Süßholzraspeln, aufgesetztem Charme und unkontrollierter Zudringlichkeit. Stellt sich aber der Erfolg nicht gleich ein, erzählt er auch gerne von einem frei erfundenen Schicksalsschlag, erzeugt dadurch Betroffenheit und Anteilnahme. Und da ist sie schon – die erhoffte Zuneigung. Ja, der Schürzenjäger anerkennt keinen Widerstand, keine Grenzziehung, er zieht alle Register. Er kennt kein Pardon und auch keinen Nebenbuhler, selbst der daneben sitzende Ehemann ist für seine Avancen kein Hindernis.

Ein Hoch der guten alten Ohrfeige

Angemerkt sei hier, dass es sich beim Berufsjäger um einen ehrbareren Stand und es sich beim Schürzenjäger offensichtlich um einen Wilderer handelt. Während die Gerichtsbarkeit neuerdings dem Stalker an den Zahn fühlt, ist der Angriff durch einen Schürzenjäger ausschließlich der Selbstjustiz überlassen: Die gute alte Ohrfeige hat sich immer noch als ein heilsames Mittel bewährt. Und sollte nun noch die Frage nach dem Rollentausch im Raum stehen:  Die weibliche Jagd auf die Männerwelt soll es nur in Erzählungen geben…

(*) Es hat sich bislang erübrigt, eine Jagdaufsichts-Behörde ins Leben zu rufen. Beim Schürzenjäger handelt es sich um keinen Beruf, sondern um eine drängend-leidenschaftlichen Berufung. Aus diesem Grunde würde sich auch die Einführung einer amtlichen Jagdprüfung kontraproduktiv auswirken. Diese sehr individuell ausbrechende Jagdleidenschaft darf jedoch in kein Regulativ gezwungen werden, denn dies würde der von der Weiblichkeit gewünschten Vielfalt der Spezis Mann widersprechen.


FRÜHER WAR ER SCHÜRZENJÄGER

Opa ist jetzt vierundneunzig
Und das Laufen fällt ihm schwer,
Doch er läuft noch immer mühsam
Hinter jungen Frauen her.

Früher war er Schürzenjäger,
Heute ist er alt und krumm –
Blickt noch immer nach den Frauen,
Doch er weiß nicht mehr warum.

Ewald Patz, Dichter aus Niedersachsen (1928-2013)


Beitrag für das Gwandhaus Journal, Salzburg 2020, Ausgabe 30 S. 72/73; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.