Trauerrede für einen Erzmusikanten
Das Bild vom Musikanten, der – poetisch gesprochen – den Bogen aus der Hand legt, will mir im Zusammenhang mit dem Abtreten des Musikers Ferdinand Zwanzger nicht recht gefallen. Da schwang doch stets – wenn er mit straffem Bogenstrich die pure Lebenslust der Tanzpaare entfachte – eine Spur Unendlichkeit mit. Es waren eben meist göttliche Stunden und ein Himmel voller Geigentöne, die eine Spur von Unendlichkeit aufkommen ließen. So manches Tanzpaar hat im Sog der Zwanzger-Streichmusik das Zeitmaß links liegen gelassen und die Nacht zur Neige getanzt.
Verehrerinnen und Verehrer waren dem Ferdl verfallen, seiner Musik und seiner besonderen Zuwendung zur Kundschaft. Da trafen sich das goldene Handwerk und die geküsste Muse in einer Person: Welche Fügung hat den Schuhmachermeister und zugleich den Meister der Unterhaltung hervorgebracht, der mehr handwerkliche Einstellung als künstlerisches Gehabe an den Tag legte, stets in Demut sich vor dem Publikum verneigend. Mit ihm geht ein Vertreter des Musikantentums der Weststeiermark, des allzeit dienenden Musikus, der über 700 Hochzeiten spielte, die Musikversorgung in seiner Heimat sicher stellte, sei es die Brauchtumsmusik, Tanzmusik, Blasmusik, ebenso aber auch die Kirchenmusik. Er hat seine Schuhmacherlehrlinge und ebenso die Musikerlehrlinge in ein und derselben Werkstätte ausgebildet. Eine Spur Trompetenöl und der herbe Ledergeruch lagen in der Luft, Schnittformen, Werkzeuge, Schuhbänder und Notenblätter auf den schweren Nähmaschinen. Der Ferdl hat seinen Beruf und seine Berufung zusammen vernäht und geknüpft. Wahrscheinlich hat er auch Sohlen aufgedoppelt, die gerade erst durch seine Tanzmusik durchgetanzt wurden.
Der steirischen und der österreichischen Volksmusikforschung war er ein geduldiger und verständnisvoller Gewährsmann, immer auch darauf bedacht, seine Kenntnisse weiter zu geben. Viele junge Musikantinnen und Musikanten haben sich ein Beispiel genommen, was Intensität der Musik, Spielfleiß, Unterhaltungswert und was vor allem die dienende Rolle eines Musikers betrifft. Dass die Tradition des volkstümlichen Geigenspiels in der Weststeiermark bislang keine Unterbrechung fand, das ist wohl ein Verdienst des Ferdl Zwanzger, der so lange gespielt hat, bis eine nächste Generation den Bogenstrich aufnahm. Es ist geradezu beglückend, dass im Zusammenhang mit dem Tod des Ferdl Zwanzger, eben nicht vom Verklingen die Rede sein kann. Das bezeugen zahlreiche junge Menschen im Lande, die ihm herzhaft nacheifern.
Von wegen Bogen weglegen: Sollte die Geschichte vom Himmelsorchester der Wahrheit entsprechen, dann hat unser aller Vorbild, der Ferdinand Zwanzger den Bogen nur vorübergehend auf die Seite gelegt.
Trauerrede in der Pfarrkirche Stiwoll, 2006; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.