Alles Gute zum Jubiläum

100 Jahre Steirisches Volksliedwerk

Im Bewusstsein, dass unser Planet im Universum bloß eine Nebenrolle – als kleiner, umher rasender Felsbrocken – spielt und wir vergeblich versuchen, uns Jahrmillionen vorstellen zu können, ist es ja beinahe belustigend, welche Jubiläumsfeste wir uns auf der Kruste dieses Planeten einfallen haben lassen. Heute warten wir keine 10 Jahre mehr, um uns in Erinnerung gegenseitig zu beglückwünschen. Ja, Tradition hat eine immer kürzer werdende Entstehungszeit. Was gestern schon das zweite Mal geschah, ist heute bereits immer so gewesen und findet schon übermorgen Erwähnung in der Jubiläums – Festrede. Diese Überzeichnung sei mir gestattet…

Jubilieren als Zeitvertreib

Vielleicht ist es aber gerade die Unendlichkeit des Zeitgefüges, die uns nach sicheren Haltepunkten Ausschau halten lässt. Die kleine Zeiteinheit ist daher ein willkommener Anker und die Wiederkehr des Jahrestages gleichsam Balsam auf unsere Verlorenheit. Das Jubiläum – dessen Rituale und Symbolik – ist also ein kulturgeschichtliches Phänomen. Die Zeit würde ja einfach und unaufhaltsam voran schreiten, wenn wir nicht eine solch große Freude an der Wiederkehr der Ereignisse von einst hätten. Ein Hoch unserem Erinnerungsvermögen, denn es verführt uns allzu gerne zum Jubilieren.

Die wechselhafte Geschichte

Der eigentliche Anlass für dieses Vierzeiler-Thema ist das Jubiläum unseres Volksliedwerkes: Es ist gerade erst 100 Jahre alt geworden. Das gehört gewürdigt, denn die Geschichte dieser Kultureinrichtung ist eine durchaus interessante. Da spielt die Angst vor dem Untergang des Volksliedes eine Rolle, ebenso aber auch die wechselhafte Auslegung des Volkskultur- und Volkskundebegriffes, die Sammelleidenschaft der Fachleute wie der ehrenamtlichen Mitstreiter. Zuletzt aber stecken in diesen 100 Jahren zwei Weltkriege und die damit verbundene Inanspruchnahme des Volkstums, die darauf erfolgte Ablehnung, ebenso aber das wieder gewonnene Selbstbewusstsein, welches heute in einer beinahe unglaublichen Lebendigkeit erklingt.

Die Autorinnen und Autoren

Karl Kalcsics betrachtet das Steirische Volksliedwerk aus volksbildnerischer Sicht, während der Kultursoziologe Justin Stagl verständlich macht, warum wir Menschen das wiederkehrende Jauchzen so sehr lieben. Christine Brunnsteiner beschreibt ihre Rolle als Musik-Grußbotschafterin im Radio Steiermark und Marlies und Franz Prettenthaler wissen die Rolle des Hochzeitstages für sich und für unsere Leserschar zu deuten. Herzerl, Blumen und Luftballon: Unsere Mitarbeiterin Evelyn Kometter hat sich mit der Symbolik der Jubiläumsbeigaben auseinander gesetzt, während Robert Schmidt in das Handwerk des Laudatio – Schreibers einführt, denn Ehrungen haben ein ausgeklügeltes Ritual. Leopold Neuhold führt zurück zur zweitausend jährigen Geschichte des Christentums, zugleich auch zum kirchlichen Jahreslauf, womit der alljährlichen Wiederkehr des Weihnachtsfestes auch in dieser Ausgabe die gebührende Rolle eingeräumt wird.

Alle Jahre wieder

„Engel singen Jubellieder…“ – dieses Mal für meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ebenso aber für unsere Leserinnen und Leser und für alle die guten Willens sind, unsere Freude am Singen und Klingen zu teilen. „Alle Jahre wieder…“ ist also noch lange nicht Schnee von Gestern…


Der Vierzeiler, Leitartikel Zum Titelbild und Thema, 25. Jahrgang, Nr.4, 2005; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.