Wås is a Haftlmåcha?

Eine heute noch übliche Redensart verbirgt in sich die Erinnerung an ein längst vergessenes Handwerk:Lange vor dem Reißverschluss (ab 1851) und dem Klettverschluss (ab 1951) waren es die Hafteln, die schon ab dem 14. Jahrhundert bei den Kleidermachern Verwendung fanden. Die Haken und Ösen – Mandln und Weiberln – wurden von Haftelmachern aus feinem Eisendraht oder auch aus Buntmetall passgenau zu zierlichen Hafteln zurechtbogen. Dabei waren gute Augen und Konzentration vonnöten, man musste eben „wie ein Haftelmacher aufpassen“. Und da haben wir sie schon: Die Redewendung.

Die Entdeckung des Sexappeals bei Männern und Frauen

Im selben Jahrhundert traten der Knopf und das Knopfloch ihren großen Siegeszug an, sie konnten die Hafteln aber nicht gänzlich verdrängen. Diese blieben wegen ihrer dezenten Unsichtbarkeit bis in unsere Tage erhalten. Mit dieser Erfindung aber, ging im 14. Jahrhundert auch die Entdeckung des Sexappeals bei Männern und Frauen einher. Sie begannen ihre Kleidung enger an den Körper anzupassen und im Hals- und Brustbereich Haut – oder zumindest Hemd – zu zeigen. Was heute züchtig anmutet, war damals schon ein Wagnis und führte auch zu vehementer Ablehnung durch die Sittenwächter der Obrigkeit.

Haftln sorgen für dezente Unsichtbarkeit

Bei den Damen fanden und finden die unsichtbaren Verschlüsse bei der Überbekleidung und heute hauptsächlich bei der Unterwäsche Verwendung. Den Uniformen der Herren aber verliehen die unscheinbaren Dinger einst eine saloppe und stramme Passform.

Und nun stellt sich die Frage, warum ich dem Haftel hier und jetzt ein schriftliches Denkmal setze? Das erkläre ich allzu gerne:

Während Knöpfe, Spangen und Bänder immer auch zur optischen Note beitrugen und nach außen Würde, Reichtum oder Standesbewusstsein signalisierten, erfüllten die Hafteln ihre Aufgabe bescheiden im Verborgenen. Sie sind nämlich einzig und alleine dem Nützlichen dienlich, sorgen für die hautnahe Passform, verstehen es, dem Ausufern der Figur Einhalt zu gebieten und andererseits das zu Wenige graziös zur Geltung auszubauen.

Sicherheit und Verantwortung

Kurz und gut: Die kleinen Dinger verdienen unseren gebührlichen Respekt. Sie dürfen nicht scheueren und nicht drücken, sorgen für Sicherheit und tragen damit auch eine hohe Verantwortung.

Wem von uns Männern es jemals zugestanden wurde, in trauter Stunde die Ösen von den Haken zu trennen, kann sich glücklich schätzen. Zeit seines Lebens wird man ihm ein gewisses Fingerspitzengefühl nicht mehr in Abrede stellen können.

Der langen Worte schöner Sinn: In Redewendungen gibt es so manche Kulturgeschichte zu entdecken, die bis in unsere Tage hinein spielt. Die Haftelgeschichte aber ist umso köstlicher, weil sie von der Tabuzone zwischen Haut und Gewebe erzählt, der im wechselweisen Verdecken und Entblößen auch ein Hauch von Erotik innewohnt. Und dass bei einem solch pikanten Thema dem Anstand und der Sittlichkeit eines seriösen Pfarrblattes entsprochen werden muss, darauf achtet der Autor – wie ein Haftelmacher.


Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 10/2018; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.