Die Weihnachtsgeschichte

Ja, nicht nur wir Menschen sind uns unsicher, ob wir allen Anforderungen gerecht werden, die sich tagtäglich mitunter beharrlich in den Weg stellen. Beispiel gefällig?

Es war einmal ein Baumwollfaden

… ein ganz gewöhnlicher Baumwollfaden und er hatte solche Angst, zu wenig lang, zu wenig kräftig und zu wenig farbenfroh zu sein. Die Nutzlosigkeit schwebte wie ein Schwert über seinem Selbstwertgefühl. Er ließ seine Wolle hängen und jammerte: „Für ein Schiffstau bin ich um vieles zu schwach, für eine Gössl-Strickweste zu wenig weich und lang, für eine Mütze habe ich zu wenig Farbe und Wärme.“ Der Wollfaden seufzt!

Es ist wohl besser ein Licht anzuzünden, als über die Dunkelheit zu schimpfen…

Da wäre ja noch die Möglichkeit gewesen, an Freunde anzuknüpfen, an andere Garne halt, die eventuell ebenso auf der Suche nach Verwirklichung sind. Dazu aber hatte das Stückchen Faden überhaupt keine Courage, denn es meinte, es wäre ein ziemlich fader Faden, zu nichts nütze, ein bedauerlicher Versager eben! Im Original Wollton: “ Niemand mag mich und niemand braucht mich. Selbst mag ich mich auch nicht. Punkt.“ So sprach der kleine Baumwollfaden in sich hinein, beobachtete neidvoll die Artgenossinnen und Artgenossen, wie sie im Maschengeflecht als bunte Pullover, Mützen und Schals ein sinnvolles Dasein hatten. Das Selbstmitleid war offensichtlich und nicht einmal fadenscheinig.

Es kommt von irgendwo ein Lichtlein her…

In diesem Moment meldete sich ein Stück Wachs geschmeidig zu Wort: “ Lass Dich nicht so gehen, lieber Baumwollfaden, denn ich habe eine Lösung für Dich – und auch für mich: Tun wir uns doch zusammen. Zwar bist Du als Docht – für eine große Adventkerze zu kurz und ich bin ja auch nur ein kleiner Wachsrest. Aber für ein Klitzekleines Teelicht wird es wohl reichen?“ Das war eine besondere Idee. Die beiden zusammen ergaben eine kleine Kerze, eine, die wärmt und alles in ein helleres Licht versetzt. Es ist doch besser, zumindest ein kleines Licht anzuzünden, während andere über die Dunkelheit schimpfen.

Da war der kleine Baumwollfaden ganz glücklich, streckte sich in seiner vollen flauschigen Kürze und sagte sich insgeheim: Also bin ich doch etwas nütze. Ja, und damit haben es der unscheinbare Klumpen Wachs und der unbedeutende Baumwollfadenrest vorgezeigt, wie man die Welt retten könnte.


Gwandhaus – Kundenweihnachtsbrief, Salzburg 2012; Idee und Autor des Ursprungtextes unbekannt, nach- und weitererzählt von Hermann Härtel; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.