Die schönste Abgehobenheit ist es wenn wir singen…

Dieses Liederbuch hat unmittelbar mit unserer Musikwoche zu tun, die zuvor immer wieder den Standort wechselte, von Südtirol kommend über die Soboth in die Oststeiermark, später ins Mariazellerland bis nach Hinterwildalpen und dann Fuß fassend im Johnsbachtal vor Anker ging.

Eine große Reise war das, mit vielen schönen landschaftlichen Eindrücken, freundschaftlichen Begegnungen und kulinarischen Genüssen. Die seien hier auch erwähnt, denn es sind die Wirtsleute, die mit ihrer Herberge das Gebirge zugänglich machen und die mit ihrem Sensor für Stimmungen auch der Erzählkunst und der klingenden Mitteilsamkeit im Menü einen Platz geben. Sitzenbleiben gewinnt, nachdem es aus dem Schulbetrieb eliminiert wurde, im Wirtshaus eine ganz neue Bedeutung, eine, die der Verlängerung des Glücks gleichkommt.

Der atmosphärische Humus

Die Musikwoche war also in Johnbach angekommen und es blieb dabei. Die Wanderschaft war aus, denn der atmosphärische Humus hat uns Wurzeln schlagen lassen. Welche zu den Eingeborenen, welche zu den Wirtsleuten und auch welche zu den üppigen Schönheiten. Der Wasserfallweg mag zuerst beschwerlich anmuten, dennoch ist es eine Wohltat ihn gegangen zu sein und auf die frischen saftigen Matten inmitten der schroffen Steinwüste aufzutauchen. Die Almwanderungen sind schon Musik selbst wie sie uns im Ländlertakt zu Fermaten führen, wo wir es wahrlich aushalten können. Und erst im Winter, wenn wir unsere Spur mit den Brettln in die weiße Decke schneiden und den Unbilden ausgesetzt sind. Sommer wie Winter tut uns die Rückgezogenheit gut, eine, bei der einem die Jodlermelodien öfter einfallen als wo anders auf der Welt. Johnsbach – das schönste Ende der Welt ist eine zweideutige Metapher für die Akzeptanz der Vergänglichkeit.

Jubiläumsgeschenk: Ein Liederbuch

15 Jahre Musikwoche ist noch keine große Zahl und dennoch ist sie eine, die sich in hundertfache Beziehungen und tausendfache Stunden des seelischen Wohlstandes vervielfacht hat. Ein Resümee mit einem Liederbuch zu ziehen ist eine schöne und nachhaltige Geste. Es kommt einer Dokumentation gleich, eine des Erinnerns und Ausgrabens. Wenn dieses Buch aus dem Leben eines Regalbesetzers ausscheren soll, dann bedarf es des Entblätterns und des Transfers auf die Lippen. Sich Zeit zum Singen mit Freunden zu nehmen, bedeutet noch immer, etwas mehr vom Leben zu verlangen als nur zu sein. Es bedeutet auch, den Unbilden des Alltags schalkhaft und frohen Sinns zu begegnen, den Sonnenseiten einen deutlich gepolsterten Platz zu geben.

Die Dehnung des Augenblicks als Kostbarkeit erkennen

Wer auch immer das Liederbuch in die Hand nimmt, möge nicht an Volksliedpflege – im alten Sinn – denken. Er möge an sich denken und an den Dialog der Stimmen, ebenso an das Strickmuster der Mehrstimmigkeit. Die mit dem Singen einhergehende Dehnung des Augenblicks ist die wahre Kostbarkeit. Singen ist zudem eine permanente Erziehung zur Poesie, zu den melodiösen Formeln im Leben, aus denen wir allemal gestärkt hervorgehen…


Vorwort im Johnsbacher Liederbuch, Zitoll/Johnsbach, 2013; Mitautor: Ludwig Wolf; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.