Hoch lebe die Wirtin und der Wirt…

Kleine Gedanken zur 1. Auszeichnung Musikantenfreundliche Gaststätte in Vorarlberg

Gratulation und Prost kann man da nur sagen! Das Vorarlberger Volksliedwerk hat die erste Ernennung zur „Musikantenfreundlichen Gaststätte“ per Urkunde überreicht, zudem ein Fest gefeiert und damit einen Floh ins Ohr aller Wirtsleute gesetzt:

Warum nicht wieder musizieren und singen, den Gästen den Rahmen bieten, um die eigenen musikalischen Wurzeln zu pflegen? Mag sein, dass sich mancher von Euch an solche Augenblicke erinnert, in Gedanken eintaucht in unendlich schöne Stunden des Gesanges und der Geselligkeit, aber leider von „Damals“ redet. Irgendwie sind diese Augenblicke in Verlust geraten. Wir haben nur mehr konzertiert, die Wirte sich nur mehr auf die Speisekarte konzentriert, der Rundfunk hat Volksmusik nur mehr programmiert. Früher, ja früher war es noch anders – beim Wirt. Demnach ist Musik beim Wirt keine neue Erfindung, aber so ist es mit vielen Traditionen: Sie kommen und vergehen oder warten auf eine Wiederentdeckung. Es war also längst an der Zeit, die Gaststätte als musischen Ort wieder zu entdecken, den Wirten die Rolle der Beherbergung von musikalischer Unterhaltung wieder einzureden.

Die musikkulinarische Spezialität

Zu Beginn der Achtzigerjahre wurde die erste solche Auszeichnung in der Steiermark vorgenommen. Inzwischen sind es nahezu 120 Gaststätten, die sich unserer Initiative angeschlossen haben. Jahr für Jahr sind es etwa 600 musikalische Ereignisse in den Wirtsstuben, sie bieten eine unglaubliche Vielfalt der Begegnung: Als Zuhörer, als Mitsänger und als Tanzende. Immer mehr Menschen getrauen sich aber auch, selber anzuspielen und anzusingen. Immer mehr Menschen entdecken ihre eigenen musikalischen Wurzeln und die schlummernden Begabungen. Schon dieser Absatz ist eine plausible Erklärung für diese Initiative. Es stecken aber noch andere Überlegungen dahinter, wenn die Wirtsstube nicht zum austauschbaren Konzertpodium werden soll:

Die Lebensgesetzte von Volksmusik

Volksmusik muss sich vor allem in der Geselligkeit bewähren, dort hat sie – bei den Reibungsflächen mit den Zuhörern – einen Nährboden. Dies im Gegensatz zur Bemühung, die Volksmusik salonfähig zu machen, sie mehr vorzuzeigen anstatt mit ihr zu leben. Daher: Mehr Lebensmittel als Genussmittel soll sie sein, das täte ihr längst gut. Volksmusik braucht die unmittelbare Kritik und derer ist man im Wirtshaus sicher. Sie braucht aber auch die Begegnung mit anderen Musikgattungen und soll sich auch inmitten anderer Klänge behaupten. In dieser Hinsicht wurden in der Steiermark gute Erfahrungen gemacht, denn in welche Richtung sich nun der Musikgebrauch im Wirtshaus auch immer bewegt, ob sehr traditionell, volkstümlich oder gar in Richtung Weltmusik und Schlager: Die Feinabstimmung müssen die jeweils beteiligten Musikerinnen, Musiker, Zuhörerinnen und Zuhörer vornehmen. Musikgebrauch hat dann mehr mit dem unmittelbaren Augenblick, mit dem Gemisch der anwesenden Interpreten und Musikliebhaber zu tun. Die Einteilung in Musikgattungen wäre geradezu absurd und ebenso das Isolieren von Volksmusik, denn damit wäre ihr Weiterbestand geradezu gefährdet.

Musiker und Wirtsleute

Das Vorarlberger Volksliedwerk zieht nun – ebenso wie in der Steiermark – die Interessensfelder der Wirtsleute und jene der Musiker auf einen Strang zusammen. Von jeher stecken ja die Musikanten mit den Wirtsleuten unter einer Decke. Das erinnert an jene Zeit, wo die Musikanten vom Wirt zum Tanzspielen angehalten wurden. Ob der Tanz bis in die Morgenstunden gedauert hat, wie viele Pausen eingelegt oder ob die Tanzlustigen so recht zum Schwitzen gebracht wurden: Das alles steht auch in Verbindung mit dem Durst, dem Appetit und der flexiblen Sperrstunde. Heute wiederum kann diese Mischung aus Gastlichkeit, Küchenkunst und musikalischer Unterhaltung ein Nischenprodukt ausgefeilter Gastro-Kultur sein.

Aufgefangen und aufgehoben

Wer aber glaubt, dass es nur um Gaumen- und Ohrenfreuden geht, verschließt sich vor den wesentlichen Genüssen. Die Krönung jeder Gastlichkeit ist die persönliche Hingabe des Wirtes, der Wirtin und des Bedienungspersonals. Wirtinnen sind bekanntlich die Seele jeder solchen genüsslichen Stunde. Sie verfügen über die neuesten Informationen, kennen aber auch das Gebot der Verschwiegenheit. Was uns immer wieder verwundern vermag: Sie sind imstande, etwa die erotische Ausstrahlung höchst gleichmäßig auf alle anwesenden männlichen Gäste zu verteilen. Ja, während Kunst und Kulturräume erst mit Kunst und Kultur gefüllt werden müssen, stehen den Musikanten Häuser zur Verfügung, die Lebenskunst und Begegnungskultur von sich aus bereits hoch entwickelt haben.

Instanz und Intendanz

„Musik beim Wirt“ wurde also von einem kulturpolitischen Anliegen zum Lebenszeichen der musikalischen Traditionen, zum Sinnbild für eine funktionierende Spielwiese, auf der die kleinsten geselligen Gemeinschaften über die größtmögliche Gestaltungskraft verfügen. Dem Wirt und der Wirtin als oberste Instanz folgt unmittelbar jeder einzelne in seiner Funktion als Intendant der Festspiele beim Wirt. Hier hat Musik auch eine Chance neu interpretiert oder neu erfunden zu werden. Vielleicht ist so mancher Musikant in der von mir zugeordneten Rolle als Intendant vorerst überfordert. Gut so, denn lange genug hat die akustische Übersättigung unsere Sehnsüchte verdeckt und unsere musikalischen Fähigkeiten kaum gefordert. Ich wünsche der Aktion Musik beim Wirt in Vorarlberg viel Erfolg und gratuliere dem Volksliedwerk, ebenso aber der Fachgruppe Gastronomie zur vereinbarten Partnerschaft. Die soeben ausgezeichneten Wirtsleute erinnere ich an die hohe Ehre aber auch an die Verpflichtung: Sie sind nun die Botschafter des Volksliedwerkes, dessen kulturelles Engagement es verdient, Ton für Ton hinausposaunt zu werden.


Vortrag anlässlich Ernennung zur 1. Musikantenfreundlichen Gaststätte in Vorarlberg, 2005; Die Maultrommel, Vorarlberger Volksliedwerk, Heft 72, 5/2005; Grundsätzlich sind alle hier veröffentlichten Inhalte urheberrechtlich geschützt und sämtliche Rechte vorbehalten.