Der absolute sichere Kirchenraum

Was Jahrhunderte gefehlt hat: Der Fluchtweg aus der Kirche

Dieser Satire ging eine Sicherheitsdebatte in den Medien voran. Im Vordergrund stand die Frage, ob Kirchenräume gemäß dem Veranstaltungsgesetz überhaupt als Veranstaltungsräume genützt werden dürfen.

Als 2028 die Kirchenräume der Steiermark endlich behördlich erfasst und veranstaltungstauglich adaptiert worden waren, lehnte sich die Behörde zufrieden zurück, denn nichts ist beruhigender als das Gefühl, die Verantwortung auf ein Stück Papier abgewälzt zu haben und nicht auf dem Buckel tragen zu müssen. Na endlich dann…

Die Zeitungen waren voll des Lobes, wobei man sich an den seinerzeit – also 2008 – zuständigen Politiker gar nicht mehr erinnerte. Ebenso nicht an die Beamtenschar, die in einem schöpferischen Kraftakt gesetzliche Auflagen am laufenden Band in die Welt setzte. Nun endlich bringen die Medien die Jubelmeldung, nachdem sich das politische Büro mit der Marketingabteilung auf ein „Kooperationspaket“ geeinigt – d.h. bezahlt hatte. Na endlich dann:

Die Verwaltung überrascht immer wieder…

Da rückt der gewählte Mandatar seine Leistungsbilanz ins rechte bzw. linke Licht: „Kultur braucht Sicherheit und Sicherheit braucht eben rasches politisches Handeln“. In nur 20 Jahren sei ein neues Sicherheitsgefühl in den Kirchenbänken spürbar geworden, so der Herr Landesrat und lädt zum Auftakt einer neuen Ära zu Gott und Buffet. „Gehn ma Kirchen schaun…“ plakatiert er. Der Tag der offenen Sicherheitsschleusen und damit der Lokalaugenschein lässt eine neue Pilgerstromanalyse errechnen. Gehn ma also Fluchtweg schaun, denn da bekomm ich die mir zustehende Sicherheit am eigenen Leib zu spüren…

Gehst Du auch in die Kirche? „Sicher!“

Schon im Eingangsbereich verschmilzt das neue Glas-Aluminium-Design hautnah mit dem alten Torbogen. Ein Lichtschranke korrespondiert mit dem Display und in Sekundenschnelle erscheine ich als durchleuchtetes katholisches Skelett am Bildschirm. Ja, vor Gott sind wir alle gleich. Ein grünes Licht winkt mich durch, nachdem ich Schirm, Sonnenbrille und Sicherheitsnadel abgelegt hatte. Begleitet von Pieps-Tönen in einer gängigen Kirchentonart überschreite ich die Schwelle. Begeisterung greift um sich: Das Gestühl, nunmehr „Gepolster“ genannt, ist endlich an den Komfort der Kinosäle angepasst, nämlich kuschelig weich und automatisch verstellbar: Für lange und kurze Predigten. Die gemeingefährliche Wendeltreppe zum Chor ist allerdings mit Kordelbändern samt Quasten abgesperrt, während gleich daneben der gläserne Lift die Fahrt ins spätgotische Kirchenoberhaus gewährleistet. Um die gesetzlich entsetzlich niedere Brüstung im Original zu erhalten, zog man ein Sicherheitsnetz in den Kirchenraum ein. Der Blick zum Altar aus der Perspektive einer Spinne, also durchs Netz. Na endlich…

Der Umkehrschub: Die Flucht aus der Kirche gesichert

Schließlich ist mit der behördlichen Adaptierung aber auch ein Schuss Innovation verbunden. Die so selten benutzen Beichtstühle benötigten nur wenig handwerkliches Geschick, um in die entsprechende Menge an Toiletten umgewandelt zu werden. Und: Das früher eher düstere Kircheninnere ist nunmehr durch die Fluchtwegbeleuchtung freundlich erhellt und gibt ein neues Sicherheitsgefühl. Wo sonst ist das so ein Bedürfnis, wie hier im Gotteshaus? Die Erinnerung an Zeiten, als sich die kirchliche Obrigkeit noch vordergründig darum kümmerte, die Schäfchen ins Gotteshaus zu locken und sich viele Bedrängte in der Kirche in Sicherheit brachten, lässt die grünen Leuchtpfeile, die den Fluchtweg nach draußen signalisieren, als kirchenpolitischen Umkehrschub erkennen.

Heiliger Florian, Du Feuerlöscher

Die neue Veranstaltungskirche strahlt also Sicherheit aus, summt vor sich hin, weil die Klimaanlage ein stetes Schnaufen von sich gibt, ist endlich vom Kerzen- und Brandgeruch befreit und selbst die Brandmelder wurden vom Denkmalamt sinnvoll positioniert: Als Muster mitten in die prachtvollen Deckengemälde sind sie so stilvoll eingefügt, als ob die nackerten Engelein damit Handball spielen würden. Genug gesehen. Zuletzt wende mich aber dem in einer Seitennische stehende Sicherheitsdirektor zu: Dem Heiligen Florian. Man hat ihm das längst gegen die Vorschrift verstoßende Holzfass aus den Händen genommen und es gegen einen Feuerlöscher ausgetauscht.

Die neuen Kirchenräume geben also eine Sicherheit, auf die man bei Gott nicht verzichten möchte.


Nie veröffentlichter Leserbrief anlässlich des Disputs in den Medien, ob Kirchenräume sicher sind, 2008; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.