Wenn Sie wollen, dürfen Sie mit mir die Überlegung anstellen, wohin der Fortschritt geht, ob er weiß, wohin seine Schritte führen und ob er gar einmal kränkeln wird?
Manches Mal ist er ja auch schon aufgedeckt worden als Schwindler: Er hat uns Dachschindel aus Asbest eingeredet, die wir heute teuer entsorgen müssen. Dem nicht genug: Wir müssen heute die schönsten Teile unseres Alpenlandes vor ihm schützen und in Sicherheit bringen. Ja, deren Beispiele gibt es viele. Also bitte ich Sie, keinen ungebührlichen Respekt vor dem Fortschritt zu haben. Ein gewisses Maß an Skepsis ist alleweil angebracht, denn in manchen Fällen ist die vermeintliche Rückständigkeit plötzlich „trendig“, wie der Neusteirer heute sagt.
Am Anfang war das Wort
Und damit schwenke ich zur Musik, weil es mir letztens von einer Leserin nahe gelegt wurde: „Ich habe von Ihnen mehr Beiträge über Musik erwartet“, so die Klage. Also greife ich zurück zu den Anfängen: Da war bekanntlich das Wort und seine Sprachmelodie. Der Gesang war also schon auf den Lippen, es bedurfte nur mehr der Emotion, um ihn zum Klingen zu bringen.
Ohne allzu ins Detail zu gehen: Wir wissen natürlich, dass nach dem Wort gleich einmal die Musik kam und erst dann die Noten erfunden wurden. Und dass Musik zu allererst eine dienende Rolle spielte. Sie war ein Teil der Rituale, ein Mittel der Verständigung, Labsal in schlechten und Rauschmittel in guten Zeiten.
Wann hatte Musik des höchsten Wert?
Ja, Musik, war einmal die flüchtigste aller Künste. Ein Ton der gerade geboren wurde, war schon wieder verklungen. Und gerade deshalb hatte Musik damals den höchsten Wert aller Zeiten. Sie war der Vergänglichkeit ausgeliefert und deshalb hatte der klingende Augenblick die allergrößte Aufmerksamkeit und Wertschätzung – seit es Menschen und die Musik gibt.
Musik: Vom Fortschritt entwurzelt
Erst im Jahre 1860 erfanden wir die Tonaufzeichnung und die Frage steht im Raum: Kann es sein, dass mit diesem Fortschritt die Glanzzeit der Musik ein Ende hatte? Weil wir uns an die Konserve gewöhnt haben und uns permanent beschallen lassen? Weil wir keine Stille mehr kennen und uns die Sehnsucht nach Musik abhanden gekommen ist?
Ja, und deshalb sollten wir uns nicht permanent musikversorgen. Die Konserve aber – die uns der Fortschritt schenkte sollten wir nicht als Ablenkung missbrauchen, sondern der Erbauung zuführen. Vielmehr als der Konserve ist aber dem Original zu huldigen: Hier und jetzt wird Musik gespielt und ich bin ihr im Augenblick nahe, nehme mir Zeit, mitzuklingen.
Ja, so ist es und vor Dauerbeschallung sollten wir uns hüten, uns von akustischem Müll trennen lernen. Ja, die Dauerberieselung mit Musik ist ein kultureller Niedergang. Sie ist ein Fehltritt des Fortschritts.
Härtels kleines Credo, Martinsbote des Pfarrverbandes Deutschfeistritz-Peggau, Übelbach, 2018; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.