Die Familie feiert…

„Ich kann nicht zum Sportlerfest kommen, wir haben leider eine Familienfeier!“ sagt der Familienmensch und alle drum herum wissen, wie der Mann zu bedauern ist.

Familientreff ein Horror? Familienfeste, so möchte man meinen, sind das glücklichste vom Glück. Ja, sie sind es, aber wie umschifft man die paar Untiefen, die ein Zusammensein vielleicht zum Drama und in späterer Folge zum Trauma werden lassen? Warum setzen wir uns diesem Risiko aus?

Die Haltegriffe im Zeitgefüge

Rituale sind die Geländer des Lebens. Der Jahreskreislauf, der kirchliche und der weltliche tragen viel zu einem Ordnungsgefühl bei, welches wir Menschen offensichtlich dringend nötig haben. Innerhalb der großen Ordnungen setzen wir uns dann weitere Haltegriffe im Zeitgefüge. Da gehören die Wochenenden ebenso wie die Urlaubszeit dazu. Ordnungen haben aber, wenn wir sie willkürlich verletzen, erst recht einen Sinn. Den Beweis dafür finden wir im sprichwörtlichen „Feste feiern, wie sie fallen“.

Die belastende Schon-Wiederkehr

Die Jubiläen in der Familie sind eine alljährlich wiederkehrende Aufmerksamkeit. Im Kindesalter lernen wir bereits, für einen Tag im Mittelpunkt zu stehen, später bemühen wir uns, auf keinen der Geburtstage und Jubiläen zu vergessen, ganz später dann, sind wir die Geehrten und Genießer der gezeigten Zuneigung. Die „Schon-Wiederkehr“ aber von alljährlich anfallenden Pflichtfesten wie Schulbeginn-, Schulabschlussfeiern – wird dann und wann zur Belastung. Da lob ich mir die familiären Anlässe, die Taufe und Erstkommunion, die Firmung und die Hochzeit. Familiäre Festplanung zeugt von Traditionsbewusstsein und darin steckt auch die gleichzeitige Weitergabe dieses Brauchverhaltens an die nächste Generation. In jeder solchen Feier findet sich auch ein Quantum Versöhnung für lange zurückliegende Verletzungen.

Der beste Kleber: Die Familie

Hinter der schön gestalteten Einladung, der Vorbereitung des Tischschmuckes, dem organisierten Mehlspeisenbacken, der Einübung eines Ständchens, der bemühten Festrede bis zur festlichen Kleidung steckt ein hohes Maß an Bereitschaft, die ganze Verwandtschaft zu nehmen wie sie ist. Der Kleber heißt Familie und da wird auch einmal über vergangene Erbschaftsdinge nicht gesprochen, wie zumal auch die unpassend zerschlissene Hose des Juniors still hingenommen wird.

Die Vorbehalte und die schönste Krawatte

Wer sich nun selbst und seine Lieben in dieser Betrachtung wieder findet, möge bedenken: Die allerbeste Familie vereint in ihren Wurzelstöcken und Sprösslingen eine Unzahl von Möglichkeiten, dem Glück entgegen zu streben.
„Wir haben leider eine Familienfeier“, sagt man also in Anbetracht aller Vorbehalte und stöhnt vor sich hin, während man die schönste Krawatte zurechtlegt, in ein ausgesuchtes Hemd schlüpft und dabei auf die Uhr sieht. Man möchte nicht zu spät kommen, die Lieben warten schon!


Gwandhaus-Journal, Salzburg, 4/ 2007; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.