Reichtum und Armut

Reichtum ist es, wenn wir wissen, wo wir zuhause sind, wenn wir uns auf die Nachbarn verlassen können und wenn wir uns dazugehörig fühlen, weil wir im Ort gegrüßt werden. Reichtum ist es auch, wenn wir schöne Erinnerungen an unsere Eltern und Großeltern haben und wissen, wo wir herkommen, wenn wir uns eine Bleibe erarbeitet und wenn wir uns den Herrgottswinkel selbst gestaltet haben. Ebenso aber auch, wenn uns Kinder geschenkt werden, wenn wir uns in den Enkelkindern selber erkennen und wir deshalb vor der Vergänglichkeit nicht zurückschrecken brauchen.

Reichtum ist es auch

…wenn wir die Jugend genießen und das Alter erleben können, wenn wir so gesund sind, dass uns alle Speisen schmecken dürfen und wenn wir im schlimmsten Kranksein begleitet werden und in der Verzweiflung Beistand finden. Ja, Reichtum ist es auch, wenn wir Gastgeber sein und den eigenen Wohlstand und das Glück teilen können. Es ist auch eine Form von Reichtum, wenn wir im Wirtshaus frei von der Leber weg reden, unsere Regierenden kritisieren und auch frei wählen dürfen.

Reichtum ist es aber auch

…wenn uns die Arbeit erfüllt und wir unseren sinnvollen Platz im Leben gefunden haben, wenn wir aus dem Urlaub gerne wieder heimkommen und wir das Daheimsein loben und genießen können. Ebenso, wenn wir im großen Angebot der Literatur einen Autor gefunden haben, der uns anspricht und dem wir Wort für Wort folgen können. Ebenso, wenn wir unter tausenden Musikstücken von einigen so berührt werden, als wäre die Musik für uns erdacht.

Reichtum ist es auch

…wenn unsere Bäume Früchte tragen und im Keller die bunten Gläser mit Köstlichkeiten lagern, wenn wir gutes und schlechtes Wetter als einen Teil der Natur erleben und annehmen können und wenn uns das Himmelszelt jedes Mal wieder beeindruckt. Ebenso, wenn uns das einfache Butterbrot noch schmeckt und wenn wir aus der Wasserleitung trinken können.

Reichtum ist es aber auch, wenn wir das vielfältige Brauchtum des Jahres mit vielen anderen teilen und den Sonntag noch ehren können, wenn wir uns zu Weihnachten vom Kaufrausch und Trubel lösen können und wenn wir wissen, was wir in der stillsten Zeit zu tun haben.

Reichtum ist es

…wenn wir mit der Räucherpfanne gehen, bei der Rorate die alten Lieder singen, von frühen Zeiten erzählen, die Weihnachtskekse selber stechen, am Friedhof die Kerzenlichter anstecken, die Weihnachtskrippe aufstellen und in freudiger Erwartung sein können. Reichtum ist es auch, wenn uns die großen Geheimnisse nicht verunsichern, sondern bestärken.

Und was ist dann Armut?

Eine durchaus schlimme Form von Armut ist es, wenn wir nicht wissen, was Reichtum ist.


Pfarrblatt „Martinsbote/Laurentius“ des Pfarrverbandes Deutschfeistritz/ Peggau/ Übelbach, 12/ 2015; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.