Kultur ist: Selber singen…

Ja, das wusste schon Günther Nenning (1921-2006), der Publizist, dem alles Aufgesetzte ein Gräuel war. Eine bessere Erklärung – als diesen Satz – habe ich nirgends mehr gefunden, wenn es um die Frage ging, was denn Kultur bedeute. Er hätte seine Freude an der hier im Tal geübten Unbedarftheit und Herangehensweise an die Musik gehabt. Wo doch angeblich so viel vorausgesetzt wird, bevor Musik erklingen darf: Da müssen Begabte her, die die Musik im Blut haben und promotet werden, es müssen Boxen aufgebaut und Kabel gelegt werden – in geeigneten Locationes. Bitte ja, das soll es auch geben, Kultur aber ist:

Singen – aus dem Ärmel heraus

Nach der Wanderung, nach der harten Arbeit oder nach dem Gipfelsieg oder auch weil wir gerade gut drauf sind, zusammen zu sitzen, bis wir uns alles gesagt haben. Dann erst sind die ersten Töne zu hören, wird auch die Harmonika in die Hand genommen. Es sind immer wieder besondere Stunden der Unterhaltung und der ganz feinen Begegnung auf höchster Ebene, weil wir selber die Instrumente sind, mit der hellen hohen oder mit der vollen tiefen Stimme. Und das geschieht aus dem Ärmel heraus und aus der Sehnsucht nach dem glückhaften Dasein. Dasselbe ist nämlich erst schön, wenn wir davon in Liedern erzählen können und wenn sich mitunter die Zeit strecken lässt – in die Unendlichkeit. Das klingt jetzt wie eine Schwärmerei und ist auch eine, denn die Stunden im Gleichklang sind Sternstunden.

Ein Zeichen der Lebendigkeit

Ja, wir sind hier gesegnet von solchen Erlebnissen und auch deshalb, weil unsere Almhütten und Gaststätten den Teppich für das Singen bereiten. Dieses Liederbuch ist auch ein Zeichen der Dankbarkeit allen jenen gegenüber, die Texte und Melodien bis in unsere Tage überliefert haben. Und es ist ein Zeichen der kulturellen Lebendigkeit unseres Tales. Es soll viele zum Singen bringen, die bislang dem versonnenen Zuhören gehuldigt haben. Das Selberklingen ist nämlich Labsal für Herz und Seele und es sei deshalb allen anempfohlen.


Geleitwort im Übelbacher Liederbuch, Übelbach 2016; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.